»Zentraler Teil der kritischen Infrastruktur«

Ulf Ludwig, Vorsitzender Geschäftsführender Direktor der Medical Park Gruppe, erkannte frühzeitig, dass Reha-Kliniken ein Teil der Lösung sind, und stellte Behandlungskapazitäten für Coronainfizierte zur Verfügung.
Harriet Austen, Ausgabe 06/20
Herr Ludwig, wann registrierten Sie zum ersten Mal, dass die Coronakrise auch die 13 Kliniken der Medical Park Holding SE erfassen wird?
Wir setzten uns schon im Januar damit auseinander, weil wir ja internationale Patienten zum Beispiel aus China und dem Nahen Osten hatten. Es galt, sich zu überlegen, unter welchen Voraussetzungen wir Risikopatienten aufnehmen, die sich ja hauptsächlich bei uns befinden. Gleichzeitig fragten wir bei den Landratsämtern nach, wie wir uns mit unseren Kompetenzen in Medizin, Pflege und Therapie einbringen können.
Welche Schutzmaßnahmen haben Sie konkret ergriffen?
Wir haben zunächst Patienten mit Erkältungssymptomen isoliert und auf Covid-19 getestet, Neuankommende umfassend informiert, ein Besuchsverbot verhängt, die Eingänge zu den Kliniken bis auf einen geschlossen und Wachdienste eingesetzt. Unsere Hygienemaßnahmen und Notfallpläne entsprechen den Vorgaben des Robert Koch-Instituts. Auf diese Weise konnten wir auch die Coronafälle in den drei Kliniken in Bad Wiessee sehr schnell eindämmen.
Die Reha-Kliniken dürfen nur noch schwere Fälle aufnehmen. Das bedeutet im Klartext: leere Betten, leere Kassen. Wie hat Medical Park darauf reagiert?
Wir waren eines der ersten Unternehmen in Bayern, das Corona-Abklingfälle von den Akutkrankenhäusern übernommen hat, um sie zu entlasten. Im Grunde sind die Reha-Kliniken ein Glücksfall für Deutschland und ein zentraler Bestandteil der kritischen Infrastruktur im Gesundheitswesen. Wir können Betten und qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stellen. Obwohl die Finanzierung lange Zeit unklar war und der Aufwand hoch und kostspielig ist, stellten wir insgesamt in unseren 13 Kliniken 300 bis 400 Betten bereit. Zurzeit ist davon etwa ein Drittel belegt.
Welche Umstrukturierungsmaßnahmen waren dafür erforderlich?
Wir haben die Kliniken in drei Bereiche aufgeteilt: die neu aufgebaute Covid-19-Isolierstation mit Schleusen, den Aufnahmebereich mit Tests und Quarantäne bei Verdachtsfällen und den normalen Reha-Bereich. Natürlich mussten wir auch da einiges ändern, zum Beispiel gibt es keine Gruppenangebote und das Essen kommt aufs Zimmer.
Wie hat sich Ihre wirtschaftliche Situation entwickelt?
Relativ dramatisch. Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Zahl der anderen Notfälle und OPs in den Kliniken und in der Folge die Reha-Anwärter bei uns so stark zurückgehen würden – um fast 80 Prozent. Viele hatten auch Angst, in Reha zu gehen, weil sie sich zu Hause sicherer fühlten.
"Reine Überlebensrettung"
Inzwischen bekommen wir über die Bundeshilfe hinaus, die 60 bis 75 Prozent des Pflegesatzes abdeckt, vom Bayerischen Rettungsschirm 50 Euro pro Tag und leerstehendes Bett und für die von Coronapatienten belegten Betten 410 Euro pro Tag. Der Aufwand für sämtliche Maßnahmen ist allerdings fünfmal so hoch. Das Geschäft sichern uns diese Zuschüsse nicht, sie sind eine reine Überlebensrettung.
Der große Vorteil ist, dass wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und ein Polster angelegt haben. Außerdem stärkt uns die Inhaberfamilie Freiberger den Rücken, unterstreicht die Sicherheit der Arbeitsplätze und sieht die Kooperation mit den Akutkrankenhäusern als Bürgerpflicht.
Und wie sieht es auf der Kostenseite aus?
Wir haben die komplette Kostenstruktur angepasst, Projekte ausgesetzt, Baumaßnahmen verschoben und einen Investitionsstopp verhängt außer für Schutzmaßnahmen und die Behandlung der Coronapatienten. Für sie wurden zum Beispiel Beatmungsgeräte angeschafft. Die Kostensteigerungen liegen allerdings trotzdem im zweistelligen Bereich.
Wie ist die aktuelle Situation derzeit?
Seit letzter Woche (20.–26. April 2020) registrieren wir einen Wendepunkt. Wir können Lage und Finanzen klarer einschätzen. Was uns besonders freut: Die Akutkliniken nehmen wieder aufgeschobene und planbare Operationen vor. Damit steigt auch die Nachfrage nach Reha-Maßnahmen. Unsere zentrale Frage lautet daher: Wie können wir in Coronazeiten, die uns noch lange beschäftigen werden, eine vernünftige Reha bieten, sodass sich die Patienten bei uns sicherer fühlen als zu Hause? Deshalb haben wir in enger Zusammenarbeit mit Chefärzten ein sicheres Reha-Konzept entwickelt. Dazu gehört auch ein spezielles, modulares Corona-Reha-Konzept.
Wie sieht dieses Konzept genau aus?
Wir bieten an Covid-19 erkrankten Personen je nach Schwere der Fälle sowie Folgeschäden neurologische, kardiologische, psychosomatische und orthopädische Maßnahmen an. Mit diesem Produkt leisten wir Pionierarbeit, freuen uns aber auch, wenn andere Reha-Häuser das nachmachen. Wir hoffen, durch unsere neuen Geschäftsmodelle die Kapazität unserer Häuser zu 70 Prozent auslasten zu können. Derzeit stehen wir bei 50 Prozent. Eigentlich ist unter 80 Prozent eine Klinik nicht wirtschaftlich zu betreiben. Deshalb werden wir auch Einrichtungen zusammenlegen.
Welche Veränderungen hat die Pandemie angestoßen, die Sie beibehalten wollen?
Auf jeden Fall werden wir das Hygienemanagement intensivieren, um auch für andere Keime gerüstet zu sein. Wir merken, dass die Patienten sensibilisiert sind, gut mitmachen und sich bei uns sicher fühlen. Außerdem treiben wir die Digitalisierung voran, zum Beispiel mit digitalen Therapiekomponenten, aber auch, um durch Videokonferenzen Reisekosten zu sparen.
Sie sind auch Vorstand des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken. Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Bewältigung der Coronakrise?
Ich gewinne neue Erkenntnisse und Ideen sehr schnell und bin im engen Austausch mit allen privaten Klinikbetreibern. Wir haben gemeinsam so stark mit der Politik gerungen, wie ich es noch nie erlebt habe. Dadurch kam auch der Rettungsschirm für Reha-Kliniken zustande. Immerhin hängen in Bayern 65.000 Arbeitsplätze daran.