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Geld für Neues

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Brauchen Zeit und Geld – neue Entwicklungen

Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) kann Firmen helfen, neue Ideen zu realisieren. Unternehmer kritisieren allerdings die neuen Förderbedingungen.

Von Eva Müller-Tauber, IHK-Magazin 03/2023

Genauigkeit gilt als typisch deutsche Eigenschaft. Bei der KERN Microtechnik GmbH in Eschenlohe im Landkreis Garmisch-Partenkirchen bildet sie sogar die Grundlage des Geschäftsmodells: Das mittelständische Unternehmen mit rund 220 Mitarbeitern entwickelt und fertigt hochpräzise produktive Bearbeitungszentren für die Hightech-Industrie weltweit. „Unsere Maschinen werden im Werkzeug- und Formenbau, in der Automotivebranche, der Dental-, Medizin- und Hochfrequenztechnik, der Uhren- und Schmuckindustrie sowie in der Wissenschaft eingesetzt – überall dort, wo es auf effiziente Fertigung komplexer Präzisions- und Mikroteile ankommt“, erläutert Geschäftsführer Sebastian Guggenmos.

Forschung und Entwicklung (F&E) haben bei dem Mittelständler einen hohen Stellenwert. „Ohne Fortschritt gibt es für uns keine Daseinsberechtigung“, sagt Guggenmos. „Wir müssen unsere Wettbewerber auf Distanz halten, innovativer, schneller, besser und genauer sein.“ Daher sind bei dem Unternehmen genauso viele Fachkräfte in der Entwicklung wie in der Produktion tätig. Sie arbeiten stets an mehreren Innovationen gleichzeitig, „schließlich muss man bei Forschungsprojekten immer damit rechnen, dass eine Idee nicht zur Marktreife gelangt“, so der Geschäftsführer. Deshalb sei Innovationsförderung jeder Art sehr wichtig – auch für eine Firma wie KERN Microtechnik, die sonst ausschließlich Eigenmittel einsetzt.

Rund 200.000 Euro Personalkosten finanziert

Das Unternehmen nutzt – neben anderen Förderprogrammen – ZIM, das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand. Die Firma hat mit dessen Hilfe unter anderem eine neue Mikrospalt-Hydrostatik entwickelt und zum Patent angemeldet. Bei der Hydrostatik verhindert ein dünner Ölfilm, dass die einzelnen Komponenten einer Maschine aneinanderreiben. Er sorgt also etwa dafür, dass eine Fräsmaschine berührungsfrei läuft.

Die Innovationsförderung des Bundes hat das Projekt mitfinanziert. „Rund 200.000 Euro an Personalkosten konnten wir über das Programm ZIM decken“, sagt der KERN-Geschäftsführer, dessen Firma zusätzlich rund eine Million Euro an Eigenmitteln in das Projekt investiert hat.

„ZIM ist das wichtigste Innovationsförderprogramm der Bundesregierung für kleine und mittelständische Unternehmen und trägt damit zur Sicherung unseres Wirtschaftsstandorts bei“, erklärt IHK-Innovationsexpertin Birgit Petzold. „Zudem fördert es die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft.“ Denn neben den Mittelständlern erhalten auch Forschungseinrichtungen, die mit ihnen zusammenarbeiten, Zuschüsse für anspruchsvolle Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Die neuen Konditionen allerdings stoßen bei langjährigen Nutzern des Förderprogramms auch auf Kritik.

Ein Beispiel für ein erfolgreiches F&E-Projekt ist die nachhaltige Kühlverpackung für kühlpflichtige Lebensmittel und Medikamente, die die Münchner easy2cool GmbH gemeinsam mit der Uni Dresden entwickelt hat. Ihre Lösung, die 2021 als „ZIM-Kooperationsprojekt des Jahres“ ausgezeichnet wurde: Versandverpackungen mit einer Thermoisolation aus Altpapierfasermatten, die dem Altpapierkreislauf zugeführt werden können.

Anschub für Kooperationen

Auch Christoph Hahn, Geschäftsführer der Silatec Sicherheits- und Laminatglastechnik GmbH in Gelting/Geretsried, hat ZIM für ein Kooperationsprojekt genutzt. Ziel der F&E-Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Tragkonstruktion an der Uni Siegen war es, ein wirtschaftliches Verfahren zu entwickeln, das die Angriffshemmung bestehender Verglasungen erhöht. Das Ergebnis: Mit zusätzlich angebrachten leichten Polycarbonattafeln lassen sich Verglasungen nun nachträglich kostengünstig vor Ort nachrüsten, sodass Wohngebäude einbruchsicherer werden. Unternehmer Hahn sieht ZIM als „Innovationstreiber“ und will das Programm weiter nutzen.

Das plant auch KERN-Geschäftsführer Guggenmos, obgleich „die Antragstellung sehr aufwendig ist, externe Beratung erfordert und ausschließlich Personalkosten gefördert werden“. Eine weitere Hürde ist, dass Unternehmen nach einer zehnmonatigen Pause erst seit August 2022 wieder ZIM-Gelder beantragen können, weil nach der Bundestagswahl zunächst ein neuer Haushalt verabschiedet werden musste. Jetzt droht ein Antragsstau.

Zudem wurden einige Förderbedingungen angepasst. So erhalten Firmen, die bereits die ZIM-Bewilligung für ein F&E-Projekt bekommen haben, nun frühestens 24 Monate später eine erneute Bewilligung für ein weiteres Projekt. Diese Regelung gilt rückwirkend. Auch wurden die Möglichkeiten, Laufzeiten zu verlängern und Mittel zu verschieben, stark eingeschränkt.

F&E am Standort Deutschland muss attraktiv bleiben

„Gleichzeitig mehrere Innovationsprojekte mit Unterstützung von ZIM anzuschieben, ist unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich“, ärgert sich Firmenchef Guggenmos. „Ich habe Sorge, dass die Regierung wegen der akuten Probleme derzeit den Weitblick verliert und die Innovationsförderung auf der Strecke bleibt.“ Er fordert: „F&E am Standort Deutschland muss attraktiv bleiben, auch für Arbeitgeber.“

Ähnliche Befürchtungen hegt Ingo Schwarz. Der Geschäftsführer der Schwarz Plastic Solutions GmbH in Gilching, eines Beratungsunternehmens für Kunststofftechnologie, hat über ZIM zuletzt ein Kooperationsprojekt mit einer Hochschule umgesetzt. „Schon früher scheuten manche Mittelständler den administrativen Aufwand des Programms, obwohl es ein wichtiges Innovationsförderinstrument ist“, sagt er. Die bisherigen Bedingungen seien jedoch handhabbar gewesen. „Wenn ich Fördermittel in Anspruch nehmen will, muss ich eine gewisse Bürokratie in Kauf nehmen“, räumt Schwarz ein.

Manche der neuen Konditionen machen es seiner Meinung nach Unternehmen allerdings schwer, das Programm sinnvoll zu nutzen. Dass sie erst frühestens zwei Jahre nach der Bewilligung ihres Erstprojekts einen Antrag für ein weiteres, neues ZIM-Projekt einreichen können, sei für innovative Firmen ein Hemmnis.

„Bis das Erstprojekt bewilligt ist, hängt man quasi in der Luft, muss abwarten“, kritisiert Schwarz. Parallel gelte es, entsprechendes Personal vorzuhalten, das explizit und fachlich für das jeweilige ZIM-Projekt eingesetzt werden muss. „Bei unserem letzten Projekt hat es zwölf Monate gedauert, bis es genehmigt wurde“, moniert der Unternehmer.

Auch Verbesserungen durch ZIM-Richtlinie

Jetzt, da sich nach der Aussetzung des Programms die Anträge häuften, dürfte sich das Problem weiter verschärfen. „Wo setzt man den oder die Mitarbeiter bis dahin ein?“ Im schlimmsten Fall könne es sein, dass etwa eine eigens für ein ZIM-Projekt geschaffene wissenschaftliche Stelle an einer Uni nicht aufrechterhalten werden kann, der vorgesehene Masterand nicht mehr zur Verfügung steht. Schwarz hofft daher, dass die Bundesregierung die Konditionen nochmals überarbeiten lässt.

Trotz aller Kritik der Unternehmen: „Die derzeit gültige, überarbeitete ZIM-Richtlinie von 2020 brachte auch Verbesserungen mit sich, beispielsweise für kleine und junge Firmen sowie für Unternehmen bis 1.000 Beschäftigte“, erläutert IHK-Expertin Petzold. Darüber hinaus erhöhten sich die zuwendungsfähigen Kosten für Unternehmen in strukturschwachen Gebieten und die Antragsformulare wurden moderner und einfacher gestaltet. „Jedes Unternehmen sollte daher individuell prüfen, inwiefern sich eine ZIM-Antragstellung lohnen könnte“, rät Petzold.

 

IHK-Service: Auf einen Blick - F&E-Förderprogramme
 
  • Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM):
    - Das bundesweite, technologie- und branchenoffene Förderprogramm ist auf kleine und mittelständische Unternehmen ausgerichtet. Teilnehmende Firmen können Forschung und Entwicklung als Einzelprojekte durchführen oder als Kooperationsprojekte mit Forschungseinrichtungen oder anderen Firmen.
    - Darüber hinaus werden das Management und die Organisation von innovativen Unternehmensnetzwerken gefördert. Sowohl bei Kooperationsprojekten als auch bei Netzwerken unterstützt ZIM auch internationale Partnerschaften.
    - Zudem bietet das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz informative Webinare rund um ZIM an.
     
  • Bayerisches TechnologieförderungsProgramm plus (BayTP+):
    Mit diesem  Programm unterstützt der Freistaat Forschung und Entwicklung und Innovation im Bereich der allgemeinen Technologien. Gefördert werden Entwicklungs- sowie Anwendungsvorhaben.
     
  • BayTOU:
    Das Programm will Firmengründungen in zukunftsträchtigen Technologiebereichen anregen und so einen Beitrag zur Schaffung hoch qualifizierter Arbeitsplätze und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft leisten. Es unterstützt Gründer und junge Unternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte, Verfahren und technischer Dienstleistungen.
     
  • Informationen zu weiteren Förderprogrammen sind auf der IHK-Website zu finden.

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