Fachkräfte | Standortpolitik

Fachkräfte aus aller Welt

peopleimages.com/Adobe Stock ©
Verstärkung fürs Team – motivierte Fachkräfte aus dem Ausland

Wenn Unternehmen Stellen nicht besetzen können, können Mitarbeitende aus Nicht-EU-Staaten die Lösung sein. Die neuen Regeln für die Zuwanderung erleichtern das Recruiting. Worauf es bei Suche und Integration ankommt.

Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 11-12/2023

Erfahrung mit internationalen Fachkräften besitzt Giesecke+Devrient (G+D) reichlich: Rund 50 Prozent der Bewerbungen auf Stellenausschreibungen kommen bei dem Unternehmen für Sicherheitstechnologie mittlerweile aus dem Ausland. „Deutschland gilt international nach wie vor als ein attraktives Land für Fachkräfte“, sagt Personalleiterin Jutta Häusler.

„Zudem ist natürlich auch unser Unternehmen für Bewerber aus dem Ausland interessant – nicht zuletzt, weil wir weltweit tätig sind.“ G+D ist mit 123 Tochtergesellschaften und Gemeinschaftsunternehmen in 40 Ländern vertreten und beschäftigt rund 14.500 Mitarbeitende, am Hauptsitz in München sind es mehr als 2.500. Davon wiederum stammen rund 10 Prozent aus Drittstaaten, also aus Ländern außerhalb der Europäischen Union.

Recruiting weltweit und zweisprachig

Auf eine spezielle Kampagne zur Anwerbung internationaler Fachkräfte verzichtet G+D. Offene Stellen schreibt das Unternehmen auf seiner Karrierewebsite, auf internationalen Social-Media-Plattformen wie LinkedIn und auf großen Jobportalen aus – in der Regel zweisprachig, in Deutsch und in Englisch, wie Personalleiterin Häusler betont. „Darüber hinaus haben wir in vielen Ländern starke Netzwerke, sodass wir als Arbeitgeber weiterempfohlen werden. Das spielt eine große Rolle beim Recruiting.“

Während des gesamten Bewerbungsprozesses und nicht nur in den Stellenausschreibungen glaubwürdig darzustellen, dass G+D ein inklusives, englischsprachiges Umfeld bietet und international geprägt ist, hält die Personalleiterin ebenfalls für sehr wichtig.

Die Vorstellungsgespräche mit Bewerbern aus dem Ausland führt das Unternehmen über Videocalls. „Im günstigsten Fall haben geeignete Kandidatinnen und Kandidaten bereits Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen für einen Job in Deutschland beantragt“, so Häusler. „In den meisten Fällen jedoch unterstützen wir dabei.“

Bürokratie vergrault Bewerber

Dabei kommt es auf schnelle und reibungslose Abläufe an. „Denn der internationale Bewerbermarkt für Hochqualifizierte, aus dem wir Mitarbeitende rekrutieren, ist sehr herausfordernd“, sagt die Personalleiterin. Eine lange Zeitspanne zwischen Beantragung und Erteilung von Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis sei ungünstig. „Dadurch können wir gute Bewerber verlieren. Es gibt schließlich andere Länder, in denen der Visumsprozess leichter ist und die ebenfalls sehr beliebt sind, wie etwa Kanada, Australien, Schweden.“

Mitunter gab es auch Fälle, in denen die Behörden Anträge ablehnten, berichtet Häusler. Sie erinnert sich an eine hochqualifizierte IT-Expertin aus einem Drittstaat, die G+D nicht einstellen konnte. Der Grund: Die Kandidatin hatte ein Jurastudium absolviert und damit durfte sie in Deutschland nicht als IT-Spezialistin arbeiten.

FEG-Novelle eröffnet neue Chancen

Solche Fälle sollte es künftig nicht mehr geben. Mit der Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) sind solche Beschränkungen außer Kraft gesetzt. Und auch bei einigen anderen Themen wird die Rekrutierung von Mitarbeitenden aus dem Ausland leichter. Die IHK berät dazu und zu vielen weiteren Fragen rund um Recruiting und Integration.

Große Übersicht zu IHK-Services hier

Die Novellierung des FEG besteht aus mehreren Teilen, die ab November 2023 nach und nach in Kraft treten. Wichtige Neuerungen sind:

  • Für die Einreise einer Fachkraft ist es ausreichend, wenn für diese ein Arbeitsangebot sowie eine in Deutschland anerkannte Berufsqualifikation vorliegen. Neu ist, dass jede Qualifikation befähigt. Wer also eine qualifizierte Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss vorweisen kann, ist bei der Jobsuche nicht auf Beschäftigungen beschränkt, die in Verbindung mit dieser Ausbildung stehen.

  • Ebenfalls seit November gelten wichtige Erleichterungen bei der Blauen Karte EU für Akademiker. Hier wird das Mindestgehalt deutlich reduziert. Es muss nur noch 50 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (BBG RV), aktuell rund 43.800 Euro, betragen. In Engpassberufen sowie für Berufsanfänger müssen Unternehmen lediglich mindestens 45,3 Prozent der BBG RV als Gehalt zahlen (aktuell 39.683 Euro).
Jetzt nicht nur für Studierte: Blue Card EU
  • Künftig können auch IT-Spezialisten ohne Hochschulabschluss eine Blaue Karte EU erhalten, wenn sie für mindestens 3 Jahre eine vergleichbare Berufserfahrung nachweisen können. Auch hier gilt die niedrigere Gehaltsschwelle für Engpassberufe (45,3 Prozent der BBG RV). Zudem wurde die Liste der Engpassberufe, die für eine Blaue Karte EU infrage kommen, erweitert.

  • Ab März 2024 tritt eine weitere wichtige Neuerung in Kraft, die 2+2-Regelung: Fachkräfte mit einem im Herkunftsland staatlich anerkannten, mindestens zweijährigen Berufs- oder Hochschulabschluss und einer mindestens zweijährigen Berufserfahrung im angestrebten Beruf können ohne eine vorherige Anerkennung ihrer Berufsqualifikation einreisen, sofern sie ein Mindestgehalt von 45,3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung verdienen. Bei Tarifunternehmen gelten Ausnahmen. Die Regelung gilt für alle Branchen, aber nur für nicht reglementierte Berufe.
Auch neu: Anerkennungspartnerschaft …
  • Ebenfalls ab März 2024 wird die Einreise und Beschäftigung im Rahmen einer Anerkennungspartnerschaft möglich sein. Ausländische Fachkräfte können einreisen und hier als Fachkraft arbeiten, sofern sich Fachkraft und Arbeitgeber verpflichten, nach der Einreise die Anerkennung zu beantragen und das Verfahren aktiv zu betreiben.
    Grundvoraussetzungen für die Anerkennungspartnerschaft sind ein Arbeitsvertrag, das Vorliegen einer mindestens zweijährigen, im Herkunftsland anerkannten Berufsqualifikation oder ein Hochschulabschluss sowie deutsche Sprachkenntnisse auf Niveau A2.

  • Ab März 2024 können Unternehmen zudem mithilfe einer kontingentierten Beschäftigung Drittstaatsangehörige auch unabhängig von ihrer Qualifikation in Deutschland für maximal 8 Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Die Bundesagentur für Arbeit legt das Kontingent fest.
… und Chancenkarte
  • Ab Juni 2024 startet die sogenannte Chancenkarte, die zu einem Aufenthalt in Deutschland von bis zu 12 Monaten zur Jobsuche berechtigt. Für die Chancenkarte müssen 6 Punkte erzielt werden aus den Kriterien Qualifikationen, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug sowie Potenzial der mitziehenden Lebens- oder Ehepartner. Sie bietet während des Aufenthalts in Deutschland die Möglichkeit zur Probearbeit oder zur Nebenbeschäftigung von bis zu 20 Stunden pro Woche.
IHK berät zur Berufsanerkennung

Überall dort, wo eine Anerkennung des ausländischen Berufsabschlusses weiter notwendig ist oder für sinnvoll erachtet wird, gilt: „Das Verfahren ist sehr komplex“, so Viktoriia Shuliak, Referentin Berufsanerkennung bei der IHK für München und Oberbayern. Shuliak empfiehlt Unternehmen daher, die kostenfreien Beratungsangebote der IHK wahrzunehmen, die es zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse gibt.

Damit Mitarbeitende aus Drittstaaten schneller ihre Beschäftigung in Deutschland aufnehmen können, gibt es die Möglichkeit des beschleunigten Fachkräfteverfahrens. Gegen eine Gebühr von 411 Euro werden das Anerkennungsverfahren und auch das Visumverfahren in verkürzter Zeit durchgeführt. „Es gelten jedoch die gleichen Kriterien für die Anerkennung“, sagt Shuliak. „Das beschleunigte Fachkräfteverfahren ist also keine Garantie dafür, dass ausländische Berufsabschlüsse anerkannt werden.“ Auch hier berät die IHK kostenfrei.

Recruiting vor Ort: AHKs unterstützen

So wichtig die Formalien rund um Arbeitsgenehmigung und Aufenthaltstitel auch sind: Bevor Unternehmen sie in Angriff nehmen können, müssen die Firmen erst einmal geeignete Bewerber finden. Keine einfache Aufgabe für ein mittelständisches Unternehmen, wenn es damit noch keine Erfahrungen hat.

Elfriede Kerschl, Leiterin des Referats Fachkräftesicherung, Arbeitsmigration und Business Women IHK, empfiehlt Firmen, systematisch vorzugehen – von der Personalbedarfsanalyse und -planung über die Erstellung eines Anforderungsprofils bis zur Zielgruppenanalyse mit Festlegung des Ziellands. Unternehmen sollten die Stellenausschreibung idealerweise in der Sprache des Ziellands oder zumindest auf Englisch formulieren und auf internationalen Jobportalen veröffentlichen. Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit sowie die Außenhandelskammern unterstützen Firmen bei der Veröffentlichung solcher Stellenofferten.

Anwerbeprojekt „Hand in Hand“

Ein weiteres Angebot ist das Anwerbeprojekt „Hand in Hand for International Talents“, bei dem die IHK für München und Oberbayern Projektpartner ist. Emilia-Luisa Roloff, Recruiterin im Hotel Bayerischer Hof in München, hat damit gute Erfahrungen gemacht. „Die Unterstützung durch die IHK – von der Organisation der digitalen Vorstellungsgespräche bis hin zum Visumsprozess und zu Deutschkursen – war sehr gut“, sagt sie. „Wir erhielten daraufhin einige Bewerbungen und im Herbst 2023 konnten 2 vietnamesische Servicekräfte bei uns starten.“

Wohnung, Sprachkurse, Mitarbeiterevents

Die beiden sind längst nicht die einzigen Fachkräfte aus dem Ausland im Bayerischen Hof: „Wir sind ein sehr internationales Haus und beschäftigen Mitarbeitende aus 62 verschiedenen Nationen“, sagt Roloff. Um den neuen Kollegen aus dem Ausland das Einleben zu erleichtern, organisiert das Unternehmen Deutschkurse und Mitarbeiterevents. „Auch die Möglichkeit, in einem unserer Wohnheime unterzukommen, hilft“, fügt Roloff hinzu.

Erfahrungsbericht zum Gewinnen und Halten ausländischer Azubis hier.

Interkulturelle Trainings für Führungskräfte

Giesecke+Devrient legt ebenfalls großen Wert auf die Integration von Mitarbeitenden aus dem Ausland. „Mit Onboarding-Veranstaltungen sorgen wir nicht nur für die erste Orientierung, sondern fördern auch die Bildung von New-Joiner-Communities“, sagt Personalleiterin Häusler. Über einen externen Dienstleister bietet G+D zudem Unterstützung rund um Behördengänge, Wohnungssuche, die Eröffnung von Bankkonten und die Anmeldung von Kindern in passenden Schulen. Mitunter gibt es auch Hilfe, wenn Ehepartner von neuen Mitarbeitenden einen Job suchen. Der wichtigste Teil der Integration, so Häusler weiter, finde jedoch auf Teamebene statt. „Daher bieten wir für alle Führungskräfte und Mitarbeitenden interkulturelle Trainings.“

Willkommenskultur leben

Auf die Frage, was die Integration von Mitarbeitenden aus dem Ausland darüber hinaus noch erleichtern könnte, kommt Häuslers Antwort prompt: „Eine bessere allgemeine Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte und deren Familien wäre sehr, sehr hilfreich.“

Umfassende IHK-Services zur Integration von Fachkräften hier

Verwandte Themen