Standortpolitik

Vorsichtiger Optimismus

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Immobilien – weiter sehr begehrt

Die Stimmung in der Immobilienwirtschaft hat sich wieder aufgehellt. München und die Region trotzen weitgehend erfolgreich der Coronakrise – zumindest kurz- bis mittelfristig. 

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 03/21

Bürogebäude sind verwaist, weil Mitarbeiter im Homeoffice sitzen. Betriebe geraten in Mietrückstand, weil ihnen Einnahmen fehlen. Wohnungen stehen länger leer, weil Besichtigungen ausfallen – die Coronapandemie mit ihren Lockdowns und Kontaktbeschränkungen wirbelt auch den Immobilienmarkt hierzulande durcheinander.

Gleichwohl scheint die Branche nach einer anfänglichen Phase der Verunsicherung kurz- bis mittelfristig besser durch die Krise zu kommen als viele andere, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln Mitte Dezember 2020 feststellte: Demnach ist bei Wohnimmobilien die Wachstumsdynamik trotz Corona ungebremst, der Bürosektor verzeichnet leichte Mietzuwächse.

Die Stimmung in der Immobilienwirtschaft hat sich deutlich verbessert. Insbesondere in den Segmenten Handel und Projektentwicklung schätzen Unternehmen die Lage um einiges positiver ein als noch drei Monate vorher. Zuversichtlicher als bisher schauen sie laut IW auch auf das Jahr 2021: Deutlich mehr Firmen rechnen nun mit einer Verbesserung der Lage. Wie aber ist die konkrete Situation in München und Oberbayern?

Ein Blick auf einzelne Immobiliensegmente

Wohnimmobilien: Der Boom setzt sich fort

»Die Nachfrage auf dem regionalen Wohnungsmarkt ist ungebrochen«, sagt Mario Mühlbauer (47), Geschäftsführer der Dr. Hanns Maier GmbH & Co. Beteiligungs-KG in München. »Nur die Besichtigung und die Übergabe der Wohnungen gestalteten sich wegen der Kontaktbeschränkungen zuletzt schwierig, wir mussten die Interessenten nacheinander einbestellen, sodass manche Wohnungen ein paar Wochen länger leer standen als üblich.« Mietstundungen? »Die gibt es in diesem Segment, aber die Anzahl ist verschwindend gering.«

Dominik Winter, Abteilungsleiter Immobiliencenter bei der Kreissparkasse (KSK) München Starnberg Ebersberg, zieht ebenfalls eine positive Zwischenbilanz. »Von einem Rückgang der Nachfrage ist nichts zu spüren. Zum Ende des ersten Lockdowns 2020 hatten wir teilweise sogar doppelt so viele Anfragen wie sonst«, so der Experte.

Nicht nur die Landeshauptstadt, auch das Münchner Umland bleibt begehrt. Laut einem Bericht des Immobilienverbands Deutschland IVD München von Januar 2021, der die Landkreise Freising, Erding, Ebersberg, München, Starnberg, Fürstenfeldbruck, Dachau und Bad Tölz/Wolfratshausen untersucht, stiegen die Kaufpreise von Frühjahr bis Herbst 2020 in den Kreisstädten zum Teil deutlich an.

So meldet zum Beispiel Starnberg – ohnehin die teuerste Kreisstadt in der Region – ein Plus von 6,0 Prozent bei Eigentumswohnungen. Die Häuserpreise legten ebenfalls zu, in Ebersberg etwa um 7,2 Prozent. Trotz allem ist das Kauf- und Mietpreisniveau in den Münchner Umlandgemeinden immer noch spürbar günstiger als in der Landeshauptstadt. Angesichts der wachsenden Bedeutung von Homeoffice seien speziell München-Pendler immer öfter bereit, größere Entfernungen zum Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen, wenn sie dadurch Wohnkosten sparen können, so die IVD-Studie.

Wohnimmobilien in Fokus gerückt

»Das engere Umland urbaner Räume sowie B-Standorte profitieren von dieser Entwicklung«, sagt Gunnar Gombert (42), Head of Sales & Business Development bei JLL in München. Strikte Ausgangsbeschränkungen sowie das Arbeiten in den eigenen vier Wänden wirkten sich laut IVD zudem auf die gewünschte Ausstattung neuer Immobilien aus. Beliebt sind vor allem Objekte mit Gartenanteil oder Balkon sowie ausreichend Platz für Familienleben und Homeoffice. »Die Coronapandemie hat bei vielen Menschen das Thema Wohnimmobilie noch einmal verstärkt in den Fokus gerückt«, sagt KSK-Experte Winter.

Auch der Faktor Sicherheit mit der Immobilie als Sachanlage spiele in eher unsicheren Zeiten wie diesen eine Rolle. Mit einem größeren Preisverfall bei Wohnimmobilien rechnet der Banker nicht. »Zum einen machen die niedrigen Anlagezinsen eine Immobilie attraktiver gegenüber klassischen Anlageformen. Zum anderen sind die Darlehenszinsen bei einer Immobilienfinanzierung immer noch sehr niedrig.« Die Angst vor Inflation oder steigenden Mieten könne die Nachfrage sogar erhöhen, so Winter. Das nach wie vor hohe Interesse an Immobilienfonds zeige ebenfalls, dass viele Anleger ihren Fokus weiterhin auf Immobilien richten.

Gewerbeimmobilien: Die Nutzung verändert sich

Die Pandemie wirkt als Trendbeschleuniger, das zeigt das Beispiel der Shoppingcenter und Einzelhandelsflächen: Sie waren schon vor der Krise wenig gefragt, nun ist im Zuge der coronabedingten Schließungen die Flächennachfrage von Einzelhändlern sogar in den Münchner Toplagen eingebrochen. »Die Innenstädte werden sich stark verändern«, prognostiziert JLL-Experte Gombert. Retailflächen würden zugunsten anderer Nutzungsarten reduziert und zunehmend gemischt genutzt.

Der Logistikmarkt hingegen ist – vor allem gepusht durch den wachsenden Onlinehandel – stabil geblieben. 245.000 Quadratmeter wurden laut Nicolas Werner, Vermietungsleiter Realogis Immobilien München GmbH, am Münchner Markt für Industrie- und Logistikimmobilien im vergangenen Jahr neu vermietet – allerdings handelte es sich vorwiegend um Bestandsimmobilien.

Im Segment Büroimmobilien verursachte zumindest der erste Lockdown einen zeitweiligen Stillstand in München und Oberbayern. »Bestehende Bauprojekte liefen zwar weiter, aber die Vermarktung der Objekte verlangsamte sich«, berichtet Maren Okrongli, Marktbereichsleiterin Immobilienkunden bei der KSK. Inzwischen habe hier die Nachfrage wieder angezogen, wenngleich auf einem niedrigeren Niveau als vor der Krise. Mittelfristig rechnet Okrongli mit Veränderungen in diesem Segment: »Homeoffice wird beliebter und damit wird potenziell weniger Bürofläche benötigt.«

Konkret seien die Auswirkungen aber noch schwer einzuschätzen. Christian Bretthauer (60), Zentralgeschäftsführer der DV Immobilien Management GmbH, erwartet ebenfalls, dass der Büroflächenbedarf langfristig sinkt – auch wegen des Trends zum Homeoffice. Noch stärker allerdings tragen seiner Ansicht nach andere Entwicklungen dazu bei, etwa der Wegfall unattraktiver, nicht mehr zeitgemäßer Standorte. »Das Thema Homeoffice wird hochgespielt, viele unterschätzen den soziokulturellen Effekt«, sagt Bretthauer. »Menschen wollen und müssen persönlich kommunizieren, gerade im regelmäßigen informellen Austausch miteinander entstehen neue Ideen – diese kreativen Prozesse werden bei rein digitaler Kommunikation abgeschnürt.«

Die Regensburger DV Immobilien Management GmbH ist Bestandshalter des Business Campus in Garching und setzt ein solches Konzept derzeit auch in Unterschleißheim um. Künftig würden viele Mitarbeiter zeitweise von zu Hause aus arbeiten, somit werde es vermutlich weniger gemeinschaftliche, klassische Büros geben. »Dafür jedoch noch mehr Räumlichkeiten zum Kommunizieren, das Büro wird zum Treffpunkt«, so der Experte. Ebenso sei ein ergänzender Trend zurück zum Zellenbüro möglich, das eine Trennung der Arbeitsplätze ermöglicht. »Entscheidend wird sein, wie sich die Zusammenarbeit in den nächsten zwei bis vier Jahren entwickelt«, sagt Bretthauer.

Reduzierte Nachfrage im Neuvermietungsmarkt erwartet

Dass kleinere und mittlere Firmen Flächen zurückgeben, erwartet er weniger: »Selbst wenn ich nur für 460 statt 520 Mitarbeiter Platz brauche, ist das auch eine monetäre Entscheidung, ob ich allein deswegen umziehe oder nicht.« Kurzfristig sei durch den Wirtschaftseinbruch ohnehin eine reduzierte Nachfrage im Neuvermietungsmarkt wahrscheinlich. »Weniger Produktivität bedeutet weniger Arbeitsplätze und damit weniger Büroflächenbedarf«, sagt der Experte. Der Effekt könnte sich noch verstärken, wenn die staatlichen Hilfen auslaufen und die Insolvenzantragspflicht wieder gilt.

Pandemiejahr als »Zykluswendepunkt«

Für den Münchner Büroimmobilienmarkt beobachtet JLL-Experte Gombert bereits jetzt einen geringeren Flächenumsatz. Im vierten Quartal 2020 fiel dieser erstmals unter die Marke von 100.000 Quadratmetern, sodass der Markt mit einem Jahresumsatz von 570.000 Quadratmetern schloss. »Nach Jahren auf der Erfolgsspur ist das Pandemiejahr für den Münchner Büroimmobilienmarkt ein Zykluswendepunkt«, meint Gombert.

Dass Transaktionsvolumina und Flächenumsätze zurückgehen, während die Leerstandsquote steigt (derzeit 3,5 Prozent, die JLL-Prognose für 2021 lautet 4,1 Prozent), sei aber nur ein kurz- bis mittelfristiges Phänomen, so Gombert. »München steht als Wirtschaftsstandort auf soliden Füßen. Insofern kann diese Konsolidierungsphase für die Stadt auch etwas Gutes bewirken.« So verschaffe die gestiegene Leerstandsquote die dringend benötigte Luft für Ansiedlungen und Expansion, an der es München zuletzt gemangelt habe.

Finanzierung und Vermietung: Die Folgen der Pandemie

»Die Rahmenbedingungen einer Finanzierung orientieren sich bei uns unverändert an der Bonität und der Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers«, sagt KSK-Expertin Okrongli. Bei gewerblichen Finanzierungen komme der nachhaltige Cashflow aus der Immobilie zur Bedienung der Leistungsraten hinzu. »Die langfristige Mieterbonität war und ist ein entscheidendes Kriterium bei der Finanzierungsfähigkeit von Gewerbeimmobilien.«

Erneute Eingriffe in den Markt kritisch gesehen

Kritisch werden erneute Eingriffe in den Markt gesehen. Nach dem Kündigungsmoratorium beschloss die Bundesregierung, dass staatlich angeordnete Schließungen von Geschäften regelmäßig als »Störung der Geschäftsgrundlage« (§ 313 BGB) gelten und daher Anpassungen des Miet- und Pachtvertrags ermöglichen. Mario Mühlbauer von der Dr. Hanns Maier Beteiligungsgesellschaft hält dies für unnötig. »Zum einen versuchen wir ohnehin, mit unseren durch die Pandemie in Zahlungsnöte geratenen Mietern partnerschaftliche, individuelle Lösungen zu finden.«

Zum anderen greife Paragraf 313 BGB in bisheriger Form den Aspekt hinreichend auf. Für Mieter gebe es ausreichende Hilfen, so Mühlbauer. »Für Vermieter hingegen nicht.« Dies bemängelt auch Zentralgeschäftsführer Bretthauer von DV Immobilien Management. Die neue Regelung solle kleine Gewerbemieter vor mächtigen Vermietern schützen, »aber wer schützt kleine Vermieter vor Großbetrieben, die ihre Mietzahlungen einfach einstellen? Für mich ist es teurer, einen neuen Mieter zu finden, als einen langjährigen zu behalten, der bis dato immer zuverlässig gezahlt hat.«

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