Standortpolitik

Wir werden das stemmen

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»Die IHK hat Verantwortung übernommen« – man habe der Politik klargemacht, was gegen den Absturz getan werden müsse, so IHK-Präsident Eberhard Sasse

Die Auswirkungen der Pandemie und wirtschaftliche Rettungsmaßnahmen wie die Überbrückungshilfe standen im Fokus der IHK-Vollversammlung im Juli 2020.

Martin Armbruster, Ausgabe 09/20

Corona, Corona, Corona – was auch sonst? Die Sitzung der IHK-Vollversammlung Ende Juli 2020 stand ganz im Zeichen der Pandemie. Für gewöhnlich tagt das Plenum im Sommer in der IHK Akademie Westerham. Um Coranaauflagen zu erfüllen, wurde die Sitzung ins Münchner IHK-Stammhaus verlegt. Hybridmodus, Maskenpflicht, Sicherheitsabstand. So etwas gab es noch nie bei einer Vollversammlung. Aber das Plenum tagte, immerhin 44 Mitglieder nahmen physisch an der Sitzung teil – wieder ein Schritt in Richtung Normalität.

Die Frühjahrssitzung war wegen Corona ganz ausgefallen. Zuletzt hatte sich das Plenum im Dezember 2019 getroffen. Damals befand sich die Wirtschaft Oberbayerns in einem anderen Zeitalter, in der Prä-Corona-Welt.

Der Neustart im Börsensaal geriet erfreulich. Bernd Sibler, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, zeichnete die IHK mit der bayerischen Denkmalschutzmedaille für die Sanierung des IHK-Stammhauses aus. Sibler nannte das Ergebnis »großartig und begeisternd«. Die IHK habe den historischen Charakter des Gebäudes wunderbar erhalten. Großes geleistet hat die IHK laut IHK-Präsident Eberhard Sasse auch während der Coronakrise. Er dankte dem Hauptamt für die erfolgreiche Arbeit. Man habe der Politik klargemacht, was gegen den Absturz ganzer Branchen getan werden müsse und wer am schnellsten Hilfe brauche. Andere Wirtschaftsverbände hätten sich weggeduckt, die IHK habe Verantwortung übernommen. »Wir stehen mittendrin«, betonte Sasse.

Unternehmerstimme: »Herausragend, was in Bayern läuft«

Ingo Schwarz, Geschäftsführer der Schwarz Plastic Solutions GmbH, lobte die Teamarbeit von Wirtschaft und Staatsregierung. »Ich finde es herausragend, was in Bayern läuft«, sagte der Unternehmer. Der Freistaat mache in der Krise vieles besser als der Bund, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Die IHK habe entscheidenden Anteil daran. Gößl listete auf, welche staatlichen Rettungsmaßnahmen die IHK mit auf den Weg gebracht hat: Soforthilfe, Schnellkredite, Haftungsfreistellung der Banken bei Förderkrediten, Verlustrücktrag und die wenige Tage vor der Vollversammlung beschlossene Lockerung für Veranstaltungen mit bis zu 200 Teilnehmern.

Überbrückungshilfe

Die IHK übernimmt außerdem auf Bitte der Bayerischen Staatsregierung die Antragsbearbeitung der Überbrückungshilfe des Bundes. Über die IHK laufen nach Prognosen Tausende Anträge und Rettungsgelder in Höhe von fünf Milliarden Euro. Zielgruppe ist die große Mehrheit der IHK-Mitglieder: Soloselbstständige und Mittelständler aus den Krisensektoren Einzelhandel, Hotellerie, Gastronomie, Tourismus, Messe- und Konzertveranstaltungsbranche. Gößl sagte, diese Aufgabe habe für die IHK oberste Priorität. »Wir werden das stemmen.«

Mut für Neues, angestoßen durch die Krise

Positives kam auch aus dem Plenum. Textilhändlerin Karin Elsperger berichtete, wie sie in der Krise den Mut fand, Neues auszuprobieren. Sie ist erstmals auf Social Media aktiv und hat auf Instagram neue Kundenpotenziale erschlossen. Zudem hat sie Pop-up-Stores in der Münchner City eröffnet.

Klaus Dittrich, Chef der Messe München GmbH, blickte schon weiter in die Zukunft. Nachdem es gelungen ist, die IAA 2021 nach München zu holen, will er die internationale Automobil-Ausstellung mit einem neuen Konzept noch attraktiver machen. Aus der Automesse soll eine Dialogplattform, München zum Mekka der Mobilität werden. Die Messe wird mit Open-Space-Bühnen am Königsplatz und Odeonsplatz verknüpft. Die Bürger sollen so quasi live erfahren, was es mit Wasserstoffantrieb, selbstfahrenden Autos und Flugtaxis auf sich hat.

Chronische Standortmängel

Auch mit chronischen Standortmängeln befasste sich die Vollversammlung. An denen besteht offenbar kein Mangel. Vizepräsident Georg Dettendorfer äußerte Frust über den schleppenden Ausbau des Brenner-Nordzulaufs. Nun gebe es endlich fünf Trassenvorschläge. Wenn man jetzt nicht zu Resultaten komme, könne man das Ziel, mehr Güter auf die Schiene zu bringen, vergessen.

Wie festgefahren die Lage ist, berichtete Andreas Bensegger, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Rosenheim. Mittlerweile seien 18 Bürgerinitiativen gegen die Brenner-Zulaufstrecke aktiv. Zudem hätten Rosenheims Stadtrat und der Kreistag gegen alle Trassenvarianten gestimmt. »Das macht die Sache sicher nicht einfacher«, meinte Bensegger.

Risiken für den Mittelstand

Laut IHK-Präsident Sasse leidet die Wirtschaft auch unter Gegenwind aus Berlin. Dort seien »die Folterknechte der Bürokratie« am Werk. Die wieder aufgeflammte Gerechtigkeitsdiskussion um die Erbschaftsteuer sei für den Mittelstand ebenso riskant wie das geplante Lieferkettengesetz.
Vor der Schattenseite der Staatshilfen warnte IHK-Vizepräsident Ralf Fleischer. Die Behörden hätten dadurch auch ihre Kapazitäten aufgebläht. Und die würden zwangsläufig mehr Bürokratie produzieren. Fleischer hält einzelne Schritte dagegen für nutzlos: »Wir brauchen eine konzertierte Aktion aller Wirtschaftsverbände. «

Forderung: Mittelständler von Sustainable-Finance-Regulierungen ausnehmen

Ebenso deutlich schilderte Unternehmer Schwarz das Risiko Sustainable Finance. Das Projekt werde auf EU-Ebene unter Ausschluss des Mittelstands vorangetrieben, obwohl klar sei, wie massiv die Betriebe betroffen seien. IHK-Vizepräsident Klaus Lutz unterstrich das: »Konventionelle Kredite werden so teuer werden, dass wir Jobs und Wettbewerbsfähigkeit verlieren werden.«

Als Ergebnis der Debatte verabschiedete das Plenum einstimmig ein Positionspapier, das fordert, Mittelständler von Sustainable-Finance-Regulierungen auszunehmen. Ebenso einstimmig erfolgten die Genehmigung des Jahresabschlusses 2019 sowie die Entlastung von Präsidium und Hauptgeschäftsführung.

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