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Workation/ Bleisure: Erst die Arbeit, dann ab in den See

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Interessante Zielgruppe – Reisende, die entspannen und arbeiten wollen

Beruf und Freizeit beim Reisen zu verbinden, bleibt (ein) Trend. Wie können sich Tourismusbetriebe darauf einstellen und mehr Umsatz generieren?

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 07-08/2025

Wanderer können im „Almbad Sillberghaus“ in Bayrischzell Brotzeit machen. Übernachten können sie trotz der 13 Zimmer mit 30 Betten nicht. Das ist den Gästen von Familienfeiern und Teilnehmern von Firmenveranstaltungen vorbehalten. Mit beiden Gruppen macht „Almbad“-Chef Peter Kirchberger, der unter dieser Marke noch 2 weitere Hütten betreibt, rund 50 Prozent seines Umsatzes.

Dass Hochzeits- oder Geburtstagsgesellschaften gern in einer Berghütte mit hotelähnlichem Komfort feiern, ist nicht neu. Hüttenseminare beziehungsweise Workation in schöner Natur sind hingegen ein Trend, der einiges an Wachstum verspricht. Denn viele Gäste, die es einmal ausprobiert haben, bleiben dabei. „Wir haben eine sehr hohe Wiederbuchungsrate“, sagt Kirchberger. Und es kommen stets neue Interessenten hinzu.

Arbeit + Ferien = Workation

Die Tourismusbranche lebt seit Langem von Freizeittouristen und Geschäftsreisenden. Doch seit geraumer Zeit etablieren sich Mischformen. Da sind zum einen jene, die Workation machen. Der Begriff (abgeleitet aus work und vacation) bezeichnet die Verbindung von Arbeit und Urlaub an einem touristisch attraktiven Ort für einige Tage, Wochen oder Monate, entweder allein oder zusammen mit Kollegen.

Immer häufiger spricht man auch von Coworkation. Nämlich dann, wenn ein Gast mit Kollegen aus dem eigenen Unternehmen zusammen fernab des heimischen Büros arbeitet. Oder wenn er zwar allein anreist, vor Ort aber mit Gleichgesinnten – zumindest zeitweise – zusammenarbeitet.

Geschäftlich anreisen, privat bleiben

Eine andere Gruppe sind die sogenannten Bleisure-Reisenden. Bleisure (abgeleitet aus business und leisure) ist die Kombination von Geschäftsreisen mit einem privaten Aufenthalt. Geschäftsreisende hängen entweder ein paar Tage privat dran oder machen vor den Terminen ein paar Tage Urlaub.

Laut der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) und dem German Convention Bureau (GCB) nutzten 2023 mehr als ein Drittel aller ausländischen Geschäftsreisenden die Möglichkeit, ihren Business-Trip nach Deutschland mit einem privaten Aufenthalt zu kombinieren.

Deutschland unter den top Bleisure-Zielen

Damit erreichte Deutschland als Bleisure-Ziel Platz 1 in Europa und im weltweiten Vergleich Platz 3 hinter den USA und Mexiko. Innerhalb der Gruppe der Bleisure-Reisenden nach Deutschland entfielen rund 3 Viertel auf das MICE-Segment, also auf Tagungen (Meetings), Belohnungsreisen (Incentives), Kongresse (Conventions) und Ausstellungen (Exhibitions).

Zu Workation beziehungsweise Coworkation gibt es weniger aussagekräftige Zahlen. Fest steht aber, dass Reisen, die zwischen Arbeit und Freizeit changieren, für die Tourismusregion München und Oberbayern ein enormes Potenzial darstellen. Zum einen quantitativ, da es sich um eine tendenziell wachsende Klientel handelt. Zum anderen qualitativ.

Spendable Geschäftsreisende

Auch hier sind die Zahlen zu den Bleisure-Reisenden besonders aussagekräftig: So geben Geschäftsreisende laut einer Erhebung des Zahlungsdienstleisters Mastercard 556 Euro pro Tag aus, Freizeitreisende im Schnitt nur 258 Euro.

Zwar ist nicht erwiesen, dass die Geschäftsreisenden während ihres privaten Aufenthalts genauso konsumfreudig sind. Es lässt sich aber zumindest davon ausgehen, dass das Niveau in etwa gleich bleibt. Die wenigsten werden vom Vier-Sterne-Hotel in ein Hostel umziehen. Hinzu kommt: Bleisure-Reisende holen für den Freizeitteil oft die Familie hinzu, sodass sich die Zahl der Gäste und Umsätze nochmals erhöht.

WLAN und attraktive Lage

Kein Wunder, dass die Tourismusbranche in Oberbayern ein Interesse daran hat, diese Gäste für sich zu gewinnen. Mehr und mehr gilt das auch für den ländlichen Raum. So sieht „Almbad“-Chef Kirchberger, der seit 2007 digitale Nomaden beherbergt, „dass unser Konzept von 80 Prozent der privaten Hütten adaptiert wird“.

Es braucht auch nicht unbedingt sehr viel, um Menschen anzuziehen, die das Nützliche mit dem Angenehmen verknüpfen wollen: eine gute Lage, eine attraktive Lokalität sowie WLAN und am besten einen Raum, in dem man konferieren kann. Der „Tegernseer Hof“, der auch um Coworkation-Gäste wirbt, fasst sein Angebot so zusammen: „Der Seminarraum ist mit moderner Technik ausgestattet und bietet so einen idealen Rahmen für kleinere Tagungen und Workshops. Darüber hinaus bieten sich die zahlreichen Freizeitmöglichkeiten rund um den Tegernsee ideal für Teambuilding-Aktivitäten an.“

Aktuell noch ein Nischenangebot

Um sowohl die Gastgeber als auch das gesamte Konzept zu stärken, startete vor 6 Jahren der Verein CoworkationAlps mit Sitz in Miesbach. „Unser Ziel ist es, den Tourismus und die Region nachhaltig zu entwickeln und zu stärken“, sagt die Vorstandsvorsitzende und Initiatorin Veronika Engel.

Sie stieß 2016 während ihrer Bachelor-Arbeit auf das Thema, sah das Potenzial, aber ebenso die Notwendigkeit der Vernetzung, um aus der Nische herauszukommen. Heute hat der Verein, zu dessen Gründungsmitgliedern auch Almbad-Chef Kirchberger gehört, 60 Mitglieder in Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien.

Nicht nur Jüngere mögen Workation

Entsprechend einer Studie des Vereins ergibt sich eine Zunahme der Reiseform allein aus dem Generationenwechsel. So können sich etwa 6 von 10 Befragten Coworkation vorstellen. Rund 70 Prozent davon sind grundsätzlich bereit, in den nächsten Monaten eine solche Reise zu machen. „Bei jüngeren Befragten liegt der Anteil jedoch deutlich über dem Durchschnitt“, heißt es in der Studie. Sie suchten „Austausch, Inspiration, das Ausbrechen aus dem Alltag, eine Steigerung der Motivation“. Wichtige Aspekte seien außerdem die freie Zeiteinteilung, Gemeinschaft, Produktivität, Spaß, Reisen und Entspannung.

Arbeitgeber müssen mitziehen

Selbstständige können die Kombination aus Präsentationen und Pool auf eigene Faust umsetzen. Anders sieht es bei Angestellten aus. Und hier liegt das Hauptproblem bei der weiteren Ausdehnung von Workation respektive Coworkation. Die Unternehmen müssen mitspielen.

Krise bremst Workations aus

Zum einen müssen sie ihren Mitarbeitern vertrauen, um sie für ein paar Tage oder Wochen zum Arbeiten auf die Almhütte zu entsenden. Zum anderen ist aktuell in Zeiten erhöhter Sparsamkeit bei Unternehmen wieder ein leichter Rückgang in der Bereitschaft zu Coworkation erkennbar. Somit bleibt noch viel zu tun. Für die Angestellten. Und für den Tourismus in Oberbayern.

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