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Ein Stück der Zeit voraus

Marion Vogel ©
„Die meisten haben uns für verrückt erklärt“ – tado-Gründer Christian Deilmann

Christian Deilmanns Start-up tado entwickelt und vermarktet smarte Thermostate – damit hat er einen ganz neuen Markt in Europa erschlossen.

Von Harriet Austen, IHK-Magazin 10/2023

Stellen Sie sich vor, Sie kommen abends nach Hause und alle Zimmer sind gemütlich warm. Dabei sorgt eine App automatisch für Ihre ganz persönliche Wohlfühltemperatur.“ So erklärt Christian Deilmann die Vorteile seines Thermostats, der an allen Heizkörpern abgebracht werden kann. Und es kommt noch besser: Die intelligente Heizungssteuerung, die ans Smartphone gekoppelt ist, reduziert die Heizkosten im Schnitt um 22 Prozent. Mit der Mission, „allen Haushalten in Europa durch modernste Technologie beim Energiesparen zu helfen“, gründete Deilmann 2011 die tado GmbH in München.

Der Unternehmer stammt aus einer Architektenfamilie, wählte als Studienfach aber Maschinenbau mit Schwerpunkt Energietechnik. Ihn faszinierten Themen wie Wasserstofferzeugung, Brennstoffzellen, Windtechnologie. Und er konnte sich vorstellen, sich im Bereich innovative Energietechnologie selbstständig zu machen. Als Deilmann am Massachusetts Institute of Technology in Boston studierte, brachten ihn heiße Tage, eine klapprige Klimaanlage und horrende Stromkosten in seiner WG auf eine wegweisende Idee: Er wollte eine webvernetzte intelligente Heizungssteuerung entwickeln, die Verbrauch und Kosten senkt, einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, einfach zu bedienen ist und maximalen Komfort bietet.

Komfort plus Klimaschutz

An dieser Idee arbeitete Deilmann gemeinsam mit seinem Studienkollegen, dem Softwareexperten Johannes Schwarz – zunächst neben ihren Hauptjobs. „Ich wollte erst mal Geld verdienen und lernen, wie andere Unternehmer ihre Firmen aufbauen“, so Deilmann. Er heuerte in München bei der Venture-Capital-Firma Target Partners GmbH und bei der Unternehmensberatung A.T. Kearney GmbH an. Als den beiden ihr „Hobby“ Thermostat zu zeitintensiv wurde, kündigten sie ihre Stellen und starteten tado. Das Gründerzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität half mit Räumlichkeiten, die Startfinanzierung kam aus verschiedenen Fördertöpfen und von Target Partners.

Vom Insidertipp der Tech-Community ...

„Wir waren die Ersten, die smarte Thermostate in Europa anboten, und damit ein Stück unserer Zeit voraus“, sagt Deilmann. Der Markt musste erst entwickelt werden. Nur 40 Prozent der Deutschen besaßen ein Smartphone und das Interesse an Energieeffizienz war noch wenig ausgeprägt. „Die meisten haben uns für verrückt erklärt, dass wir ihre Heizung ans Internet anschließen wollen.“ Er ließ sich nicht abschrecken und fuhr eine ungewöhnliche Marketingstrategie. Um sofort Vertriebskanäle in ganz Europa aufzubauen, suchte er Gleichgesinnte – innovativ denkende, technikaffine Leute. Das funktionierte über Onlinemedien und die Technologiepresse so schnell, dass tado schon drei Jahre nach der Gründung in sämtlichen europäischen Ländern vertreten war.

... zum europaweiten Renner

Der Durchbruch auf dem Massenmarkt gelang in einem nächsten Schritt: dem Verkauf der intelligenten Thermostate im Einzelhandel, etwa bei Media Markt, Amazon oder in Apple Stores. Investoren wurden auf das Start-up aufmerksam, das eingesammelte Kapital beträgt inzwischen rund 150 Millionen Euro. Der anvisierte Markt ist riesig, in Deutschland besitzen erst fünf bis zehn Prozent der Haushalte eine smarte Heizungssteuerung.

1 Milliarde Euro Umsatz als Zielmarke

Deilmann ist für Produktmanagement und Business Development von tado verantwortlich: „Unternehmen, Vision und Strategie weiterzuentwickeln, macht mir am meisten Spaß.“ Die Produktpalette hat sich erweitert, mit webbasierten Lösungen für Heizkörper, Fußbodenheizungen, konventionelle Heizungsanlagen, Wärmepumpen und Klimaanlagen. Die Energiekrise schiebt das Wachstum an. 2022 verdoppelte sich der Umsatz. Auch 2023 will tado stark zulegen und rund 100 Millionen Euro umsetzen. Laut Deilmann soll das so weitergehen. Mit mehr als 3 Millionen installierten Thermostaten sei die Gewinnschwelle in greifbarer Nähe. Ziel sei es, in einigen Jahren über 1 Milliarde Euro Umsatz zu machen.

Neueste Idee: Smarte Lösungen für E-Autos

Als ein Expansionsfeld skizziert Deilmann die Verknüpfung seiner Thermostate mit zeitvariablen Energietarifen. Dazu hat tado die darauf spezialisierte aWATTar GmbH übernommen. Für Wachstum sollen auch Lösungen für das intelligente Lademanagement von Elektroautos sowie die Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften sorgen.

Deilmann sieht den Trend auf seiner Seite. Er merke deutlich, dass jetzt alle Energie sparen wollen: „Im öffentlichen Diskurs steigt das Bewusstsein für Energieeffizienz und Klimaschutz immer mehr.“


Zur Person: Christian Deilmann

Christian Deilmann, Jahrgang 1982, studierte Maschinenbau mit Schwerpunkt Energietechnik in München und in Boston. Nach beruflichen Stationen bei Target Partners und A.T. Kearney gründete er 2011 gemeinsam mit seinem Studienkollegen Johannes Schwarz die tado GmbH in München. Das Start-up ist inzwischen europäischer Marktführer für intelligentes Raumklimamanagement. In diesem Jahr will tado rund 100 Millionen Euro umsetzen, das Unternehmen beschäftigt circa 200 Mitarbeiter.

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