Klimaschutz | Standortpolitik

Wie lässt sich die Energieversorgung sichern?

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Stromversorgung – enorm hohe Preise

Die Energiepreise sind massiv gestiegen, Erdgas droht knapp zu werden. Was ist jetzt notwendig, um in dieser schwierigen Lage die Energieversorgung zu sichern?

JOSEF STELZER, Ausgabe 10/2022

Bayerns Wirtschaft ist von Erdgas abhängig. Die Industrie benötigt es für die Erzeugung von Prozesswärme, als Rohstoff in der Produktion und als Energieträger für Heizungen und Warmwasserbereitung, Kraftwerksbetreiber verwenden Erdgas zur Stromerzeugung. Doch die Rahmenbedingungen haben sich gravierend verschlechtert. Russland hat die Lieferungen reduziert und zuletzt sogar unterbrochen. Überdies sind die Energiekosten explodiert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lagen die Preise für importiertes Erdgas im Juni 2022 knapp dreimal so hoch wie im Vorjahresmonat.

10-Punkte-Plan zur Sicherung der Energieversorgung

In Anbetracht der unsicheren Lage und der enorm hohen Energiepreise hat die IHK-Vollversammlung für München und Oberbayern einen 10-Punkte-Plan mit Notfallmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung beschlossen (siehe Kasten unten). Das IHK-Papier fordert, die Rahmenbedingungen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu verbessern. Ziel muss es demnach sein, die Erneuerbaren zügiger und unbürokratischer auszubauen, zumal sie der Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele sind und preisgünstige Energie bereitstellen können. Überdies reduziert sich durch den Ausbau der Erneuerbaren die Abhängigkeit von Energieeinfuhren.

Realisierung von Anschlusskapazitäten

Unabdingbar sind der Ausbau und die Bereitstellung von Anschlusskapazitäten in den Verteilnetzen. Dabei müssen bis Ende 2022 mindestens zwei schwimmende Flüssiggasterminals sowie deren Anbindung an die Fernleitungsnetze realisiert sein. 

Wie die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien aussehen kann, zeigt die Johann Dettendorfer Spedition Ferntrans GmbH & Co. KG in Nussdorf am Inn. Das Unternehmen betreibt seit 2017 ein Biomasseheizkraftwerk zur Strom- und Wärmeerzeugung. Das Kraftwerk produziert Energie etwa durch die Verbrennung von Holzabfällen und könnte Erdgasheizungen teilweise ersetzen. Die Wärme wird bisher primär zur Futtermitteltrocknung in der Landwirtschaft eingesetzt.

Wässrige Salzlösung als Wärmespeicher

Geplant ist nun, die Kraftwerkswärme auch für die mobile Versorgung zu verwenden. Der Transport erfolgt in speziellen Stahlcontainern, die eine wässrige Salzlösung mit Natriumacetat-Trihydrat als Wärmespeicher enthalten. Lkws der Spedition fahren die Container zu den Kunden. »Damit werden wir ab Februar 2023 zum Beispiel Gewerbebetriebe mit Wärmeenergie versorgen, aber auch Schwimmbäder oder lokale Wärmenetze«, so Geschäftsführer Georg Dettendorfer (52).

»Ein Container ersetzt rund 250 Kubikmeter Erdgas.«

Jeder Container nimmt etwa 2,5 Megawatt Energie auf. Mittels Wärmetauscher lässt sich die Energie etwa zum Heizen von Büros oder als Prozesswärme in der Industrie nutzen. »Ein Container ersetzt rund 250 Liter Heizöl oder 250 Kubikmeter Erdgas«, so Dettendorfer. Die Technik für die mobile Wärmeversorgung mit Stahlcontainern und Salzgemisch stammt von der swilar eetec GmbH in Landsberg am Lech.

50 Prozent Biodiesel

Einen Beitrag zur betrieblichen Energieversorgung kann auch Biodiesel leisten, zumal der aus Raps oder anderen nachwachsenden Rohstoffen hergestellte Treibstoff die Abhängigkeit von fossilem Diesel reduziert. Der Biodieselanteil am gesamten Treibstoffverbrauch der rund 240 Dettendorfer-Lkws summiert sich auf bis zu 50 Prozent. Biodiesel ist zwar teurer als fossiler Sprit und erfordert einen höheren Wartungsaufwand für die Lkw-Motoren. »Das nehmen wir aber in Kauf, zumal Biodiesel besser fürs Klima ist«, sagt Dettendorfer.

Eine zentrale Rolle spielen erneuerbare Energien im Energiesofortmaßnahmenpaket 2022 der Bundesregierung, dem sogenannten Osterpaket. Es enthält den Aspekt des übergeordneten öffentlichen Interesses, sodass der Ausbau der Erneuerbaren gegenüber anderen Belangen bei der Abwägung der Genehmigungsbehörden mehr Gewicht erhält. Die IHK fordert, diesen Punkt auch auf die Nutzung der Wasserkraft anzuwenden.

Fuel Switch

Weitere Bausteine für eine sichere Energieversorgung sind Verbesserungen in puncto Energieeffizienz sowie der Umbau der Wärmeversorgung, also der Umstieg von Erdgas und Heizöl auf Geothermie, Biomasse oder andere alternative Energieträger. Doch langwierige Genehmigungsverfahren und komplexe rechtliche Vorgaben erschweren diesen sogenannten Fuel Switch.

Rechtsberatung vor Umstieg

Magnus Harlander (58), Gründer und Vorstand der Münchner ISAR AG Gesellschaft für nachhaltige Beteiligungen, rät Firmen, sich vor dem Umstieg rechtlich beraten zu lassen. »Die Vorgaben sind gerade für den Fuel Switch sehr komplex und unübersichtlich.« Ob für die Wärmeversorgung überhaupt alternative Energieträger infrage kommen, hängt von den jeweiligen Gegebenheiten ab. »Die Betreiber von Biogasanlagen könnten zum Beispiel zum Direktlieferanten werden und das Biogas, statt es in ineffizienten Motoren zu Strom umzuwandeln, direkt als Energieträger zur Verfügung stellen – wenn es die Rechtslage denn hergibt«, so Harlander.

Betrieblichen Notfallplan erstellen

Zudem rät er, einen betrieblichen Notfallplan zu erstellen. Wie ist vorzugehen, wenn das Erdgas im Unternehmen ganz wegbleibt? In solchen Fällen könnten in manchen Branchen etwa Homeoffice oder zeitweilige Betriebsschließungen helfen.

Die Flughafen München GmbH hat sich das Ziel gesetzt, den Energieverbrauch spürbar zu reduzieren. Der überwiegende Teil der eingesetzten Energie wird durch ein firmeneigenes, mit Erdgas betriebenes Blockheizkraftwerk und durch Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt. Das Kraftwerk stellt für den Flughafen mehr als die Hälfte des Strombedarfs bereit. Zudem deckt die Abwärme rund 80 Prozent des Bedarfs an Heizwärme und Klimakälte. Derzeit werden mit Hochdruck konkrete Schritte entwickelt, um auf die unterschiedlichen Versorgungsszenarien reagieren zu können.

7.000 Lichtpunkte abgeschaltet

Zu den ersten bereits eingeleiteten Maßnahmen gehört die eingeschränkte Beleuchtung in mehreren Parkhäusern. Bisher wurden auf dem Flughafengelände etwa 7.000 Lichtpunkte abgeschaltet. Damit lässt sich Strom in Höhe von rund drei Millionen Kilowattstunden pro Jahr einsparen. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von circa 850 Privathaushalten. Weitere Maßnahmen sollen folgen.

ISAR-Vorstand Harlander setzt ebenfalls aufs Sparen. Der Unternehmer, der auch schon in der IT-Sicherheit tätig war, hat dabei einen simplen Tipp parat: »Gerade im IT-Bereich lässt sich der Stromverbrauch enorm reduzieren, wenn man Computer und andere Geräte einfach abschaltet, wenn sie nicht gebraucht werden.«

Das fordert die Wirtschaft

Die Vollversammlung hat im Juli 2022 die IHK-Position »Energiepreise auf Rekordniveau: Notfallmaßnahmen zur Sicherung der Energieversogung« mit folgenden Punkten beschlossen:

  1. Mindestfüllstände für Gasspeicheranlagen als Vorsorge für den Winter erreichen
  2. Infrastruktur diversifizieren und zügig ausbauen, neue Gaskraftwerke errichten, die für Wasserstoff als Erdgasersatz geeignet sind
  3. Bessere Rahmenbedingungen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien schaffen, Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen
  4. Intensivere Nutzung von Kohle, Kernkraft und heimischem Erdgas, auf das zukünftig etwa fünf bis 20 Prozent des Erdgasverbrauchs in Deutschland entfallen könnten
  5. Kein Erdgasembargo, da sich Erdgaslieferungen aus Russland nur teilweise ersetzen lassen
  6. Weitere Strompreisumlagen aus dem Bundeshaushalt bestreiten
  7. Energie- und Stromsteuern senken
  8. Bundeszuschuss zu Stromnetzentgelten festlegen
  9. Unternehmen, die von der angespannten Lage auf den Energiemärkten besonders betroffen sind, unterstützen
  10. Hochlauf des Wasserstoffmarkts beschleunigen

Die vollständige IHK-Position gibt es auf der Webseite der IHK-Positionen.

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