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Vom Anwalt zum Schraubenhändler

Thorsten Jochim ©
Patrik Lange, Geschäftsführer der Schrauben-Preisinger GmbH, in seinem Geschäft

Patrik Lange ist Geschäftsführer von Schrauben-Preisinger in München – ein Familienbetrieb, der seit 100 Jahren mit Schrauben handelt und bewusst auf einen Onlineshop verzichtet.

Sebastian Schulke, Ausgabe 05/2021

Schrauben, Schrauben, nichts als Schrauben – in der Utzschneiderstraße 5 in München könnte man, allein auf sich gestellt, schnell den Überblick verlieren. Dort ragen über vier Meter hohe Regale in die Höhe, voller Schachteln, Kisten und Fächer, in denen sich die gedrehten und gepressten Metallteile befinden. Ein gigantisches Sortiment, das sich über das gesamte Erdgeschoss im Vorder- und Hintergebäude erstreckt. »Unser Lager umfasst über 30.000 verschiedene Artikel und insgesamt etwa 22 Millionen Schrauben, Muttern und Scheiben. Es wächst täglich weiter«, sagt Patrik Lange (51). Angst, den Überblick zu verlieren, hat er nicht. Lange ist Geschäftsführer der Schrauben-Preisinger GmbH.

Der Schraubenladen befindet sich in einem alten Mietshaus. Durch das relativ große Schaufenster sieht man Mitarbeiter, die an einer langen Verkaufstheke stehen und Kunden beraten. Eine Mutter mit Kinderwagen bittet um Hilfe, sucht nach einer passenden Schraube für ihr Gefährt. »Wir beliefern als Großhändler nicht nur Industrie, Gewerbe und Handwerk. Wir sind für jeden da, der eine Schraube, Scheibe oder Mutter braucht«, sagt Lange. »Dazu gibt es bei unseren Mitarbeitern eine sehr gute Fachberatung, die kein Baumarkt oder Internetportal bieten kann. Das spricht sich herum.« Seit mittlerweile 100 Jahren.

Robuster Großhandel

1921 eröffnet Langes Urgroßvater seinen Schraubenhandel. Bis zum Zweiten Weltkrieg gehört sogar eine eigene Fabrikation dazu. Seit 1936 residiert der Familienbetrieb in der Utzschneiderstraße, direkt in der Innenstadt. Daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern.

Schon viel überstanden

»Wir haben hier einen Weltkrieg, Wirtschaftskrisen und die Globalisierung überstanden, kommen auch mit der Coronapandemie ganz gut klar. Im Einzelhandel gab es bislang durch die Auflagen und Lockdowns erhebliche Umsatzeinbrüche. Im Großhandel war dies interessanterweise nicht so immanent, der erweist sich als sehr robust«, meint Lange. »Der Großhandel trägt aktuell ganz klar den Verkauf im Einzelhandel. Ohne diesen hätten wir sicherlich in den letzten zwölf Monaten massiv Probleme bekommen.«

Insofern könne er die Nöte der anderen Einzelhändler gut verstehen. Schrauben-Preisinger wird also auch diese Krise überstehen, in der Utzschneiderstraße. »Wir fühlen uns hier wohl. Warum sollten wir daran etwas ändern«, sagt Lange und fügt gleich hinzu: »Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns nicht bewegen.«

Erfolgsprinzip: »Besser als die Mitbewerber sein«

Der Familienbetrieb gehe mit der Zeit und folge dabei einem einfachen Erfolgsprinzip: »Indem wir besser als die Mitbewerber sind«, sagt Lange. Im Klartext: »Eine qualifizierte Beratung, hohe Qualität, kurze Lieferzeiten und viel Flexibilität sind für den Kunden immer noch wichtig und für uns ein ganz essenzieller Aspekt. Daran ändert auch das Internet nichts.« Schrauben-Preisinger besetze so eine Nische, die andere nicht besetzen können oder wollen.

Vor gut zwölf Jahren ist Patrik Lange in den Betrieb seines Vaters eingetreten. Dabei hatte er als Jurist mit eigener Anwaltskanzlei in München mit Schrauben nicht viel zu tun. »Allerdings merkte ich, dass die Kanzlei nicht meiner wahren Leidenschaft entsprach«, sagt Lange.

Firmenübergabe vom Vater in kleinen Schritten

Als eines Tages sein Vater über die Zukunft der Firma spricht, wird dem Sohn klar, dass auch sein Herz für Schrauben schlägt. »Seit meiner Geburt dreht sich fast alles um Schrauben«, erzählt er. »Ich hatte in Ferienzeiten während der Schule und des Studiums immer wieder in unserem Schraubenladen gearbeitet und kannte mich gut aus.«

Die Übernahme des Unternehmens erfolgte in kleinen Schritten über einen Zeitraum von sieben Jahren. So sollte ein möglichst reibungsloser Übergang stattfinden. »Mein Vater ist ein guter Lehrmeister, der selbst noch die Herstellung von Schrauben an den Drehbänken in der damals eigenen Fabrikation gelernt hat«, erklärt Lange.

Teamwork, über die Familie hinaus

Vater Horst hatte das Geschäft 1979 übernommen. Er baute das Sortiment kontinuierlich aus, machte einen Großhandel aus dem Schraubenladen. Seit 2015 ist nun Patrik Lange Geschäftsführer. Seine Frau und die ältere Schwester managen das Büro. Vater Horst schaut jeden Tag vorbei und unterstützt bei Aufgaben außerhalb des Tagesgeschäfts. »Wir sind ein wirklich gutes Team«, sagt Lange. Als Anwalt sei er ein Einzelkämpfer gewesen. Bei Schrauben-Preisinger gehe es jedoch um ein gutes Zusammenspiel – innerhalb wie außerhalb der Familie. Genau das liegt dem Geschäftsführer. »Fragen und Probleme lösen wir gemeinsam, schnell und unkompliziert«, sagt Lange. Er betont: »Wir haben Mitarbeiter, die seit über 30 Jahren bei uns sind.«

Eigener Weg bei Beratung und Betreuung der Kunden

Mitarbeiter, die auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden auch in einer digitalisierten Gesellschaft eingehen können, in der immer mehr online ver- und gekauft wird – eine große Herausforderung für Lange und sein Team. Die Beratung und Betreuung der Kunden per Telefon und E-Mail sei dadurch noch wichtiger geworden. »Wir lassen uns deswegen allerdings nicht vom Internethandel und den riesigen Baumärkten verrückt machen«, sagt Lange selbstbewusst.

»Als ich die Firma von meinem Vater übernahm, war mein erster Gedanke: Wir brauchen unbedingt einen Onlineshop.« Je länger er jedoch im Tagesgeschäft tätig war, desto mehr habe er erkannt, dass die Kunden bis heute sehr viel Beratungsbedarf haben. Denn das Geschäft mit Schrauben wird immer komplexer. »Vor 40 Jahren war das Ganze recht überschaubar – mit Holzschrauben, Schlitzschrauben, Sechskantschrauben und Inbusschrauben«, meint Lange. Mittlerweile gebe es jedoch unzählige DIN- und ISO-Normen für die unterschiedlichsten Schraubenarten. Da komme man mit einem Klick auf einer Webseite nicht wirklich weit. Der Geschäftsführer betont: »Wir haben immer noch – wie vor 100 Jahren – den klassischen Einzelhandel, in dem der Kunde umfassend beraten wird und auch noch Schrauben und Muttern einzeln kaufen kann.«

Dem Kern treu bleiben schafft Vertrauen und Sicherheit

Im Großhandel arbeitet das Unternehmen dagegen mit Hightech-Firmen, Start-ups sowie Weltkonzernen zusammen. »Gerade in diesem Bereich ist Veränderung ein stetiger Faktor, den wir gar nicht ausblenden wollen und können«, sagt Lange. »Dabei bleiben wir unserer Linie und unserem Kern treu: den Schrauben und Befestigungselementen. Das schafft Vertrauen und Sicherheit, auf beiden Seiten.«

Zurück nach München in die Utzschneiderstraße 5. Eine junge Frau betritt gerade das Geschäft, hält Lange eine kleine Schraube vor die Nase. Er muss nicht lange überlegen, verschwindet hinter den über vier Meter hohen Regalen. Kurz darauf ist er wieder da, hat vier identische Schrauben in seiner Hand und packt diese in eine Papiertüte. Ein paar Tipps dazu gibt es auch noch.

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