Anziehend im Stadtviertel

Auslaufmodell Kaufhaus? Das gilt nicht für die Kaufring-Häuser. Neben Kundennähe und laufenden Investitionen trägt die Digitalisierung dazu bei, dass Umsatz und Ertrag stimmen.
Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 04/2023
Das Ende der Maskenpflicht im Einzelhandel war der Wendepunkt: „Seit April 2022 steigt die Kauflaune unserer Kundinnen und Kunden wieder. Bereits im vergangenen Jahr haben wir daher das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 sowohl beim Umsatz als auch beim Ertrag übertroffen", freut sich Magnus Versen (51), Geschäftsführer der Kaufhaus am Ostbahnhof GmbH & Co. HandelsKG, die knapp 100 Mitarbeiter beschäftigt.
Unter der Marke Kaufring betreibt das Unternehmen zwei Kaufhäuser in München: eines in Haidhausen, ein anderes in Fürstenried mit dem, so Versen, „Sidekick Laura & Lisa", einem Fachgeschäft für junge Mode mit knapp 300 Quadratmetern Verkaufsfläche. Ein drittes Kaufhaus in Pasing wurde 2017 geschlossen, weil der Mietvertrag auslief.
Welche Zukunft hat das Warenhaus noch? Darüber diskutieren Handelsexperten seit Langem. Schließlich haben über Jahrzehnte hinweg immer mehr Häuser aufgegeben. Von den großen Kaufhausketten in Deutschland ist nach Fusionen nur noch die GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH übriggeblieben. Sie hat im Oktober 2022 Insolvenz angemeldet, 47 der noch verbliebenen 129 Filialen sollen geschlossen werden.
Erlebnisorientiert und digital sichtbar
Doch nicht alle Warenhäuser befinden sich im permanenten Krisenmodus. Es gibt „mittelständische und meist auch inhabergeführte Kaufhäuser, die wirtschaftlich erfolgreich sind", sagt Jan Vorholt, Partner der CIMA Beratung + Management GmbH (Interview und Tipps zu erfolgreichen Konzepten: "Einkaufen als Erlebnis"). „Sie bieten ein auf ihr Umfeld und die Region abgestimmtes Sortiment, guten Service und eine hohe Aufenthaltsqualität. Darüber hinaus gestalten sie ihre Flächen zunehmend erlebnisorientiert und investieren in ihre digitale Sichtbarkeit."
Wie ein solches mittelständisches Konzept in der Praxis aussieht, zeigen die Kaufring-Häuser. Geschäftsführer Versen räumt ein, dass es nach den Lockdowns nicht einfach war, die Kunden wieder in die beiden Filialen zurückzuholen. Schließlich floss während Corona viel Kaufkraft in den Onlinehandel, aber auch in die Verbrauchermärkte, die aufgrund ihrer Lebensmittelsortimente als systemrelevant galten und nicht schließen mussten.
„Wir haben ein gutes halbes Jahr mit Marketing- und auch Preisaktionen getrommelt, vor allem mit E-Mails und auf unseren Social-Media-Kanälen auf Facebook und Instagram", sagt Versen. Im ersten Quartal 2022 war die Resonanz noch verhalten. Seit dem zweiten Quartal sei er jedoch wieder ausgesprochen zufrieden mit den Ergebnissen.
Kundennähe ein Schlüsselfaktor
Was die Kaufring-Häuser zu attraktiven Einkaufsorten macht? „Wir investieren laufend in unsere Immobilien und unsere Mitarbeiter – und wir haben noch Personal auf der Fläche, das sich Zeit für persönliche Beratung nehmen kann und soll", erklärt der Geschäftsführer. „Außerdem sorgen unsere sehr schlanken Strukturen dafür, dass wir profitabel wirtschaften und schnelle Entscheidungen treffen können.“"
Das wichtigste Erfolgskriterium ist für ihn jedoch die Nähe zu den Kunden. Das Sortiment wird ständig an die Wünsche der Käufer angepasst und ist daher auch in beiden Häusern unterschiedlich. Gemeinsam ist den Filialen, dass beide rund zwei Drittel des Umsatzes mit Mode inklusive Wäsche und Heimtextilien erwirtschaften. Darüber hinaus gibt es Haushalts- und Kurzwaren, Spielzeug, Schmuck, Schreibwaren, Taschen und Reisegepäck.
Mitarbeiter als Impulsgeber
Magnus Versen ist mit einer kurzen Unterbrechung seit gut zwanzig Jahren bei der 1979 gegründeten Kaufhaus am Ostbahnhof GmbH & Co. HandelsKG beschäftigt, 2011 wurde er Geschäftsführer. Fester Bestandteil seines Arbeitstags ist eine Morgenrunde im Kaufring in Haidhausen, bei der er sich mit jedem einzelnen Verkaufsmitarbeiter austauscht. In Fürstenried übernimmt der Filialleiter diese Aufgabe.
Die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen werden bei der Bestellung neuer Ware berücksichtigt. Allerdings stützen sich die Einkäufer dabei auch auf die Informationen, die sie aus dem Warenwirtschaftssystem generieren. „Das geht bei uns bis auf Artikelebene, sodass wir sehr genau analysieren können, was gut und was weniger gut läuft", sagt Versen.
SEO hat Priorität
Er zählt die Digitalisierung zu den größten Herausforderungen des Handelsunternehmens. „Ein hoher Digitalisierungsgrad hilft uns dabei, die internen Prozesse transparent zu gestalten und zu beschleunigen", sagt er. „In Richtung Markt und Kunden geht es darum, unsere digitale Sichtbarkeit weiterhin zu erhöhen." Insbesondere das Suchmaschinenmarketing hat hohe Priorität: „Wenn in München und Umgebung nach einem Produkt gesucht wird, das wir führen, sollte unsere Website bei den Suchergebnissen möglichst weit oben stehen."
Die Internetnutzer zum Einkauf im Kaufring-Onlineshop zu bewegen, ist dabei nicht einmal das Hauptziel: Es geht vielmehr darum, die potenziellen Kunden zu gewinnen, die Bedarf an einem Produkt haben und noch nicht wissen, dass sie es in den Kaufring-Häusern finden. Sie bilden neben den Stammkunden und den Flaneuren, die spontan ins Kaufhaus kommen und sich dort inspirieren lassen, die dritte und zudem laufend wachsende Zielgruppe.
Online reservieren, im Laden abholen
„Wir stellen fest, dass Click-and-Reserve zunimmt, dass also immer mehr Kunden online Produkte reservieren und sie dann bei uns abholen", sagt Versen. „Manchmal vergeht zwischen Onlinereservierung und Kauf nur eine halbe Stunde." Der Großteil des Werbebudgets fließt daher in digitale Maßnahmen. Aber auch die Schaufenstergestaltung steht im Fokus. Die Prospektwerbung hat das Unternehmen dagegen stark reduziert.
Die meisten Waren beziehen die beiden Häuser über Einkaufsverbände wie die EK/servicegroup, Katag oder Vedes. Das hat Vorteile bei den Konditionen und vereinfacht logistische und administrative Prozesse. Ein weiterer Pluspunkt: Die Kooperationen bieten Gruppen zum Erfahrungsaustausch, bei denen sich überwiegend Inhaber und Manager mittelständischer Kaufhausunternehmen treffen. „Dort erlebe ich immer wieder, wie viele extrem leistungsfähige und erfolgreiche Häuser es in Deutschland gibt", berichtet Versen. „Diese Unternehmer reden nur nicht groß darüber."