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Voll ins Risiko

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Brand im Sägewerk – meist schwer versicherbar

Für manche Firmen ist es schwer, eine Feuerpolice zu erhalten. Mit einer Expertenrunde greift die IHK das Problem auf – welche Lösungen gibt es für betroffene Branchen?

Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 05-06/2025

Feuerversicherung – das klingt nach Nische, nach einem Thema exklusiv für Brandschutz-Freaks. Doch die Probleme mit der Feuerpolice haben inzwischen gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Sie lassen ganze Branchen bangen – das zeigte die IHK-Veranstaltung „Von Funken zu Fakten: Prävention und Management von Brandfällen in Mühlen, Sägewerken und Recyclingbetrieben“ Ende März sehr deutlich.

Der Hintergrund: Klagen von Mitgliedsunternehmen über existenzielle Risiken hatten im Frühjahr 2024 den IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl alarmiert. Er informierte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), der sofort eine Expertenrunde vorschlug. Miteinander reden hilft – davon war und ist Gößl überzeugt. 2 Runde Tische mit relevanten Branchenvertretern im April und im Juli 2024 unter der Leitung von Staatssekretär Tobias Gotthardt (FW) hatten dies schon gezeigt.

Bessere Versicherbarkeit noch Zukunftsmusik

Damit war der Weg bereitet für die „Informations- und Dialogveranstaltung“ der IHK für München und Oberbayern in Kooperation mit dem Verband der Bayerischen Entsorgungsunternehmen (VBS), dem Bundesverband der Deutschen Säge- und Holzindustrie (DeSH) und dem Bayerischen Müllerbund. Vertreter des Landesfeuerwehrverbands Bayern und der Versicherungswirtschaft saßen mit am Tisch.

Was alle einte, war die Einsicht: Die Schadenssummen müssen runter. Aber das ist nur der 1. Schritt. Wie sich danach eine bessere Versicherbarkeit erreichen lässt, das blieb die große, offene Frage. Von „Marktversagen“ war die Rede.

Gößl schilderte das Beispiel eines alteingesessenen Sägewerks mit Holzhandel. Auf eine Brandschutzversicherung verzichtet der Traditionsbetrieb. „Die Kosten sind schlicht zu hoch.“ Die Familie hat verschiedene Maßnahmen in Eigenverantwortung getroffen. Man behilft sich unter anderem mit Vorkehrungen zur Eigenlöschung sowie vorbeugend mit Wärmesensoren, die bei kleinster Abweichung vom Soll 24/7 auf dem Smartphone Alarm schlagen.

In der Not gehen Betriebe ins Risiko, was weitere Risiken provoziert. Das machte Jochen Winning, Leiter des DeSH-Regionalbüros Bayern, klar: „Wer keine Versicherung mehr hat, den erwarten sehr unangenehme Bankgespräche.“ Und das in einer Phase, in der viele Betriebe Kapital zum Überleben bräuchten.

Kleine Sägewerke unter Druck

Analysten bescheinigen der Sägewerkindustrie eine schwierige Lage. Es gebe Überkapazitäten, steigende Rundholzpreise, hohe Logistikkosten und Druck auf die Produkterlöse. Hans Ludwig Körner, Geschäftsführer des Bayerischen Waldbesitzerverbands e.V., erklärt am Telefon, der Erhalt der kleinen Sägewerke sei für die gesamte Logistikkette „irrsinnig wichtig“. Tatsächlich passiere das Gegenteil, ein Verdrängungswettbewerb, der von dem Versicherungsproblem verschärft werde. „Die Großen bleiben übrig und diktieren die Preise. Das wird so weitergehen“, befürchtet Körner.

Staatssekretär Gotthardt sprach in der IHK von knapp 60 Mühlen und 600 Sägewerken in Bayern, deren Existenz man sichern wolle. Die Branchen hätten für Bayern „Systemrelevanz“. Gotthardt betonte, die Türen in seinem Ministerium stünden jedem offen, der Probleme mit der Feuerversicherung habe. In einem liberalisierten Versicherungsmarkt sei das Problem virulent und die Herausforderung für die brandgefährdeten Betriebe mitunter existenziell.

Spätfolgen des Systemwechsels

Vor gut 30 Jahren war das noch anders. Da gab es die Versicherungspflicht beim staatlichen Monopolisten, dem Vorläufer der heutigen Versicherungskammer Bayern. Die Absicherung war umlagefinanziert. Am 1. Juli 1994 schaffte die EU die staatlichen Gebäudeversicherungen ab. Ziel war, was heute die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) von den Versicherungen verlangt: eine marktwirtschaftliche, risikoadäquate Bepreisung.

Der Systemwechsel funktionierte lange gut. Laut DeSH gab es 2014 für Sägewerke noch 30 Anbieter einer Feuerversicherung. Wer heute einen Neuvertrag will, findet dafür keine deutsche Assekuranz mehr. 2017 lag die Versicherungsquote der deutschen Säge- und Holzindustrie bei rund 92 Prozent. Seither geht es abwärts.

Lieber unterversichert als gekündigt

30 Prozent der Sägewerke haben keine Feuerversicherung mehr. Weitere 50 Prozent leben mit dem Risiko der Unterversicherung. Sie befürchten die Kündigung, sollte der Vertrag auf den realen Versicherungswert angepasst werden. Josef Rampl, Geschäftsführer des Bayerischen Müllerbunds, berichtete, nur noch 3 bis 4 Versicherer seien bereit, mit einem seiner Betriebe eine Feuerpolice abzuschließen. Er klagte über Auflagen, die man als Willkür empfinde.

In der Recyclingwirtschaft sieht es nicht besser aus. Für die Branche gibt es noch eine Handvoll Versicherer, die in größerem Umfang eine Feuerversicherung anbieten. Ein Grund ist offensichtlich: Die Recyclingwirtschaft hat die Holzindustrie als Schadenverursacher Nummer 1 bei den Versicherern abgelöst. Die Zahl der Brände ist drastisch gestiegen, weil die Bundesbürger massenhaft Lithium-Ionen-Batterien im Hausmüll entsorgen.

Eigene Rücklagen ersetzen Police

Nach Ansicht von Oswald Schenker, Mitglied des IHK-Ausschusses Umwelt und Energie sowie Geschäftsführer der Schenker Industrie- und Städtereinigungs GmbH, kommt noch ein 2. Punkt dazu. „Ich zahle über 100.000 Euro Prämie im Jahr. Für die Versicherungen gehören wir zu den unerwünschten Risiken“, klagte der Unternehmer.

Er werde sich künftig die Prämien sparen und stattdessen eigene Rücklagen für den Notfall aufbauen. Otto Heinz, IHK-Vizepräsident und Altpräsident des Verbands der Bayerischen Entsorgungsunternehmen, betonte, man brauche Lösungen, „weil das Thema bei den Firmen buchstäblich brennt“.

Folgende Rechnung machte ein Teilnehmer der IHK-Veranstaltung beim Kaffee auf: 1 Million Euro für eine Sprinkleranlage bei einem Jahresumsatz von 2-einhalb Millionen Euro – wie soll das gehen? Die Feuerpolice wurde ihm gekündigt, einen neuen Vertrag bekommt er nicht mehr, obwohl es in seinem Sägewerk seit Jahrzehnten keinen Brand gab. Staatssekretär Gotthardt hat den Betrieb 2024 besucht. Tragfähige Ergebnisse gibt es bislang keine.

Brandschutzpläne und -schulungen gegen die Misere

Die Teilnehmer des IHK-Events sollten in 3 Workshops Lösungsansätze erarbeiten. Ein Ergebnis: Die Betriebe sollten von sich aus den Kontakt mit Feuerwehr und Versicherungsingenieuren suchen. Zweitens forderte Stefan Deschermeier, Geschäftsführer Bundesverband Betrieblicher Brandschutz, „Technologieoffenheit“. Mehr Brandschutz gehe auch ohne teure Sprinkleranlagen – etwa mit Brandschutzplänen und Mitarbeiterschulungen.

Jürgen Weiß, Referent für die Facharbeit beim Landesfeuerwehrverband Bayern, sagte, selbst einfache Schritte wie die Ausbildung von Brandschutzhelfern im Betrieb seien effektiv. 95 Prozent aller Brände in Recyclingbetrieben würden von Mitarbeitern gelöscht.

300 Brandtote pro Jahr

Die Forderungen an die Politik ließen sich auf einen Nenner bringen: Die Allgemeinheit bezahlt für die Deckelung der Prämien, der Schadenssummen, der Selbstbehalte und für das Bilden betriebseigener Rücklagen. Die Erfolgschancen dafür dürften jedoch minimal sein. Marco van Lier, Vertreter des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), sagte, nichts davon senke die Schadenssummen. „Wir reden nicht nur von Sachschäden. Wir haben 300 Brandtote pro Jahr.“

Müllerbund-Chef Rampl gab denn auch zu, dass man selbst im Zugzwang sei: „Wir müssen uns bewegen.“ DeSH-Mann Winning räumte die genannten Forderungen selbst ab. Sinnvoll sei nur eine Lösung: „Unser Ziel ist, die 30 Prozent wieder in den Versicherungsschutz zu bringen.“ Nur müsse das ohne die Auflage einer Sprinkleranlage gehen.

Winning schlug vor, seine Betriebe sollten ein Brandschutzzertifikat auf Grundlage des VdS-Leitfadens zum Brandschutz in Sägewerken erwerben. Er sei zuversichtlich, hier mit der Versicherungswirtschaft zu einer Einigung zu kommen.

Unterschätzte Gefahr: Lithium-Ionen-Batterien

Entsorgungsunternehmer Heinz unterstrich die Forderung seiner Branche, die Politik müsse etwas gegen die Flut an Lithium-Ionen-Batterien im Haus- und Gewerbemüll unternehmen. „Unsere Firmen tun für den Brandschutz alles, was uns möglich ist. Aber das haben wir nicht im Griff“, sagte Heinz. Das Problem ist seit Jahren bekannt, getan habe sich bislang nichts.

Staatssekretär Gotthardt sprach von ersten Erfolgen der gemeinsamen Initiative von IHK und Staatsregierung. „Alle haben sich bewegt – auch die Versicherungswirtschaft“, lautete sein Fazit. Verbandssprecher Winning sah das skeptischer. Es sei vor allem für kleinere Sägewerke noch ein längerer Weg, bis man wieder einen flächendeckend leistbaren Versicherungsschutz habe.

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