Standortpolitik

»Wir denken über die Krise hinaus«

Bayerische Staatskanzlei ©
Will Innovationen beschleunigen – Ministerpräsident Markus Söder

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erklärt, wie er die Wirtschaft wieder in Schwung bringen will, wo er Nachholbedarf bei der Digitalisierung sieht und warum er beim Klimaschutz auf Anreize statt Druck setzt.

Nadja Matthes, Ausgabe 04/2021

Herr Ministerpräsident, die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie werden wir noch lange spüren. Sie haben gefordert, schnell »einen Aufschwung zu organisieren«. Wie wollen Sie das anstellen?

Corona stresst uns alle. Doch trotzdem dürfen wir die Zukunft nicht aus dem Blick verlieren. Gerade jetzt brauchen wir frische Ideen – nicht nur zur Krisenbewältigung, sondern gerade auch für die Zeit danach. Der Klimawandel, die Verbindung von Ökologie und Ökonomie, die digitale Transformation und die neue Mobilität sind globale Herausforderungen. Durch Corona sind die ja nicht zum Stillstand gekommen, sondern haben an Dringlichkeit sogar noch zugenommen. Wir müssen gerade jetzt Innovationen beschleunigen. Ohne Innovationen werden wir unseren Wohlstand nicht bewahren können – das galt schon vor Corona, aber durch Corona gilt dies besonders.

Was haben Sie konkret unternommen?

Bayern hat mitten in der Pandemie mit der Hightech Agenda Plus ein umfassendes Beschleunigungspaket für die digitale Transformation aufgelegt. Wir investieren 3,5 Milliarden Euro in den Hightech-Standort, in die digitale Infrastruktur, in die Schlüsseltechnologien der Zukunft, also in künstliche Intelligenz, Luft- und Raumfahrt, Robotik, Quantentechnologie, Life Science oder Infektionsforschung. Mit der Schaffung von 13.000 neuen Studienplätzen und 1.000 neuen Professuren in diesen Zukunftsfächern sorgen wir für die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung. In Nürnberg gründen wir sogar eine neue Technische Universität, um den jungen Menschen in unserem Land noch breitere Möglichkeiten für eine topmoderne Ausbildung zu eröffnen.

Nach jeder Krise setzt auch ein Erneuerungsprozess ein. Wo sehen Sie neue Chancen für die bayerische Wirtschaft?

Die bayerische Wirtschaft spielt nicht nur in Deutschland die führende Rolle, auch im internationalen Vergleich ist Bayern ein begehrter, konkurrenzfähiger Standort. Das haben wir in besonderem Maße unserem starken Mittelstand zu danken, der sich durch eine breite Diversifizierung auszeichnet. Dadurch sind strukturelle und konjunkturelle Risiken bei uns breit gestreut. Unsere Hightech Agenda setzt darauf auf und bietet die Chance, diese Stärken weiter auszubauen. In Bayern erwerben wir schon heute das Wissen von morgen und setzen es dann um in die Technik von übermorgen. Die Digitalisierung wird auch die Unterschiede zwischen Stadt und Land einebnen. Qualifizierte, moderne Arbeitsplätze sind immer weniger an die urbanen Räume gebunden.

Bei vielen Firmen und Selbstständigen geht es längst nicht mehr um die Frage, wie das Geschäft läuft, sondern ob es überhaupt langfristig weitergeht. Welche Maßnahmen sind notwendig, um Betriebe und Branchen zu retten, die ums wirtschaftliche Überleben kämpfen?

Die Politik hat zu Beginn der Pandemie im Frühjahr letzten Jahres schnell gehandelt und Hilfspakete und Konjunkturprogramme in historisch nie da gewesener Höhe beschlossen. Damit haben wir einen Kollaps der deutschen Wirtschaft und des Arbeitsmarkts verhindert. Die neuerlichen Einschränkungen stellen das wirtschaftliche Leben weiterhin vor eine enorme Herausforderung, die wir aber durch erneute Hilfsprogramme abfedern.

... bei denen nicht immer alles rundläuft.

Bei der Umsetzung der Wirtschaftshilfen hat es in den letzten Monaten von Bundesseite leider viel zu große Verzögerungen gegeben. Die erforderlichen Antragsprogramme wurden sehr spät zur Verfügung gestellt. Dennoch liegt Bayern im deutschlandweiten Vergleich bei der Auszahlung der Wirtschaftshilfen mit Abstand vorne. In keinem anderen Bundesland wurden in so kurzer Zeit so viele Anträge bewilligt und Auszahlungen veranlasst. Das liegt nicht zuletzt auch an der großen Leistung der IHK für München und Oberbayern. Sie haben die Bearbeitung der Coronahilfen mit einmaligem Einsatz übernommen. Ich weiß, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Belastungsgrenze arbeiten.

Mit dem 46 Milliarden Euro schweren Bayern-Fonds hat Bayern zudem einen besonderen Rettungsschirm für Unternehmen geschaffen, die durch die Pandemie in eine Schieflage geraten sind. Ende Februar hat die EU die Genehmigung des Fonds bis Jahresende verlängert. Das gibt gerade den kleineren und mittleren Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit.

Um die Wirtschaft nach der Krise zu stabilisieren, kommt es entscheidend auf die Rahmenbedingungen an. Bei internationalen Vergleichen der Steuerlast schneidet Deutschland jedoch regelmäßig schlecht ab. Die Unternehmen hierzulande tragen eine viel höhere Belastung als die meisten ihrer Konkurrenten in Europa. Wann fällt dieser Wettbewerbsnachteil?

Für den Bereich der Unternehmenssteuern steht der Bund als Gesetzgeber in der Verantwortung. Wir haben im letzten Jahr im Berliner Koalitionsausschuss eine Optionslösung für Personengesellschaften beschlossen. Allerdings hat das SPD-geführte Bundesfinanzministerium noch keinen Gesetzentwurf dazu vorgelegt. Das passt leider ins Bild: Bayern fordert immer wieder die Senkung der im internationalen Vergleich zu hohen Unternehmenssteuerbelastung, aber die SPD arbeitet dagegen. Eine Senkung der Steuerbelastung unserer Unternehmen bleibt eine wichtige bayerische Forderung.

In welchen Bereichen sind Entlastungen besonders notwendig?

Eine Senkung der Unternehmenssteuern auf ein international übliches Niveau von rund 25 Prozent ist hier ein wichtiger Schritt. Aktuell befindet sich Deutschland mit einer Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften von knapp 30 Prozent sogar in der Gruppe der Hochsteuerländer. Bayern hat einen Vorschlag ausgearbeitet, wie wir die Ertragssteuerbelastung in Höhe von rund fünf Prozentpunkten reduzieren könnten: Teilanrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer und Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Kapitalgesellschaften.

Im Übrigen könnte durch eine generelle vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags Unternehmen und besonders Personengesellschaften weiter Luft verschafft werden. Das eröffnet Spielräume für Investitionen – und genau die brauchen wir, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Und zu guter Letzt: Gerade Strom ist in Deutschland mit Steuern und Abgaben hoch belastet. Das wirkt sich auf Investitionsentscheidungen zunehmend negativ aus, weil die Bedeutung von Strom für die Energieversorgung aus Klimaschutzgründen stetig zunehmen wird. Deshalb fordern wir eine Senkung der EEG-Umlage.

Und in welchen Bereichen sind solche Entlastungen auch realistisch?

Mit unserem Bundes-Koalitionspartner SPD wäre wohl eine – vielleicht auch nur schrittweise – Absenkung der EEG-Umlage denkbar. Immerhin haben die Koalitionsfraktionen die Bundesregierung im Dezember letzten Jahres aufgefordert, dafür ein Konzept zu erarbeiten.

Nicht nur hohe Steuern belasten die Unternehmen. Viele bürokratische Vorgaben sind kompliziert und kosten die Betriebe enorm viel Zeit und Geld. Wo kann Bayern beim Bürokratieabbau allein vorangehen und vereinfachen – ohne auf den Bund zu warten?
Bürokratieabbau ist für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft existenziell. Bayern ist in Deutschland Vorreiter beim Bürokratieabbau: Wir sind das Bundesland mit den wenigsten Vorschriften.

Mit der Paragrafenbremse stellen wir sicher, dass überflüssige Regelungen in Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften laufend aufgespürt und konsequent beseitigt werden. Aufgrund des Praxis-Checks, in dem mit Betroffenen neue Regelungen auf Verständlichkeit und Praxistauglichkeit überprüft werden, bleibt schon im Vorfeld überflüssige Bürokratie auf der Strecke. Zudem gibt es mit Walter Nussel einen eigenen Beauftragten der Staatsregierung für Bürokratieabbau.

Bürokratieabbau gelingt dann am besten, wenn Gesetzgeber und Betroffene gemeinsam agieren. Deshalb hat die Staatsregierung schon im Februar 2020 mit den bayerischen Wirtschaftsverbänden den »Pakt für Freiheit – Bayerischer Weg zu weniger Bürokratie« geschlossen. Dieser kooperative Ansatz ist bundesweit einzigartig und kommt ganz besonders den kleinen und mittleren Unternehmen sowie den Freiberuflern zugute. Gerade jetzt, wegen Corona, müssen wir Regelungen noch intensiver auf verzichtbare Belastungen durchforsten, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bekommen.

Vieles wäre für die Unternehmen leichter, wenn Finanzämter und andere Behörden bei der Digitalisierung das Tempo der Wirtschaft aufnehmen würden. Gerade in der Coronakrise ist der Nachholbedarf in der öffentlichen Verwaltung noch einmal deutlich geworden. Warum kommt Bayern bei der Digitalisierung nicht ehrgeiziger und schneller voran?

Bayern und Deutschland sind in der Hightech-Digitalisierung sehr gut aufgestellt, wenn man etwa an künstliche Intelligenz oder Robotik denkt. Aber in der Alltagsdigitalisierung haben wir noch Nachholbedarf. Es gibt zwar auch hier Bereiche, in denen Bayern in den letzten Jahren viel erreicht hat.

Wir haben allein seit 2014 durch Freistaat, Kommunen und Kommunikationsunternehmen mehr als 2,6 Millionen unversorgte Haushalte erstmals mit einem Breitbandanschluss von mindestens 50 Megabit erschlossen. Mit unserem Mobilfunkförderprogramm sind wir Vorreiter in Deutschland. Und wir wollen mit innovativen Projekten die Digitalisierung in der Wirtschaft voranbringen. Im letzten Jahr haben wir beispielsweise zusammen mit der IHK für München und Oberbayern und der Stadt München das Blockchain-Projekt Cert4Trust gestartet. In einem ersten Schritt wurden dabei 15.000 fälschungssichere Abschlusszeugnisse ausgegeben.

Reicht das aus, um das Digitalisierungstempo weiter zu erhöhen?

Trotz dieser positiven Entwicklungen müssen wir uns noch deutlich mehr auf den Gebieten anstrengen, die direkt in unserem Alltag spürbar sind, etwa bei digitalen Verwaltungsangeboten oder im Unterricht. Hier ist die Entwicklung übergreifender Strukturen ganz wichtig. Wer nur für seinen jeweiligen Bereich eine möglichst bequeme Insellösung schaffen möchte, hat Wesen und Chancen der Digitalisierung noch nicht recht verstanden. Gegen diese Bequemlichkeit, die sich – durchaus auch im öffentlichen Sektor – bei der Digitalisierung hie und da breitmacht, werden wir mit disruptiven Prozessen angehen. Daran arbeiten wir gerade mit Hochdruck.

Die Digitalisierung ist auch einer der großen Treiber von Innovationen – und die wiederum sind essenziell dafür, dass die bayerische Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt. Wollen Sie innovative Unternehmen in der Nach-Corona-Zeit bei ihren Anstrengungen in Forschung und Entwicklung stärker unterstützen als bisher?

Es kann niemand seriös vorhersagen, wann wir Corona besiegt haben werden. Die Corona-Wirtschaftshilfen sollen aber nicht nur über die derzeitigen massiven Probleme in der Pandemie hinweghelfen. Wir denken damit auch schon über die Krise hinaus. Unterstützungsleistungen seitens der Politik für Forschung und Entwicklung und für internationale Wettbewerbsfähigkeit sind eine Daueraufgabe. Wir investieren in Bayern ganz bewusst in wichtige Zukunftsfelder. Knapp zehn Milliarden Euro sind im diesjährigen Haushalt für Zukunftsinvestitionen in den zentralen Bereichen Gesundheit, Bildung, Technologie und Forschung eingeplant. Das ist ein Rekord und angesichts eines Haushaltsvolumens von insgesamt 70,2 Milliarden Euro ein wuchtiger Aufschlag.

Die Bayerische Staatsregierung führt auch die bewährten bayerischen Förderprogramme konsequent fort. Sie stehen den vielen kleinen, mittleren und großen Unternehmen offen, um sie bei ihren innovativen Ideen tatkräftig zu unterstützen.

Gerade junge Firmen beleben mit neuen Geschäftsmodellen die Wirtschaft. Sie schaffen neue Arbeitsplätze und machen einen Standort auf Dauer konkurrenzfähig. Selten war es wohl so wichtig, Jungunternehmern optimale Startbedingungen zu bieten. Was hat sich Bayern hier vorgenommen?

Eine ganze Menge, denn die Förderung von Start-ups ist eine zentrale Investition in die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts. Die Gründer von heute sind jung, digital, international – also alles, was den Standort Bayern ausmacht und was der Standort Bayern braucht. Und: Die Gründer von heute sind der Mittelstand von morgen. Durch kreative Ideen sind sie Fortschrittstreiber, sichern damit unsere Wettbewerbsfähigkeit und schaffen innovative Arbeitsplätze.

Wir haben daher im September letzten Jahres – also mitten in der Coronakrise – den Start-up-Turbo gezündet: Wir fördern unsere Gründer mit einem neuen Scale-up-Fonds mit einem Gesamtvolumen von 250 Millionen Euro. Anstelle von bisher maximal zehn Millionen kann ein Unternehmen künftig bis zu 25 Millionen Euro Zuschuss bekommen. Damit helfen wir jungen Unternehmen, die Geld für Wachstum brauchen, damit sie nicht ausländisches Kapital in Anspruch nehmen müssen. Unsere bayerischen Start-ups sollen bayerisch bleiben und nicht etwa chinesisch oder amerikanisch werden.

Der Klimaschutz wird uns auch nach der Pandemie langfristig beschäftigen. Die bayerische Umweltwirtschaft ist gut etabliert und setzt rund 50 Milliarden Euro jährlich um. Inwiefern sollen zusätzliche Förderprogramme die bayerischen Umweltunternehmen weiter voranbringen?
Umwelt- und ressourcenschonende Technologien, Produkte und Dienstleistungen sind der Königsweg zu einem nachhaltigen Wirtschaften. Die überwiegend mittelständischen Unternehmen der Umweltwirtschaft in Bayern liegen nicht nur bundesweit, sondern auch im internationalen Wettbewerb mit an der Spitze.

Die besondere Bedeutung der Umweltwirtschaft liegt ja darin, dass sie eine Querschnittsbranche ist: Wasserwirtschaft, Schutztechnologien, umweltfreundliche Energieerzeugung beziehungsweise -speicherung, Kreislaufwirtschaft, Effizienz bei Rohstoffen, Material und Energie. Von dieser riesigen Bandbreite profitieren natürlich vor allem Klima und Umwelt, aber auch unsere Unternehmen, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Damit steht unsere bayerische Umweltwirtschaft für echte Nachhaltigkeit.

Klimaschutz ist nicht nur Sache der Umweltwirtschaft. Unternehmen aus allen Branchen setzen auf sparsamen Energieverbrauch, Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Unternehmen dabei noch stärker zu unterstützen?

Im Rahmen der Hightech Agenda Bayern investiert der Freistaat Bayern speziell in Cleantech 80 Millionen Euro. Damit fördern wir synthetische Kraftstoffe, moderne Batterieforschung und Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Das ist innovativer Klimaschutz und liefert konkrete Antworten auf die drängende Frage, in welchem Zustand wir den Planeten an die nachfolgenden Generationen übergeben wollen. Darüber hinaus müssen wir generell die geeigneten Rahmenbedingungen setzen, damit wir unsere ambitionierten Klimaziele erreichen.

Mit der CO₂-Bepreisung haben wir den richtigen, weil marktwirtschaftlichen Weg eingeschlagen. Wir wollen strombasierten Technologien in der Breite der Wirtschaft zum Durchbruch verhelfen. Gerade auch deshalb setzen wir uns auf Bundesebene insbesondere für eine weitere und maßgebliche Senkung der EEG-Umlage ein.

Die Wirtschaft hat einiges unternommen und noch vor, um die ehrgeizigen Ziele des Klimaschutzprogramms Bayern 2050 zu erreichen. Jedoch fürchten viele Firmen, dass rigide (EU-)Vorgaben zum Klimaschutz ihren unternehmerischen Spielraum unverhältnismäßig stark beschneiden und den Wettbewerb verzerren. Ist dieser Konflikt unvermeidbar?

Die bayerischen Unternehmen bringen sich sehr engagiert und mit einer großen Fülle an Maßnahmen für den Klimaschutz ein. Rigide Vorgaben und Wettbewerbsverzerrungen widersprechen den Grundüberzeugungen der Bayerischen Staatsregierung. Insbesondere jetzt, mitten im Kampf gegen die Pandemie und ihre Auswirkungen, lehnen wir zusätzliche Belastungen strikt ab. Auch in der EU werden wir uns im Rahmen des Green Deal vor allem für marktwirtschaftliche Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels einsetzen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir insbesondere die geplante Ausweitung des europäischen Emissionshandels.

Welche Möglichkeiten sehen Sie generell, Ökologie und Ökonomie miteinander zu vereinen?

Die Beachtung ökologischer Belange entwickelt sich mittlerweile zum Standortvorteil. Damit ist für die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie schon das tragende Fundament gelegt. In Bayern wollen wir beispielsweise mittels des Umwelt- und Klimapakts, den im Oktober 2020 Vertreter von Politik und Wirtschaft unterzeichnet haben, beide Aspekte in die richtige Balance zueinander bringen. Mit dieser Vereinbarung haben wir einen Rahmen gesteckt für die gemeinsame Gestaltung von Umwelt- und Klimathemen.

Wir setzen dabei nicht auf Druck, sondern auf Anreize: Auf einer gemeinsamen Plattform werden Best-Practice-Beispiele vorgestellt. Unternehmen und Betriebe, die bereits in Umwelt- und Klimaschutz investiert haben, dienen dabei anderen als Vorbild. Auch bieten wir für Unternehmen Informations- und Beratungsangebote zum Thema Klima- und Umweltschutz.

Sie haben gesagt, CDU/CSU würden im Wahljahr 2021 gegen diejenigen kämpfen, die das Land mit höheren Steuern quälen wollen, und nannten dabei auch die Grünen. Gleichzeitig schwärmen Sie von den Grünen als »ein verlässlicherer Partner als viele andere Parteien«. Wie passt das zusammen?

Eine Koalition ist ja in den seltensten Fällen eine Liebesheirat. Der Wähler entscheidet, welche Konstellationen überhaupt rechnerisch möglich sind. Deshalb gilt: Mit jeder demokratischen Partei muss grundsätzlich eine Koalition möglich sein. Im Prinzip sehe ich mit der FDP die größten programmatischen Schnittmengen. Schwarz-Grün auf Bundesebene hätte den Reiz des Neuen. Für unser Ziel, Klimaschutz bei gleichzeitiger Sicherung unseres Wohlstands zu verwirklichen, könnte diese Konstellation Rückenwind bringen.

Allerdings darf man trotz ihres aktuellen Höhenflugs in den Umfragen eines nicht übersehen: Die Grünen wirken von der derzeitigen Situation schon jetzt überfordert. Die Angst, Wähler im linken Spektrum zu verlieren, zeigt sich immer wieder in Vorschlägen wie jüngst, den Bau von Einfamilienhäusern zu verbieten. Deshalb sehe ich für eine Koalition nur dann eine Perspektive, wenn sich bei den Grünen der bürgerliche Flügel durchsetzt – und zwar schon vor der Wahl. Das ist aber noch völlig offen.

Sicher aber ist: Die Union kann ökologisch verantwortliche Politik auch ohne die Grünen machen. Nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch jetzt in der Coronapandemie hat die Union stets bewiesen, dass sie der beste politische Krisenmanager ist.

Zur Person

Markus Söder (54) ist seit März 2018 Bayerischer Ministerpräsident. Anfang 2019 hat der Nürnberger auch den Parteivorsitz der CSU übernommen.

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