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Klare Spielregeln

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Digitaler Marktplatz – für kleinere Anbieter gibt es Erleichterungen

Auf Onlineplattformen will die EU für mehr Fairness und Transparenz sorgen. Was sich für Anbieter ändert. Und wie kleinere Unternehmen und Händler profitieren.

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 06/20

Schon vor der Coronakrise waren digitale Vertriebskanäle für die meisten Händler unverzichtbar: Viele nutzen neben dem eigenen Webshop vor allem Onlineplattformen, um ihre Waren und Dienstleistungen zu verkaufen. Bei einer Eurobarometer-Umfrage des Europäischen Parlaments gaben bereits 2017 mehr als 40 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) an, auf digitale Vermittler zu setzen. Im Zuge der Krise dürften es noch deutlich mehr geworden sein.

Doch die Geschäftsbeziehungen gerade mit den großen Plattformbetreibern gestalten sich für KMU mitunter schwierig. Schließlich besitzen die Konzerne als Vermittler zwischen Unternehmen und Kunden eine ungeheure Marktmacht. So lief bis Juli 2019 ein Missbrauchsverfahren des Bundeskartellamts gegen den US-Konzern Amazon. Dabei standen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen gegenüber Händlern auf dem deutschen Marktplatz des Konzerns auf dem Prüfstand. Beanstandet wurden bestimmte Haftungsregeln zulasten der Händler, einbehaltene oder verzögerte Zahlungen sowie intransparente Kündigungen und Sperrungen von Konten.

Neues Regelwerk »zur Förderung von Fairness und Transparenz«

Fast 50 Prozent der europäischen Unternehmen, die auf Plattformen tätig sind, kämpfen mit Schwierigkeiten, ergab eine Untersuchung der EU-Kommission: 38 Prozent der Probleme in den vertraglichen Beziehungen bleiben ungelöst, 26 Prozent lassen sich nur schwer beheben. In der Folge gingen bei den Verkäufen unmittelbar schätzungsweise 1,27 bis 2,35 Milliarden Euro verloren. Die EU will nun klare Spielregeln schaffen und dabei die großen Vorteile von Onlineplattformen erhalten. Sie hat dazu im vergangenen Jahr ein neues Regelwerk »zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Onlinevermittlungsdiensten« verabschiedet: die Platform-to-Business-Verordnung (P2B-VO). Ab dem 12. Juli 2020 gilt sie direkt in allen Mitgliedsstaaten, sie muss nicht erst in jeweiliges nationales Recht umgesetzt werden.

Gegen die Übermacht der großen Betreiber

Die Verordnung sieht EU-weite Transparenzpflichten für die Betreiber von Onlineplattformen und -suchmaschinen sowie Rechtsbehelfsmöglichkeiten für digitale Händler und andere Nutzer von digitalen Vermittlerdiensten vor. »Die P2B-VO ist ein wichtiger Schritt in Richtung faires und vor allem transparenteres Geschäftsumfeld für Onlinehändler, die über Plattformen verkaufen, insbesondere für die kleineren, die sich der Übermacht der großen Betreiber oft hilflos ausgesetzt sehen; die neuen Regeln schaffen Klarheit und Rechtssicherheit«, sagt Carla Kirmis, Referentin E-Commerce bei der IHK für München und Oberbayern.

Verstoß gegen neue AGB-Vorgaben macht Klausel nichtig

Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin sieht man das ähnlich. »Die Verordnung gibt Onlinehändlern neue Möglichkeiten an die Hand, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Bisher hatten sie in solchen Fällen wenig Handhabe für Gegenwehr. Das könnte sich jetzt ändern«, sagt Hildegard Reppelmund, Referatsleiterin Wettbewerbsrecht beim DIHK. »Erfreulicherweise wurde auch unsere Anregung aufgenommen, dass ein Verstoß gegen die neuen Vorgaben der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) direkt zur Nichtigkeit einer entsprechenden Klausel führt und nicht erst ein Gericht eine solche AGB-Klausel für ungültig erklären muss.«

Zudem sieht die Verordnung einige Erleichterungen für kleinere Plattformbetreiber mit weniger als 50 Mitarbeitern und einem Umsatz von weniger als zehn Millionen Euro vor: Sie müssen kein internes Beschwerdemanagement einführen und auch keine außergerichtliche Streitbeilegung in Form der Mediation vorhalten.

Gleichwohl sei nicht auszuschließen, dass der bürokratische Aufwand durch den Änderungsbedarf kleinere Vermittler wie zum Beispiel regionale Ferienwohnungsportale oder Start-ups stark belaste, warnt die DIHK-Expertin. »Auch gibt es nach wie vor zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, die in der Praxis zu Rechtsunsicherheit führen könnten.« Das gilt beispielsweise für Artikel 11 zum internen Beschwerdemanagementsystem: Die verwendeten Formulierungen wie »leicht zugänglich«, »zügig« oder »leicht verfügbar« ließen viel Spielraum für Interpretation. Reppelmund hält es daher für wichtig, dass die Verordnung wie geplant bis Anfang 2022 nochmals evaluiert wird, um gegebenenfalls nachzubessern.

Risiko Abmahnung

Die Rechtsexpertin empfiehlt Plattformbetreibern dringend, sich schnell mit den neuen Vorgaben auseinanderzusetzen. Die Unternehmen müssen schließlich nicht nur ihre AGB anpassen, sondern auch den neuen Informationspflichten gerecht werden. »Aufwendig wird es zudem sein, das interne Beschwerdemanagementsystem und die außergerichtliche Streitbeilegung durch Mediatoren auf den Weg zu bringen«, so Reppelmund. Und wer die Vorgaben der Verordnung nicht rechtzeitig erfüllt? »Der riskiert, abgemahnt zu werden«, warnt die Juristin. »Außerdem werden Händler bei der Auswahl von Plattformen wohl vermehrt darauf achten, wie die jeweilige Plattform mit ihnen umgeht. Dabei wird auch die Erfüllung der Pflichten nach der Verordnung eine Rolle spielen.«

Zusammengefasst: PDF, Die neuen Regeln auf Online-Plattformen

Weitere Informationen der EU unter:

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