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Alt und kaputt? Von wegen

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Fit für den Verkauf – Rebike lässt gebrauchte E-Bikes professionell aufarbeiten

Wie lässt sich der Ressourcenverbrauch entscheidend verringern? Eine Möglichkeit bietet die Kreislaufwirtschaft. Wie sie funktioniert, zeigen 2 Firmen aus Oberbayern.
 
Von Monique Opetz, IHK-Magazin 09/2024

München lebt auf Pump. Die Bewohner der Stadt verbrauchen 4 mal mehr Ressourcen pro Jahr, als natürlicherweise vorhanden sind. Das zeigt eine aktuelle Studie zur Kreislaufwirtschaft, welche die Initiative „Circular Republic“ des Innovations- und Gründungszentrums UnternehmerTUM angestoßen hat. Die bayerische Landeshauptstadt ist fast vollständig auf Importe angewiesen, um ihren Rohstoffbedarf zu decken. Doch wie kann dieser „Rohstoffkredit“ zurückgezahlt werden?

Eine Antwort darauf wollen zirkuläre Geschäftsmodelle liefern (siehe unten). „Eine zirkuläre Strategie ermöglicht, schließt, schafft oder verlängert Kreisläufe“, sagt Adriana Neligan, Senior Economist für Umwelt, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Dazu zählen etwa Sharing-Angebote und Businessmodelle, die die Lebensdauer von Produkten verlängern oder mit weniger Rohstoffen als Vergleichsprodukte auskommen.

In Wertschöpfungsketten arbeiten

„Der Übergang zu zirkulären Geschäftsmodellen kann beispielsweise die Rohstoffversorgung sichern, indem Unternehmen unabhängiger von internationalen Märkten sind“, sagt die Expertin. Ein Hemmnis – gerade für kleine und mittelständische Unternehmen – sei jedoch oftmals die fehlende Vernetzung: „Ich glaube, man muss in Wertschöpfungsketten oder sogar -netzen arbeiten“, sagt Neligan. Denn das Nebenprodukt eines Produkts könne wertvoller Input für ein anderes sein.

2 Unternehmen, die bereits auf zirkuläre Geschäftsmodelle setzen, sind die Rebike Mobility GmbH und die tozero GmbH aus München. „Die Idee für Rebike entstand, weil es 2018 keinen professionellen Gebrauchtmarkt für E-Bikes gab“, sagt Rebike-Co-Gründer und CEO Thomas Bernik. Sein Team verlängert die Lebenszeit von gebrauchten E-Bikes durch einen sogenannten Refurbishing-Prozess, eine professionelle Wiederaufbereitung. „E-Bikes sind sehr langlebig und hochpreisig. Daher war mir klar, dass dieser Markt sehr großes Potenzial hat.“

Rebike: Neuware vermieten, danach aufarbeiten

Doch das war anfangs gar nicht so einfach, denn gebrauchte E-Bikes gab es damals nur bei E-Bay-Kleinanzeigen, erinnert er sich. So kauften sein Geschäftspartner und er zunächst Messe- und Vorführmodelle, die sie reparierten. „Aber das waren ein paar Hundert – viel zu wenig“, so Bernik.

Also schuf das Start-up seinen eigenen Kreislauf. Es kaufte zunächst neue E-Räder bei großen Herstellern und vermietete sie in Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf. Zusätzlich starteten sie eine Onlineplattform, auf der sie neue E-Bikes per Ein- oder Zweijahres-Abo vertrieben. Diese ehemaligen Neuräder wanderten danach zurück in das hauseigene Refurbishment-Center, wo sie für den Gebrauchtmarkt zum Verkauf fit gemacht werden.

Lukrative Leasingrückläufer

Vor etwa 2 Jahren kam eine entscheidende Entwicklung hinzu: Die Verträge von Leasingfirmen, die E-Bikes an Firmen für deren Mitarbeitende vermieten, liefen aus. Für das Rebike-Geschäftsmodell sind Leasingrückläufer wirtschaftlich lukrativer, weil das Start-up mit einer unbegrenzten Menge an gebrauchten E-Bikes besser und schneller skalieren kann. Der Geschäftsführer schätzt, dass im kommenden Jahr über 100.000 E-Bikes von Leasingfirmen auf den Markt zurückkommen. Das heißt für das Unternehmen: Es kann exakt so viel Ware einkaufen, wie es benötigt.

20.000 ehemals geleaste Räder wollen Bernik und sein Team 2024 wiederaufbereiten – und nicht nur in Deutschland verkaufen. Um den zirkulären Kreis zu schließen, möchte er refurbishte E-Bikes künftig auch zurück ins Leasinggeschäft bringen. Seit Sommer läuft eine Kooperation mit einer Leasingfirma.

tozero: Batterien recyceln

Um ausrangierte Ware kümmert sich auch das Start-up tozero. Das 2022 gegründete Unternehmen recycelt Lithium-Ionen-Batterien, die etwa in Elektroautos eingesetzt werden. Die Sekundärrohstoffe sollen zurück in den Wirtschaftskreislauf gebracht und für neue Akkus wiederverwendet werden. Ein vielversprechender Markt, denn laut dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe wird der Recyclingbedarf stark zunehmen: Die Rücklaufquote von Lithium-Ionen-Batterien soll von 50.000 Tonnen im Jahr 2023 auf 420.000 Tonnen im Jahr 2030 steigen.

Lithium ist ein begehrter, aber nicht nachwachsender kritischer Rohstoff, der außer in E-Autos auch in Smartphones oder Laptops steckt. Beim Batterierecycling kommen üblicherweise aggressive Chemikalien zum Einsatz. Aus der sogenannten Schwarzmasse konnten bisher nur Nickel, Kobalt und Kupfer recycelt werden. „Wir konzentrieren uns darauf, Lithium und Grafit zurückzugewinnen – und zwar umweltfreundlich“, sagt Sarah Fleischer, Co-Gründerin und CEO von tozero. Die Technologie erfülle heute schon die Recyclinganforderungen der Europäischen Kommission, die ab 2031 eine Rückgewinnungsrate von mehr als 80 Prozent für Lithium vorschreibt.

50 Prozent durch Recycling decken

Mehrere Tonnen Schwarzmasse kann die Pilotanlage in Karlsfeld pro Tag verarbeiten. In diesem Jahr hat das Unternehmen erstmals zurückgewonnenes Lithiumcarbonat verkauft. „Meines Wissens sind wir die Ersten in Europa“, sagt Fleischer. Dabei sei nicht nur die Batterieindustrie hungrig auf das Material, auch die Glas-, Schmierstoff-, Keramik- oder Zementindustrie sind auf den Rohstoff angewiesen.

Die Geschäftsführerin betont: „Statistiken zeigen: Wenn Lithium bis 2040 aufgrund der vorgeschriebenen Quote zurückgewonnen würde, könnte man locker über 50 Prozent des Bedarfs in Europa decken.“ Das heißt, Recycling würde die Abhängigkeit von Lithium-Importen vermindern und Lieferketten stärken.

Bis 2027 möchte tozero die erste kommerzielle Recyclinganlage in Betrieb nehmen. 90.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien sollen dann jährlich verarbeitet werden.

Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie

Dass nachhaltiges Wirtschaften kein Nischenthema mehr ist, zeige die von der Bundesregierung geplante Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, sagt IW-Expertin Neligan: „Es ist ein wirtschaftspolitisches Thema, das positiv besetzt ist – und für eine Transformation steht, die bereits auf europäischer Ebene stattfindet und nun die Stakeholder auf nationaler Ebene einbezieht.“

IHK-Info zur Kreislaufwirtschaft

Auf ihrer Homepage hat die IHK für München und Oberbayern umfassende Informationen zu Recycling, Refurbishment und Circular Economy zusammengestellt.

Überblick: Zirkuläre Geschäftsmodelle

  • Sharing-Modelle: gemeinsame Nutzung zum Beispiel von Pkw, Fahrrädern oder E-Rollern
  • Product-as-a-Service: Produkte werden nicht verkauft, sondern mit Wartungsvertrag verpachtet.
  • Verlängerung der Produktlebensdauer: durch Upgrades, Reparatur, Wiederaufbereitung
  • Rückgewinnung von Ressourcen: durch Recycling

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