Standortpolitik

Vernetzt euch!

EVUM Motors/Christian Jarami ©
Sascha Koberstaedt (l.) und Martin Šoltés mit ihrem ressourcenschonenden und recycelbaren Elektronutzfahrzeug

Die Vereinten Nationen haben 17 Sustainable Development Goals (SDGs) verabschiedet. Um sie zu erreichen, können Firmen im 17. Nachhaltigkeitsziel starke Partnerschaften zur Umsetzung der SDGs eingehen.

Gabriele Lüke, Ausgabe 07/20

Alle müssen zusammenarbeiten. Nur dann könne die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und damit ihr Kern, die 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs), erfolgreich werden. Mit diesem Aufruf begleitete 2015 der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Verabschiedung der UN-Agenda. Die Vereinten Nationen verleihen dieser Mahnung Nachdruck und fordern mit SDG 17, »die Umsetzungsmittel zu stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben zu füllen«. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, mit der die Bundesregierung die SDGs auf Deutschland herunterbricht, setzt dabei auf nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, internationalen Technologietransfer sowie offenere Märkte, um die Handelschancen der Entwicklungsländer zu verbessern.

Interdisziplinäre Partnerschaften

Ziel 17 gebe als letztes SDG den richtigen Impuls, findet Susanne Salz (36): »Interdisziplinäre Partnerschaften aus Akteuren der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft – egal ob lokal oder global – sind essenziell, wenn wir die SDGs schnell und deutlich voranbringen wollen.« Salz ist Projektleiterin der Plattform für Multiakteurs-Partnerschaften zur Umsetzung der Agenda 2030 bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ) GmbH in Bonn. »Die Netzwerke und die Ziele, auf die sich die Akteure einigen und die sie gemeinsam realisieren, ergänzen komplementär gesetzliche Vorgaben zur Erreichung der SDGs – und vertiefen und beschleunigen damit auch den Umsetzungsprozess. Das ist ihr spezifischer Beitrag und Mehrwert.«

Deutsche und lokale Initiativen

Salz freut sich, dass seit Verabschiedung der Agenda 2030 die Zahl der internationalen nachhaltigkeitsorientierten Multiakteurs-Bündnisse deutlich gewachsen ist. Allein der deutsche Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) hat mehrere Bündnisse (mit)initiiert, darunter das Bündnis für nachhaltige Textilien oder das Forum Nachhaltiger Kakao. Zudem sind zahlreiche lokale Initiativen entstanden. »Die Bündnisse erfolgreich zu machen ist keine triviale Aufgabe«, sagt Salz. Bei allem gemeinsamen Eintreten für mehr Nachhaltigkeit hätten die Partner auch unterschiedliche Interessen, die zusammengeführt werden müssen. »Dazu braucht es viel Kommunikation.«

Die Wirtschaft trägt zu SDG 17 bei, indem sich Unternehmen an Bündnissen beteiligen oder eigene gründen, informelle Netzwerke nutzen und so gemeinsam Nachhaltigkeitsziele wie den Technologietransfer, fairen Handel und vieles mehr fördern.

Netzwerk geöffnet

Wie dies in der Praxis aussehen kann, zeigt der Unternehmer Markus Behr (41). Als sich der Kaffeeliebhaber 2017 in Prien am Chiemsee mit der montebera Kaffeerösterei GbR selbstständig machte, formulierte er einen klaren Anspruch: »Ich wollte nur mit exzellenten, umweltgerecht und fair produzierten Rohstoffen arbeiten; auch die Umwelt und die Kaffeebauern vor Ort sollten von meinem Geschäft profitieren.« Vernetzung half ihm dabei: Die Lehrerin, bei der er das Kaffeerösten gelernt hatte, öffnete ihm ihr informelles Netzwerk aus Kaffeeröstereien, Kaffeebauern sowie Handelsagenten.

»Wirtschafts-, aber auch Wertegemeinschaft«

»Im Netzwerk geben wir Kontakte zu Kaffeekooperativen weiter, erweitern so die Rohstoff- und vor allem die Geschmacksvielfalt unserer Kaffees«, berichtet Behr. »Wir zahlen aber auch faire Preise, unterstützen die Bauern bei naturnahen Anbaumethoden, beim Bau von Schulen oder der Betreuung von Menschen mit Behinderung. Wir stärken so die nachhaltige Wertschöpfung und Entwicklung in den Dorfgemeinschaften vor Ort.« Mittlerweile engagiert Behr sich auch in der Fair-TradeGemeinde Prien und anderen Nachhaltigkeitsbündnissen. »Netzwerke sind eine Wirtschafts-, aber auch eine Wertegemeinschaft: Mit ihnen kann ich meine geschäftlichen Ideen besser umsetzen, aber eben auch viel mehr zur Nachhaltigkeit beitragen als allein.«

Ressourcenschonendes Elektronutzfahrzeug

Die Welt ein bisschen nachhaltiger machen wollten auch Martin Šoltés (33) und Sascha Koberstaedt (32), als sie 2013 in ihrer Doktorarbeit an der TU München ein einfaches, multifunktionales, zudem ressourcenschonend zu bauendes und später recycelbares Elektronutzfahrzeug für den Einsatz in Schwellen- und Entwicklungsländern entwarfen. Sie reisten durch Afrika, prüften vor Ort den Bedarf, sprachen mit Universitäten, internationalen Organisationen, Firmen und lokalen Initiativen. »Unsere Vernetzung mit all diesen Akteuren hat unseren Entwurf noch praxistauglicher gemacht«, sagt Šoltés. »Daraus entstand der aCar-Prototyp.«

2017 gründeten die beiden in München die Evum Motors GmbH. Die Produktion der ersten Autos steht kurz vor dem Start, die Vernetzung geht weiter: So will die international agierende Siemensstiftung das Auto in Kenia einsetzen. »Wir verdanken es auch dem Netzwerken, dass unsere Idee aufgegangen ist, dass wir gründen konnten, aber auch, dass wir nun tatsächlich zu mehr Nachhaltigkeit und zum Technologietransfer beitragen«, so Šoltés. Im Übrigen eigne sich das aCar auch für den hiesigen Einsatz in Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau.

Zum Nachhaltigkeitshebel werden

Welche Rolle Bündnisse spielen können, veranschaulicht zum Beispiel die Münchner Initiative Nachhaltigkeit (MIN). Sie hat sich 2016 zur Umsetzung der SDGs speziell in der Landeshauptstadt gegründet. Sie vereint zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft und ist unter dem Dach der BürgerStiftung München angesiedelt. »Wir brauchen noch stärker die Perspektive der Wirtschaft«, sagt MIN-Sprecherin Katharina Habersbrunner (55). Mitarbeiten, sich vernetzen und zum Nachhaltigkeitshebel werden, das können Unternehmen über insgesamt acht Manufakturen, die einzelne SDGs bündeln.

Nachhaltigkeit als Querschnittsthema

Diese Manufakturen erarbeiten praktische, auf München zugeschnittene Lösungen etwa zur Circular Economy oder zu nachhaltigen Verkehrslösungen. Beim Thema Circular Economy bringen sich beispielsweise die Unternehmen Gore und Recup, aber auch die IHK ein. »Nachhaltigkeit ist ein Querschnittsthema, das wir nur gemeinsam voranbringen«, sagt Habersbrunner. »Deshalb brauchen wir Bündnisse wie MIN und in diesen Bündnissen unbedingt auch die Wirtschaft.«

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