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Zeitgeist in Mode

Marion Vogel ©
Teilweise in 35 Farben – Andrea Karg mit ihren ausgefallenen Cashmere-Kreationen

Kreative Juristin: Andrea Karg hat ihr Cashmere-Unternehmen Allude in 30 Jahren zu einer international erfolgreichen Modemarke gemacht.

Von Harriet Austen, IHK-Magazin 05-06/2023

Sie kann es immer noch nicht glauben. „Die Coronajahre waren die erfolgreichste Zeit in unserer Unternehmensgeschichte“, sagt Andrea Karg. Dabei war sie Anfang 2020 extrem pessimistisch gewesen. „Wir verkaufen keine Pullover mehr“, fürchtete sie zu Beginn der Pandemie. Ihr Mann beruhigte sie – und sollte recht behalten. Ihre Firma Allude konnte mit ihren hochwertigen Luxusstrickprodukten aus Cashmere beträchtliche Umsatzzuwächse verbuchen. Einer der Gründe: Viele ihrer Einzelhandelskunden hatten ihr Marketing auf Online und Social Media umgestellt. „Sie haben sich quasi neu erfunden“, sagt Karg.

Auch Allude hat sich verändert. Zu den Strickoberteilen kamen Jogginghosen für das Büro zu Hause dazu – mittlerweile ein Bestseller. „From Office to Opera“ nennt die Unternehmerin den neuen Komplettlook, der auch abends chic aussieht. Vielleicht eröffnen Krisen neue Möglichkeiten, sinniert die 62-Jährige und zitiert das chinesische Wort dafür, das sich aus Gefahr und Chance zusammensetzt.

Chinesische Bergziegen als Wolllieferanten

In China, genauer in der Provinz Xian, ist sie häufig unterwegs. Dort befinden sich die Farmen mit den Bergziegen, aus deren Wolle das feine Cashmere gewonnen wird; dort lässt Karg auch ihre Kollektionen produzieren, neben kleineren Werken in Nepal, Italien und Rumänien. Die Allude-Kreativchefin kennt sich mittlerweile bis ins kleinste Detail mit ihrem edlen Lieblingsmaterial aus. Das notwendige Know-how eignete sich die Fachfremde schrittweise an.

Denn eigentlich hat Karg Jura studiert. „Das beste Handwerkszeug für die Führung eines Unternehmens“, findet sie und bezeichnet sich als strukturiert und bodenständig, fern von jedem „Wolkenkuckucksheim“. Ihr gehe es im Wesentlichen darum, „den Zeitgeist zu spüren und in Mode umzusetzen“, sagt Karg. Und das beherrscht sie. Als ehemaliges Model hatte sie schon früh eine Affinität zur Mode.

1993: Eigene Modelinie mangels Alternativen

Dem anschmiegsamen Material Cashmere begegnete sie erstmals als Teenager bei einem Einkaufsbummel mit ihrem Vater auf der Düsseldorfer Königsallee. „Das ließ mich nicht mehr los“, sagt sie. Als sie jedoch später nach einem eleganten, femininen Pullover für sich suchte, wurde sie enttäuscht: Schnitte und Farben fand sie altbacken und bieder.

„Dann entwickle ich eben selbst eine eigene Modelinie“, entschied Karg kurzerhand und gründete mit ihrem Ehemann Christian Karg 1993 die Allude GmbH. Schon die erste Kollektion war ein voller Erfolg. „Wir hatten das richtige Produkt zur richtigen Zeit“, freut sich die Designerin noch heute.

Inspiriert durch Menschen und Reisen

Ihre Kreationen sind mutig, farbig und ausgefallen, sie experimentiert mit Schnitten, Farben, Motiven und Strukturen, appliziert Intarsien und wagt neue Wege. Topmoderne Kleidungsstücke mischen sich mit Klassikern, „die Kunden verlangen danach“, weiß Karg. Die Herausforderung sei, weiter richtungsweisend zu bleiben, sich in einem schwierigen Marktumfeld zu behaupten und immer wieder neue Ideen zu kreieren.

Inspirationen holt sie sich auf ihren Reisen, aber auch durch diverse Kooperationen. „Ich muss aus der Tür raus und mit Menschen reden“, betont die Unternehmerin. Ihr Erfolgsrezept sei Disziplin, Fleiß und Arbeitswille. Sie scheue keine Anstrengung, um besser zu werden, höre selbstkritisch auf die Kunden und sei stets „völlig überzeugt, dass es klappt“. Deshalb ist es nachvollziehbar, wenn sie sagt, sie sei „der Herzschlag des Unternehmens“. Ohne sie keine Gründung, keine Ideen, keine Weiterentwicklung, keine Internationalisierung. „Die Finanzen hat mein Mann im Griff“, ergänzt sie lachend.

In einem Atemzug mit Chanel und Dior

Zu den Damenstrickoberteilen kamen 2000 die Männer- und 2004 die Kindermode dazu. Mittlerweile verkauft Allude seine Kollektionen an 720 Premiumläden in 27 Ländern der Erde. Stolz erzählt Karg, wie sie als erstes deutsches Cashmere-Stricklabel die Fashion Weeks in Berlin und Paris mit kreativen Shows eroberte und nun in einem Atemzug mit Luxuslabels wie Chanel, Hermès oder Dior genannt wird.

Für circular economy „an einem Strick ziehen“

Karg gründete 2015 als Aftersales-Konzept die Cashmere Clinic in München, ihr absolutes Steckenpferd. „Aufgeben und Wegwerfen ist bei diesem kostenbaren Material keine Option“, argumentiert sie und setzt ganz im Sinne der Nachhaltigkeit auf zirkuläre Mode. In der Cashmere Clinic reparieren zwei Kunststopferinnen beschädigte Teile. Die Aufträge kommen aus ganz Europa, auch von anderen Labels. Überhaupt spricht die Firmenlenkerin fast liebevoll von ihrem „tollen Team“, die alle an „einem Strick ziehen“ und die Firma mit eigenen Ideen voranbringen. 

Zur Person: Andrea Karg

Andrea Karg, Jahrgang 1961, studierte Jura in München, bevor sie 1993 gemeinsam mit ihrem Ehemann Christian Karg die Allude GmbH gründete. Die luxuriösen Cashmere-Strick-Kollektionen werden in 27 Ländern weltweit verkauft. Allude beschäftigt 20 Mitarbeiter und gibt pro Saison 400 Modelle in bis zu 35 Farben heraus. Karg ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen, die ebenfalls im Unternehmen tätig sind.   

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