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Wichtige Spezialitäten

Thorsten Jochim ©
»Bierbrauen ist das Schönste«, sagt Geschäftsführer Georg Hell

Seit 130 Jahren braut die Familie Hell in Altötting Bier. Nun führt Georg Hell der Fünfte das Unternehmen – und verbindet Althergebrachtes und neue Ideen erfolgreich.

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 11/20

Der traditionelle Auszug zur Altöttinger Hofdult ist ein prächtiges Spektakel: Mit sechs festlich geschmückten Pferdekutschen werden die ersten »Hirschen«, traditionelle Holzfässer mit jeweils 200 Litern Festbier, von der Hell Brauerei zur Festwiese transportiert. Dass dieses Volksfest und dazu noch die Altöttinger Kirta sowie das Töginger Volksfest in diesem Jahr wegen Corona abgesagt wurden, trifft die Brauerei hart.

80 Mitarbeiter für 3.000 Gäste

»Wir liefern ja nicht bloß das Bier, sondern sind dort als Festwirt für den gesamten Betrieb des Festzelts verantwortlich«, erklärt Georg Hell junior (27), der die Hell Brauerei KG Altötting vor vier Jahren von seinem Vater übernommen hat. »Wir kümmern uns um das Aufstellen und die Einrichtung des Zelts, um die Verpflegung mit Essen und Getränken sowie die Musikkapellen, die dort auftreten.« Ein langjährig eingespieltes Team von rund 80 Mitarbeitern sorgt für das leibliche Wohl der bis zu 3.000 Gäste, die ins Festzelt passen. »Das sind für uns drei absolute Highlights – und dieses Jahr wäre noch die Feier zu unserem 130-jährigen Firmenjubiläum dazugekommen, die aber leider auch ausfällt.« Ob sie 2021 nachgeholt oder doch erst das 133. oder 135. Bestehen ordentlich gefeiert wird, muss noch entschieden werden.

Umsatzrückgänge, aber neue Biersorten

Durch den Wegfall der drei großen Volksfeste werde heuer der Umsatz um 30 bis 40 Prozent niedriger ausfallen als in den Vorjahren, schätzt der Firmenchef. »Den Bierumsatz können wir allerdings in etwa halten.« Denn der Verkauf an Handel und Gastronomie sowie der Direktverkauf ab Brauerei laufen gut. »Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir im Februar dieses Jahres neu entwickelte Biersorten eingeführt haben, zum Beispiel naturtrübes Weißbier, Kellerbier und Radler.

«Aber auch Spezialitäten wie das Altöttinger Weihnachtsbier, das Festbier in der Bügelflasche oder das Pilgerbier, das sich am Wallfahrtsziel Gnadenkapelle, in Devotionalienläden und Hotels großer Beliebtheit erfreut, tragen dazu bei. »Als kleine, handwerklich orientierte Brauerei können wir nur mit Spezialitäten überleben«, sagt Georg Hell. Und die kann er liefern. Schließlich schloss der gelernte Brauer und Mälzer seine Meisterausbildung als Jahrgangsbester ab. Gleich danach übernahm er die Brauerei, die er seither als Kommanditgesellschaft führt – ein klarer Schnitt, nachdem der gewaltsame Tod seines Onkels 2001 auch den Familienbetrieb beeinträchtigt hatte.

Regional verwurzelt

Der Trend zu Mikrobrauereien und ausgefallenen Biersorten nutzt der Brauerei. »In den letzten Jahren haben viele Menschen umgedacht und kaufen lieber regional gebraute Biere«, sagt Georg Hell. Den Verbrauchern zu vermitteln, was die Besonderheit der Biere aus dem Altöttinger Unternehmen ausmacht, sieht er als wichtige Aufgabe. »Da helfen natürlich die Volksfeste. Aber wir sind auch auf Instagram und Facebook präsent, um mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben. «
Alle Zutaten stammen aus Bayern, das Bier wird mit dem relativ weichen Altöttinger Tiefenwasser gebraut.

»Eine der letzten Brauereien, die noch in Holzfässer abfüllt«

Wichtig ist dem jungen Braumeister zudem, dass die Biere im Gärkeller je nach Sorte zwischen sieben und neun Tagen gären. Danach reift das Bier noch sechs bis acht Wochen im 130 Jahre alten Gewölbekeller, der unter schattigen Kastanienbäumen liegt. Selbst das sogenannte Pichen erfolgt im Betrieb. Dabei werden die Holzfässer mit Pech, also gesiedetem Baumharz, ausgekleidet. »Wir sind eine der letzten Brauereien Bayerns, die noch in Holzfässer abfüllt«, sagt Hell. Dass ausschließlich mit Ökostrom gearbeitet wird, ist dagegen neu.

Die Brauerei ist ein echtes Familienunternehmen. Fünf Vollzeitkräfte erledigen Einkauf, Produktion und Vertrieb der rund 5000 Hektoliter Bier, die dort jährlich erzeugt werden: Neben Georg Hell arbeiten seine Eltern und sein jüngerer Bruder Sebastian (25) im Unternehmen. Einziges Nicht-Familienmitglied ist der Auslieferungsfahrer.

»Bierbrauen ist das Schönste«

80 Prozent der Altöttinger Biere werden über den Handel, vor allem den klassischen Getränkehandel, verkauft. Die harten Verhandlungen mit den großen Handelsorganisationen um Preise und Konditionen findet Hell ausgesprochen unangenehm. Die Arbeiten in Sudhaus und Gärkeller mag er deutlich lieber: »Bierbrauen ist das Schönste«, sagt er und fügt gleich hinzu: »Es würde allerdings noch mehr Spaß machen, wenn Corona nicht wäre.« Wegen der Pandemie muss die für dieses Jahr geplante Investition in eine Flaschenabfüllanlage verschoben werden. Immerhin wurde die Filtration vor drei Jahren erneuert, der Gärkeller 2000 neu gebaut. Ein neues Sudhaus steht noch auf der Wunschliste.

Nächstes Projekt: schöner Biergarten mit bayerischem Essen

Derzeit ist Georg Hell jedoch ein anderes Projekt wichtiger: Gemeinsam mit seinen Brüdern will er das Bräustüberl und den Biergarten, die seit 20 Jahren geschlossen sind, wieder in Betrieb nehmen. Das familiäre Know-how dafür ist vorhanden: Sebastian Hell ist ausgebildeter Hotelfachmann, Quirin Hell absolviert nach einer Metzgerlehre derzeit eine Ausbildung zum Koch. »Sobald der Quirin fertig ist, starten wir mit dem Umbau«, kündigt der Brauereichef an. »Ein schöner Biergarten mit bayerischem Essen – das ist mittlerweile wieder sehr gefragt.«

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