Experten-Interview: Einkaufen als Erlebnis

Es gibt Kaufhäuser, die erfolgreich wirtschaften. Erfolgsfaktoren erklärt Jan Vorholt, Partner und Projektleiter im Münchner Büro der CIMA Beratung + Management GmbH.
Herr Vorholt, wie muss ein Kaufhaus heute aussehen, damit es erfolgreich ist?
Jenseits der großen Weltstadt-Warenhäuser, für die andere Regeln gelten, gibt es durchaus mittelständische und meist auch inhabergeführte Kaufhäuser, die wirtschaftlich erfolgreich sind. Sie bieten ein auf ihr Umfeld und die Region abgestimmtes Sortiment, guten Service und eine hohe Aufenthaltsqualität. Darüber hinaus gestalten sie ihre Flächen zunehmend erlebnisorientiert und investieren in ihre digitale Sichtbarkeit.
Das heißt nicht, dass jedes Kaufhaus auch einen Onlineshop betreibt. Aber sie sind in den sozialen Medien und auf Google Business vertreten und sorgen dafür, dass sie mit ihrem Sortiment bei lokalen Suchanfragen gefunden werden. Zudem engagieren sie sich häufig für die Gesamtattraktivität ihres Standorts, indem sie sich in Werbegemeinschaften oder Gewerbevereinen einbringen.
Was verstehen Sie unter hoher Aufenthaltsqualität und gutem Service?
Dazu gehört alles, was dazu beiträgt, dass der Kunde sich wohlfühlt und seine Einkäufe so bequem wie möglich erledigen kann. Neben einer attraktiven Warenpräsentation sind das zum Beispiel Sitzecken, eine Espressobar oder ein gut auffindbarer Pickup-Point für Online-bestellungen und -reservierungen. Denn für den reinen Einkauf muss heute niemand mehr in die Innenstadt. Handelsunternehmen und damit auch Kaufhäuser müssen möglichst viele Sinne ansprechen, inspirieren und Einkaufserlebnisse bieten.
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Welche Rolle spielen Kaufhäuser heute noch für die Attraktivität von Stadtteilzentren und Mittelstädten?
Das hängt immer vom Einzelfall ab. Generell sinkt die Bedeutung von Kaufhäusern als Frequenzbringer und Magnetbetriebe seit Jahren. Corona hat dies noch beschleunigt. Doch ein Kaufhaus kann auch weiterhin eine sehr wichtige Funktion für ein Stadtteilzentrum oder eine Mittelstadt haben, nämlich vor allem dann, wenn sein Sortiment die Angebote am Standort ergänzt. Bei einem starken innerstädtischen Einzelhandel stellt sich heute allerdings schon häufiger die Frage, wie sehr ein Kaufhaus von seinem Umfeld profitiert – und nicht mehr umgekehrt.
Das wird in vielen Rathäusern allerdings anders gesehen.
Die Kommunen können sich zur Belebung ihrer Innenstädte nicht mehr allein auf den Einzelhandel verlassen. Zwar ist das Einkaufen nach wie vor der wichtigste Grund für den Besuch der Innenstadt, aber dessen Bedeutung nimmt laufend ab. In lebendigen Innenstädten oder Stadtteilzentren passt die Aufenthaltsqualität. Dort gibt es Möglichkeiten, sich mit anderen Menschen auszutauschen, und auch die Gastronomie wird bedeutsamer.
Wenn ein Kaufhaus schließt, muss das aber nicht unbedingt den Niedergang eines Einzelhandelsstandorts einläuten. Zum Teil springen Drogeriemärkte mit ihren heute sehr umfangreichen Sortimenten in die Bresche. Auch Lebensmittelmärkte belegen zunehmend Teilflächen von Kaufhäusern und stärken so die Nahversorgung in der Innenstadt.
Wie können sich Kaufhäuser weiterentwickeln, um als Einkaufsort relevant zu bleiben?
Es gibt einige Hidden Champions, die zeigen, wie es funktionieren kann. Sie investieren kontinuierlich in ihre Häuser, um das Einkaufserlebnis zu stärken. Und sie haben ihre Kunden, aber auch die Digitalisierung im Blick.
Welche Chancen gibt es für Kaufhausimmobilien?
Die Veränderungen beim Einkaufsverhalten führen grundsätzlich zu einem sinkenden Bedarf an Einzelhandelsflächen. Es gibt keine Schablone für alternative Nutzungskonzepte von Kaufhausimmobilien. Das hängt immer vom jeweiligen Mikrostandort ab. Im Erdgeschoss können Handel, aber auch Gastronomie weiterhin gut funktionieren. Dann gilt es jedoch, für die Obergeschosse alternative Nutzungsmöglichkeiten zu finden. Um dort Wohnungen, Büros oder Praxen zu schaffen, sind jedoch meist erhebliche Umbaumaßnahmen erforderlich.
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