Klimaschutz | Standortpolitik

Pflicht zum Bericht

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Auskunft geben – neue Vorgaben der EU

Mit der neuen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) legt die EU bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung noch einmal nach. Weit mehr Unternehmen als bislang sind betroffen.

GABRIELE LÜKE, Ausgabe 10/2022

Es ist noch einmal mehr Aufwand, den die EU der Wirtschaft mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) auferlegt. Denn mit der neuen Richtlinie verschärft Brüssel einzelne Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und erweitert den Betroffenenkreis. Aus EU-Sicht sei die Verschärfung jedoch folgerichtig, meint Alexander Bassen (57), Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und Mitglied des Rats für nachhaltige Entwicklung (RNE). »Die EU will über den Green Deal bis 2050 klimaneutral und nachhaltig sein. Dafür braucht sie starke Hebel – über die CSRD kann sie die Wirtschaft zu einem solchen machen.«

Umsetzung in nationales Recht bis 2022

Aktuell ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland über das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) geregelt. Es überführte 2017 die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) der EU in nationales Recht und verpflichtet größere kapitalmarktorientierte Unternehmen ab 500 Mitarbeiter dazu, ihre Lageberichterstattung um gewisse nichtfinanzielle Informationen zu erweitern. »Schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von NFRD und CSR-RUG war klar, dass die EU nachlegen würde. Das hat sie nun mit der CSRD getan«, erläutert Bassen. Nun liegt die CSRD vor, bis Dezember 2022 soll sie in nationales Recht umgesetzt sein. Die Details:

Wer ist betroffen?

Berichten müssen nun alle im bilanzrechtlichen Sinne großen Unternehmen, das heißt Unternehmen, die während des Geschäftsjahrs durchschnittlich mindestens 250 Personen beschäftigen und dabei entweder eine Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Euro oder Nettoumsatzerlöse von mindestens 40 Millionen Euro erwirtschaften.

Nun rund 15.000 Unternehmen betroffen

Außerdem sind auch kleine und mittlere Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten berichtspflichtig, sofern eine Kapitalmarktorientierung vorliegt. Sie können jedoch während eines Übergangszeitraums eine Ausnahmeregelung (Opt-out) in Anspruch nehmen. Inwiefern europäische Töchter von Konzernen aus Drittstaaten berichten müssen, ist noch offen. Waren bislang in Deutschland rund 500 Unternehmen direkt von der Berichtspflicht betroffen, sind es nun rund 15.000.

Leicher Engineering: Chancen schneller erkennen

Seit 2016 berichtet die Leicher Engineering GmbH in Kirchheim bei München freiwillig zur Nachhaltigkeit. Das Familienunternehmen, das 35 Mitarbeitende beschäftigt, besteht seit mehr als 150 Jahren und wird aktuell in der vierten Generation geführt. Nachhaltigkeit sei Bestandteil der Unternehmens-DNA, betont Sebastian Binderberger (32), Mitglied der Geschäftsführung. So ist das Unternehmen schon lange nach ISO 14001 zertifiziert, arbeitet mit den UN-Nachhaltigkeitszielen und bindet seine Lieferanten in die Nachhaltigkeitsarbeit ein.

Im Bereich Ökologie sind etwa der generell sparsame Materialeinsatz oder die Nutzung von recyceltem Material, grüne IT, Bienenkörbe und Blühwiese am Firmensitz oder die Stromtankstellen für die Hybrid-Dienstwagen vorbildlich. »Manch ein Mitarbeiter fährt den Hybrid nun gar nicht mehr mit Benzin, weil er auf dem Betriebsgelände aufladen kann«, sagt Binderberger.

Im sozialen und im Governance-Bereich setzt Leicher zum Beispiel auf digitale Planung in der Kantine, sodass kaum noch Lebensmittel weggeworfen werden müssen. Das Unternehmen ist aktiv im betrieblichen Gesundheitsmanagement und für mehr Familienfreundlichkeit, engagiert sich über die Geschäftsführung ehrenamtlich für mehr Nachhaltigkeit.

Warum auch die CSR-Berichterstattung für das Unternehmen Sinn ergibt? »Kunden, Partner, Mitarbeiter und Bewerber, ebenso wie Banken wollen dokumentiert sehen, wie nachhaltig wir agieren. Über die Berichte sind wir sofort sprechfähig. Davon abgesehen: Wir werden sensibler, sehen ökologische und soziale Risiken früher, generieren aber auch neue Geschäftschancen schneller und finden besser Verbündete und Mitarbeiter.«

Wie die Steelcase AG vorgeht, siehe Kasten am Textende

Wie sieht der Zeitplan aus?

Die betroffenen Unternehmen starten zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit der Berichtspflicht. Ab 2025 müssen für das Geschäftsjahr 2024 all jene nach CSRD berichten, die jetzt bereits dem CSR-RUG unterliegen. 2026 stoßen für das Geschäftsjahr 2025 die Unternehmen ab 250 Beschäftigten dazu. Ab 2027 sind für das Geschäftsjahr 2026 dann auch börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit mehr als zehn Mitarbeitern in der Pflicht.

Was muss der Bericht enthalten?

Unternehmen müssen zu ökologischen und sozialen Themen sowie zur Unternehmensführung berichten, also zu den sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance). Zudem müssen sie darlegen, dass ihre Geschäftstätigkeit mit der EU-Taxonomie, der grünen Klassifizierung von Investitionen, konform geht. Zugleich haben sie die Auswirkungen des eigenen wirtschaftlichen Handelns auf Umwelt und Menschen zu beschreiben sowie umgekehrt die Risiken, die etwa Umweltveränderungen für das Unternehmen zeitigen können (doppelte Materialität beziehungsweise Inside-out-/Outside-in-Perspektive).

130 Kriterien in der Diskussion

Die konkreten Berichtsstandards, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), werden derzeit von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt. Dabei werden die Kriterien bestehender Standards wie die der Global Reporting Initiative (GRI) mit einbezogen. Aktuell sind rund 130 Kriterien in der Diskussion. Die Unternehmen müssen den CSRD-Bericht zwingend in den Lagebericht integrieren. Zudem muss ihn ein externer Wirtschaftsprüfer prüfen.

Auf die neuen Vorschriften sollten sich nicht nur direkt betroffene Unternehmen vorbereiten. »Über Lieferketten und Partnerschaften werden auch viele nicht berichtspflichtige Betriebe in die Mitverantwortung geraten. Ihre direkt betroffenen Auftraggeber und Kunden werden die Vorgaben durchreichen«, ist Experte Bassen überzeugt.

Glaubwürdigkeit durch externe Prüfung

Ein bislang noch schwer kalkulierbarer Punkt seien die aktuell 130 Kriterien, zu denen berichtet werden muss. Bassen, der selbst EFRAG-Mitglied war, betont: »Die EFRAG arbeitet daran, den Katalog auf ein überschaubares Maß zu reduzieren und ihn praxisnah zu gestalten.« Die vorgeschriebene externe Prüfung hält er für vorteilhaft: »Eine Prüfung stärkt die Glaubwürdigkeit der Unternehmen, macht die Umsetzung effizienter und ist daher für die Unternehmen durchaus zielführend.«

Viel Zeit bleibt den Firmen zur Vorbereitung nicht. »Insbesondere die neu betroffenen Betriebe sollten zügig eine Bestandsaufnahme machen und ihre externen Prüfer ins Boot holen«, rät CSR-Fachfrau Henrike Purtik von der IHK für München und Oberbayern. Die IHK werde sich dafür einsetzen, dass die Kriterien handhabbar bleiben und bestenfalls Verknüpfungen mit in KMU bereits oftmals angewandten Instrumenten des Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagements (wie zum Beispiel EMAS, (siehe "Nachhaltigkeit punktet") hergestellt werden. Zudem werde sie wie der Nachhaltigkeitsrat mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex und die EU den Unternehmen Tools zur Unterstützung der Berichterstattung bereitstellen. »Bei allem Aufwand – Unternehmen sichern sich über die Berichterstattung auch ihre Zukunft«, urteilt Experte Bassen.

»Doppelte Materialität stärkt Risikoabfederung«

»Die doppelte Materialität stärkt ihre Risikoabfederung. Zudem müssen sie ihre Nachhaltigkeit im Sinne der EUOffenlegungsverordnung gegenüber den Banken belegen.« Außerdem würden auch Kunden wie Beschäftigte mehr und mehr Wert darauf legen, dass Unternehmen ökologische wie soziale Verantwortung übernehmen. Bassen: »Wer über seine Aktivitäten berichtet, macht sich als attraktiver Partner sichtbar.«

IHK-Service zu Nachhaltigkeitsberichterstattung

Weitere Informationen auf der Webseite der IHK zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und ein Erklärvideo des Rats für nachhaltige Entwicklung zu diesem Thema.

Steelcase: Anspruchsvolle Ziele erreichen

Die Steelcase AG in München, deutsche Tochter der US-amerikanischen Steelcase Inc, sei auf die neuen Vorgaben gut vorbereitet, sagt Marie-Luise Martin (35), Senior Sustainability Consultant bei dem Büromöbelhersteller. »Wegen unserer amerikanischen Mutter sind wir gegebenenfalls nicht verpflichtet, nach CSRD zu berichten. Allerdings schreiben wir ohnehin konzernweit seit über zehn Jahren Nachhaltigkeitsberichte.« Steelcase beschäftigt weltweit mehr als 12.000 Mitarbeitende. Den ersten Umweltingenieur stellte es in den 1960er-Jahren ein, heute sind es mehr als 35 im globalen Nachhaltigkeitsteam.

Im Bereich Umwelt wurde zwischen 2010 und 2020 der CO2 -Ausstoß an den eigenen Werks- und Bürostandorten um 34 Prozent reduziert – mehr als geplant. Bis 2030 sollen bei eigenen Prozessen erneut 50 Prozent CO2 im Vergleich zu 2020 eingespart werden. »Das ist anspruchsvoll und fordert alle Betriebsteile heraus«, sagt Martin. Das Unternehmen hat etwa im Rosenheimer Werk Solaranlagen, ein Blockheizkraftwerk und LED im Einsatz und realisiert verschiedene Energieeffizienzmaßnahmen.

Im sozialen Bereich arbeiten die Beschäftigten in aller Welt mit Bürgerinitiativen vor Ort zusammen und setzen sich für gesellschaftliche Belange ein. In Oberbayern unterstützen sie etwa die Initiative Eigenleben, die ältere Mitbürger mit jüngeren Generationen vernetzt. Auch Inklusion und Gleichstellung stehen ganz oben auf der Liste.

»Dass wir mit unseren Zielen so gut vorangekommen sind, liegt auch daran, dass wir berichten«, ist Martin überzeugt. »Wir sammeln für die Berichte Daten, wissen immer, wo wir stehen, und können die Ziele erweitern.« Außerdem helfe die Berichterstattung, Gefahren wie etwa die Folgewirkungen des Klimawandels besser zu erkennen und aufzufangen.

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