Standortpolitik

Chefinnen von morgen

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Role Model – Anna-Maria Jansen, Gründerin des Unternehmens Burning Balance

Um mehr Frauen für die Selbstständigkeit zu gewinnen, müssen Mädchen die Option unternehmerische Tätigkeit erst einmal kennenlernen. Unternehmerinnen besuchen daher als Role Models Schulen und berichten von ihrem Berufsalltag.

Gabriele Lüke, Ausgabe 09/2021

Wollten Sie schon immer selbstständig sein? War die Unternehmensgründung kompliziert? Wie finden Sie neue Kunden? Dauerte es lange, bis Sie von Ihrem Unternehmen leben konnten? Wie vereinbaren Sie Unternehmen und Privatleben? Was tun, wenn es mal nicht rundläuft? Treffsicher stellten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 des Camerloher-Gymnasiums in Freising der Unternehmerin Anna-Maria Jansen ihre Fragen.

»Als ob sie tatsächlich eine Gründung planen«, sagt die Gründerin des Fitnessunternehmens Burning Balance in München. »Insbesondere die Mädchen haben intensiv nachgehakt. Es würde mich sehr freuen und es wäre mein Ziel, wenn ich vor allem auch sie mit meiner Begeisterung für das Unternehmertum anstecken könnte. Denn es sollte noch viel mehr Unternehmerinnen geben.«

Die Selbstständigkeit als berufliche Option vorzustellen und damit die Palette der Berufsmöglichkeiten abzurunden, war die Idee hinter Jansens Besuch. »Es ist uns sehr wichtig, immer auch weibliche Role Models vorzustellen«, erklärt Katrin Westermeier (41), Lehrerin an dem Freisinger Gymnasium. »Wir wollen den Mädchen und Jungen vielfältigste Berufsmöglichkeiten aufzeigen und dabei zugleich sowohl in Bezug auf die Berufswahl als auch auf die Selbstständigkeit Geschlechterstereotype hinterfragen und aufbrechen.«

30 Prozent der oberbayerischen IHK-Unternehmen von Frauen (mit-) geführt

Insbesondere Frauen zur Selbstständigkeit zu ermutigen, ist auch ein wichtiges Ziel des IHK-Ausschusses Unternehmerinnen, erläutert Elfriede Kerschl, Leiterin des IHK-Referats Fachkräfte, Weiterbildung, Frauen in der Wirtschaft. »Aktuell werden rund 30 Prozent der oberbayerischen IHK-Unternehmen von Frauen geführt und mitgeführt. Hier ist noch Luft nach oben.« Kerschl ist überzeugt: »Wir können gar nicht früh genug ansetzen, um die Idee der Selbstständigkeit in die Köpfe junger Frauen zu pflanzen. Die Schule ist der richtige Ort dafür.«

IHK organisiert Besuche in Schulklassen

Deshalb organisiert Kerschls Referat Begegnungen, bei denen Firmenchefinnen Schulklassen besuchen oder diese einladen. So können sie den jungen Leuten, insbesondere den Mädchen, die Idee und Attraktivität der Selbstständigkeit vermitteln – und belegen, dass Wirtschaft eben auch Frauensache ist.

Das Treffen in der Freisinger Schule hat das IHK-Referat ebenfalls arrangiert und mit Unternehmerin Jansen ein spannendes Rollenvorbild geliefert. Die 32-Jährige startete ihre selbstständige Karriere als Fotomodell, was ihr bald nicht mehr genügte. Daher gründete sie mit zwei Partnern das Unternehmen Burning Balance, das Firmenkunden mit Teamwettbewerben beim betrieblichen Gesundheitsmanagement unterstützt. Das Unternehmen legte einen erfolgreichen Start hin: »Ich, unser ganzes Team, wir haben für unsere Idee gebrannt, haben viel gearbeitet und vor allem genug Kunden von unserer Idee überzeugt – was ja das Wichtigste ist.«

Partiell Kampf um Akzeptanz nicht verschwiegen

Jansen verschweigt aber auch die Kämpfe nicht: »Ich musste partiell erleben, dass ich als Frau zunächst weniger akzeptiert wurde als Männer. Und dann bremste uns Corona aus, denn Sport lebt von der persönlichen Begegnung.« Statt sich unterkriegen zu lassen, absolvierten Jansen und ihre Partner Fortbildungen, die auch Burning Balance nützen werden. »Ich selbst habe das Programmieren gelernt, ich fühlte mich immer begrenzt, wenn ich Programmierarbeiten anderen überlassen musste«, erläutert Jansen. »Nun kann ich es selbst und programmiere bereits neue Module für Burning Balance; damit können wir unsere Kunden auch in Zeiten des Social Distancing bedienen.«

Begeisterung steckt an

Aus diesen Erfahrungen heraus entwickelt die Unternehmerin auch ihre wichtigste Botschaft an die Jugendlichen: »Von der Idee und dem Produkt begeistert sein, sich durch Rückschläge erst einmal nicht entmutigen lassen, sich und das Produkt aber zugleich auch immer kundenund situationsgerecht weiterentwickeln – das macht die Selbstständigkeit aus. Es ist nicht immer einfach, aber doch faszinierend.« Besonders an die Mädchen richtet sie den Appell: »Es passiert leider immer noch, dass Frauen nicht ernst genommen werden. Lasst euch davon nicht einschüchtern, geht euren Weg.«

»Es lohnt sich, sich zu trauen«

Gymnasiastin Wiebke Klages ist von Jansens Vortrag beeindruckt. Es sei wichtig gewesen, dass die Unternehmerin nicht nur die Erfolge, sondern auch die Widerstände thematisiert habe. Fehlende Akzeptanz als Frau, Rückschläge – das seien auch ihre Bedenken gewesen. »Ich nehme nun mit: Wenn Kunden das Produkt gut finden, lohnt es sich, sich zu trauen, zu starten, weiterzumachen, sich zu behaupten – auch gegen Vorurteile.«

Die 17-jährige Gymnasiastin nimmt mit dem Schülerunternehmen Camtucho bereits am bundesweiten Junior-Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft IW teil. Die Firma, in der sie zweite Vorstandsvorsitzende ist, stellt aus gebrauchten Patronenhülsen Flaschenöffner her. »Die Idee zu finden, die Umsetzung zu organisieren, hat viel Spaß gemacht.« Stolz fügt sie hinzu: »Unser Produkt ist mehrfach nachhaltig – wir recyceln gebrauchtes Material und werden einen Teil des Erlöses an Kriegsgebiete spenden, um aus dem schlechten Bild der Patrone einen positiven Gebrauchsgegenstand zu machen.« Lob gibt es auch von Unternehmerin Jansen: »Gute Idee – unbedingt weitermachen!«

Selbstständigkeit als Option anschaulich gemacht

Bereits vor der Coronapause empfing Rosie Schuster (55), Geschäftsführerin der Münchner Techcast GmbH, eine Schülerinnengruppe des Gymnasiums Kirchheim. Techcast produziert und streamt zum Beispiel Kongress- und Vortragsvideos, Hauptversammlungen oder Fortbildungen. »Es war mir wichtig, praktisches unternehmerisches Handeln sichtbar zu machen, das Faszinierende der Selbstständigkeit herauszuarbeiten«, erklärt sie ihre Motivation als Gastgeberin. Sie wollte den jungen Frauen ebenfalls Mut machen: »Es kann auch schwierig sein – dennoch: Traut euch die Selbstständigkeit grundsätzlich zu, wenn sie euch anspricht! Ihr könnt das!«

Das kam offensichtlich an. Die begleitende Lehrerin Beate Birkedal (52) beobachtete: »Unsere Schülerinnen waren sehr fasziniert. Dass sie sich selbstständig machen können – diese Option werden sie nun immer im Hinterkopf haben.«

Stichwort: Neuer IHK-Ausschuss Unternehmerinnen

33 Unternehmerinnen aus ganz Oberbayern sowie aus allen Branchen und Betriebsgrößen setzen sich im neu berufenen Ausschuss für die Interessen von Unternehmerinnen und für deren Sichtbarkeit ein. Die IHK-Vizepräsidentin Ingrid Obermeier-Osl (Franz Obermeier GmbH) wurde einstimmig zur Vorsitzenden gewählt. Ihre Stellvertreterinnen sind Yvonne Molek (TYvest Capital Beteiligungsgesellschaft mbH) und Denise Schurzmann (Krause Industrieschaltanlagen GmbH).

Der Ausschuss erarbeitet fachliche Grundpositionen, versteht sich als Netzwerk oberbayerischer Unternehmerinnen und sucht den Austausch mit Vertretern aus Politik und Verwaltung sowie mit anderen Wirtschaftsnetzwerken.

Mehr IHK-Informationen zu Frauen in der Wirtschaft hier.

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