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Nachhaltigkeit punktet

Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan ©
Staatsbrauerei Weihenstephan – Kunden und Gesellschafter fordern Nachhaltigkeitsnachweise ein

Unternehmen haben die Zeit der Coronakrise genutzt, um das Umweltmanagementsystem EMAS einzuführen. Drei sehr unterschiedliche Firmen aus Oberbayern schildern, wie sie dabei vorgingen, welche Erfahrung sie machten und welche Vorteile sie sehen.

EVA MÜLLER-TAUBER, Ausgabe 10/2022

Manchmal braucht es nur einen kleinen Impuls, um wegweisende Entwicklungen anzustoßen. Diese Erfahrung machte im vergangenen Sommer Christian Kalteis (42), Vertriebschef bei der S.E. System Electronic GmbH in Halfing im Landkreis Rosenheim. Während der Verhandlungen mit einem Händler in Hamburg fragte ihn der potenzielle neue Geschäftspartner zu den Aktivitäten seines Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit.

Für S.E. als Produzent langlebiger, möglichst energieeffizienter Infrarotheizstrahler besaß das Thema zu diesem Zeitpunkt intern einen hohen Stellenwert. Es gab unter anderem schon einen Nachhaltigkeitsplan und umfangreiche Vorkehrungen, um CO2 einzusparen. »Allerdings hatten wir das bis dato nie nach außen kommuniziert«, so Kalteis.

»Bei EMAS geht es um Selbstreflexion«

Um das zu ändern und alle bereits im Betrieb vorhandenen ökologischen Nachhaltigkeitsinformationen und -aktivitäten zu systematisieren, plante die Firma ein Umweltaudit. Schnell kristallisierte sich EMAS, das »Eco Management and Audit Scheme«, als passendes Umweltmanagementsystem heraus. »Dabei gab es auch kritische Stimmen«, sagt Kalteis. Ob es zum Beispiel sinnvoll sei, als Arbeitgeber von nur rund 20 Mitarbeitern gerade in der Coronazeit ein so komplexes System zu implementieren? Ein System, das sehr viel Transparenz erfordert, Zeit und Geld kostet und personelle Ressourcen bindet. Die Geschäftsleitung entschied sich dennoch dafür. »Denn bei EMAS geht es um Selbstreflexion und darum, wie ein Unternehmen, abgestimmt auf seine Möglichkeiten, im Detail nachhaltiger handelt und wirtschaftet sowie langfristig Ressourcen einspart«, erklärt Kalteis.

Auch finanzielle Vorteile

Um den CO2 -Fußabdruck zu verkleinern, stellte der Mittelständler die Heizungsanlage von Öl auf Hackschnitzel um, wechselte von Luft- auf Schienenfracht und kaufte einen Elektrostapler. Bis Ende 2026 will das Familienunternehmen seinen Kohlendioxid-Ausstoß auf 25 Tonnen je 500.000 Euro Umsatz reduzieren. »Unsere CO2 -Einsparungen und EMAS gesamt zahlen sich für uns auch finanziell aus, sie tragen dazu bei, vollzogene oder geplante Maßnahmen zu refinanzieren«, freut sich Kalteis. Und nicht nur das:

Auftrag über eine halbe Million Euro dank EMAS

»Weil wir EMAS-zertifiziert sind, einen Nachhaltigkeitsbericht mit integrierter Umwelterklärung vorlegen konnten, sind wir vor Kurzem bei der Vergabe eines Auftrags mit einem Volumen von rund einer halben Million Euro in die engere Auswahl gekommen und konnten uns letztendlich gegen alle anderen Wettbewerber erfolgreich durchsetzen.«

Überblick über relevante Kennzahlen

S.E. System Electronic ist ein Beispiel dafür, dass sich zielgerichtete Investitionen in Nachhaltigkeit auch in schwierigen Zeiten rentieren. »EMAS als international anerkanntes Umweltmanagementsystem hilft den Betrieben dabei, weil sie damit das Thema systematisieren, Transparenz schaffen und so einen Überblick über ihre relevanten Kennzahlen bekommen.

Sie sehen so genau, wo sie ansetzen müssen«, sagt EMAS-Expertin Susanne Kneißl-Heinevetter von der IHK für München und Oberbayern. »So können sie sich besser aufstellen und der Nachhaltigkeitsberichterstattung leichter nachkommen, zu der ab 2024 immer mehr Unternehmen verpflichtet sind.«

Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan in Freising ist zwar noch nicht berichtspflichtig, weil sie mit Umsatz- und Belegschaftsgröße unter den Schwellenwerten bleibt (zur Nachhaltigkeitsberichtspflicht siehe Artikel "Pflicht zum Bericht"). »Dennoch wollten wir das Thema von uns aus aktiv angehen«, erläutert Brauereidirektor Josef Schrädler (59).

Nachhaltigkeitsbericht für Kunden zunehmend wichtig

Zum einen, weil das Unternehmen schon lange eine nachhaltige Firmenpolitik verfolge. Dies ist mit der Veröffentlichung der ersten Umwelterklärung, die bereits soziale Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt, nun auch offiziell. Zum anderen gelte es, den verschiedenen Anspruchsgruppen wie dem Freistaat Bayern sowie den Kunden gerecht zu werden, die eine solche Erklärung zunehmend einforderten.

Vorteil Benchmarkanalyse

Im Sommer 2020 machte sich das Team um Qualitätsmanagerin Sina Fürlauf (29) erstmals intensiv Gedanken, welches Umweltmanagementsystem geeignet sein könnte. Das Team entschied sich für EMAS, da dies eine Benchmarkanalyse ermöglicht. »Jeder sieht, wo er steht, und muss sich verpflichten, in seiner Umweltleistung kontinuierlich besser zu werden«, erklärt Brauereidirektor Schrädler.

Ein Jahr lang sichtete Qualitätsmanagerin Fürlauf mit den Abteilungsleitern die umfangreichen Daten (Wie hoch ist der Papierverbrauch? Wie viele Elektrostapler gibt es? Etc.). Sie bereitete die Fakten auf, sammelte und dokumentierte Ideen für Einsparpotenziale aus der gesamten Belegschaft. Selbst kleinere Vorschläge wurden berücksichtigt, etwa wie sich Reinigungsmittel einsparen oder die Digitalisierung des Posteingangs weiter verbessern lässt.

Berater helfen

»Um so ein Projekt wie EMAS erfolgreich und glaubhaft umzusetzen, müssen alle Mitarbeiter aktiv einbezogen werden«, betont der Brauereidirektor. Die EMAS-Verantwortliche Fürlauf rät außerdem zumindest größeren Unternehmen zu einem Berater, der durch das Projekt begleitet. »Schließlich ist die Norm recht umfangreich.«

EMAS-Implementierung statt Kurzarbeit

Um das Arbeitspaket, das mit der EMAS-Einführung verbunden ist, anzugehen, nutzte auch die Fuchsbräu Hotel GmbH in Beilngries den Leerlauf während der Coronaeinschränkungen. »Wegen des wiederholten Lockdowns waren unsere Mitarbeiter an unseren beiden Standorten nicht ausgelastet, also haben wir sie im Herbst verstärkt in den Prozess der EMAS-Implementierung eingebunden, statt sie erneut länger in Kurzarbeit zu schicken«, sagt Denise Amrhein (52), Chefin von 50 Vollzeitbeschäftigten.

Als Diplomkaufleute und mit der Belegschaft im Rücken trauten sie und ihr Mann Christian es sich zu, das Sonderprojekt eigenständig durchzuziehen: »Schließlich ging es für unser nachhaltig orientiertes Familienunternehmen, das in Generationen denkt, vor allem darum, unsere umfangreichen Aktivitäten strukturiert zu dokumentieren und weitere Maßnahmen und Ziele im Umweltschutz zu formulieren.« Unterstützung holten sich die Amrheins beim Umweltbeauftragten einer befreundeten Brauerei, die den EMAS-Implementierungsprozess bereits vor längerer Zeit erfolgreich bewerkstelligt hatte.

Workshops für konkrete Maßnahmen

Dazu nutzten sie das umfangreiche Material, das es zum Thema gibt, wie etwa den EMAS-Kompass des Bayerischen Umweltamts. In mehreren internen Umweltworkshops erarbeitete das Unternehmerpaar mit den leitenden Mitarbeitern konkrete Umweltziele und Maßnahmen für die einzelnen Bereiche. Sie schafften etwa eine Müllwaage an, um die anfallenden Abfallmengen noch besser bestimmen und in der Folge reduzieren zu können.

»Parallel dazu haben wir im Thekenbereich und in den Hausdamenstationen zusätzliche Abfallbehälter zum Trennen eingeführt«, so Amrhein. Auch sensibilisierten sie beispielsweise die Reinigungskräfte dafür, bei jedem Zimmerwechsel die Heizung herunterzudrehen und die Fenster zu schließen, um den Energieverbrauch zu reduzieren.

»Hat uns noch weiter zusammengeschweißt«

Innerhalb von nur vier Monaten meisterte das Unternehmen die EMAS-Implementierung. »Das hat uns noch weiter zusammengeschweißt«, freut sich die Hotelchefin, die auch schon positive Rückmeldungen auf die Zertifizierung erhalten hat.

Hinweis »EMAS-zertifiziert« als Wettbewerbsvorteil

»Viele Firmen legen mittlerweile verstärkt Wert auf Nachhaltigkeit, und so gab unter anderem der Hinweis ›EMAS-zertifiziert‹ in unserem Angebot kürzlich den Ausschlag dafür, dass wir eine größere Veranstaltung für einen Konzern ausrichten durften.« Im Sommer hat das Unternehmen die ersten Energieeffizienzinvestitionen umgesetzt, unter anderem eine Spannungsoptimierungsanlage und eine Photovoltaikanlage auf den Dächern der Hotelgebäude eingerichtet.

IHK-Service zu EMAS

Informationen zu EMAS inklusive Leitfaden gibt es auf der EMAS-Website der IHK.

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