„Das Herz des Handels bleibt das Sortiment“

Worin besteht der entscheidende Unterschied zwischen Kaufhaus und Warenhaus? Warum haben gerade inhabergeführte Kaufhäuser auch künftig gute Chancen? Handelsexperte Gerrit Heinemann gibt Antworten.
Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 07-08/2023
Herr Heinemann, es gibt sie ja durchaus noch, die erfolgreichen Kaufhausunternehmen, wie etwa das Kaufhaus Rid in Weilheim. Was machen sie besser als etwa die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH?
Grundsätzlich gilt: Ein Warenhaus hat den Anspruch, ein Universalist zu sein und nahezu alle Warengruppen in einem Haus zu führen. Von ihm erwarten die Kunden quasi die ultimative Auswahl. Allerdings kann selbst ein sehr großes Warenhaus kaum mehr als 200.000 verschiedene Artikel führen. Im Vergleich zum Amazon-Marktplatz, auf dem rund 500 Millionen Artikel angeboten werden, ist das relativ wenig. Dagegen handelt es sich bei den heute noch existierenden Kaufhäusern meist um lokale Bekleidungs- und Modehäuser mit arrondierenden Sortimenten wie Sportartikeln, Spielwaren oder Lebensmitteln. Sie sind eben keine Universalisten, sondern spezialisieren sich auf Warengruppen – unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden vor Ort.
Was ist heute und in Zukunft wichtig für den Erfolg eines Kaufhauses?
Viele erfolgreiche Häuser werden maßgeblich geprägt durch die Persönlichkeiten ihrer Inhaberinnen und Inhaber, die häufig noch selbst im Laden stehen, ihre Kunden und deren Bedürfnisse persönlich kennen. Auch künftig wird das Sortiment das Herz des Handels bleiben.
Weiterlesen: Portrait von Deutschlands ältestem, inhabergeführtem Kaufhaus – in Weilheim
Hier eröffnet sich für Kaufhäuser die Riesenchance, nicht austauschbar zu sein, indem sie auf besondere, ja kuratierte Sortimente setzen. Mit Produkten, die es nur bei ihnen gibt und die nicht vergleichbar sind. Dann kommen die Kunden in die Häuser und halten auch damit verbundene Unbequemlichkeiten aus. Das gelingt durch Kooperationen mit Manufakturen und Handwerkern, sofern vertikale Strukturen mit eigenem Sortiment nicht möglich sind. Dass es also keine Zwischenstufe zwischen Produzent und Handel gibt – wie etwa bei IKEA – oder der Händler direkt selbst produziert.
Benötigen Kaufhäuser einen eigenen Onlineshop?
Nicht unbedingt, aber sie müssen über ein digitales Schaufenster verfügen und auch auf den Social-Media-Plattformen vertreten sein, wo sich die Menschen heute tummeln. Nicht zu vergessen: Kunden erwarten Serviceleistungen, sowohl stationär als auch online. Daher kann ein Lieferservice durchaus sinnvoll sein.
Mit Kundenkarte punkten
Darüber hinaus halte ich professionelles Onlinemarketing nach allen Regeln der Kunst, eine Re-Allokation der Marketingbudgets sowie eine gut funktionierende Kundenkarte für extrem wichtig. Auf Hochglanzprospekte und Printwerbung kann man verzichten.
Wie unterscheiden sich die Anforderungen an Kaufhäuser in Ballungsräumen und in kleineren Städten?
Ich würde hier eher die Metropolstandorte hervorheben, von denen es in Deutschland maximal fünf gibt: Hier haben große Warenhäuser mit eher hochwertigen Sortimenten, die auch auf Touristen abgestimmt sind, durchaus eine Überlebenschance – wie Dinosaurier im „Jurassic Park“.
Kaufhäuser, die es verstehen, sich auf die regionalen und lokalen Bedürfnisse auszurichten, haben auch künftig alle Möglichkeiten – unabhängig davon, ob sie sich in Groß-, Mittel- oder Kleinstädten befinden.