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Gut durch die Krise

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Nicht beirren lassen – in der Krise geht Liquidität vor Rentabilität

Inflation und Energiekrise bringen neue Risiken für die Liquidität. Wie Unternehmen ihre Geldflüsse kontinuierlich im Blick behalten und Engpässe meistern.

MONIKA HOFMANN, Ausgabe 01/2023

Es ist ein typischer Fall: Ein Spezialmaschinenbauer ist gut auf dem Markt positioniert. Er fühlt sich in seiner Nische sicher, die Geschäfte laufen. Doch dann tauchen neue Wettbewerber auf dem engen Markt auf. Der Mittelständler unterschätzt die Schnelligkeit der Konkurrenz und reagiert zunächst nicht. Dann brechen die Aufträge weg. Die flüssigen Mittel werden knapp, die Bank will die Kreditlinien kürzen. Der Mittelständler steckt in einer äußerst kritischen Situation. Viel zu spät hat er gemerkt, wie ernst die Lage ist.

Das Beispiel zeigt: In angespannten Zeiten ist es enorm wichtig, die Unternehmenszahlen kontinuierlich zu überwachen. Nur so können Firmen Engpässe vorab erkennen. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um Handlungsoptionen zu entwickeln. »Gerade jetzt in Krisenzeiten sollten Firmen vor allem die Liquidität permanent überwachen und die Planungen dazu aktualisieren«, rät Wolfgang Wadlinger, Krisenberater bei der IHK für München und Oberbayern.

Haftungsrisiken vorbeugen

Das oberste Ziel dabei lautet, die Zahlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. »Daher ist das kontinuierliche Controlling der Liquidität Chefsache mit höchster Priorität«, betont IHK-Krisenexperte Bernhard Eichiner. Vor allem gelte es, zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken vorzubeugen, wenn Unternehmen nicht rechtzeitig erkennen, dass Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung drohen.

Sinnvoll ist eine realistische Liquiditätsplanung aber für jedes Unternehmen zu jeder Zeit. Schließlich dient sie einerseits der eigenen Steuerung; sie erleichtert Entscheidungen, etwa über Investitionen oder Fördergelder. Andererseits ist sie eine wichtige Grundlage für Bankgespräche, Förderanträge und betriebswirtschaftliche Beratungen.

Liquidität kontinuierlich prüfen

Bei der Liquiditätsplanung geht es vor allem darum, die Entwicklung der flüssigen Mittel zu analysieren und vorauszuplanen, mindestens in einem Zeitraum von mehreren Monaten.

  • Im Rahmen der Liquiditätsplanung werden die entsprechenden Ein- und Auszahlungen an ihren jeweiligen Fälligkeitsterminen (teilweise unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Zahlungsziels) gegenübergestellt. Der Saldo spiegelt dann unter Anrechnung der Anfangssalden die Veränderung der liquiden Mittel wider und zeigt, ob die zur Verfügung stehenden Kontokorrentlinien ausreichend sind.
  • Zahlungseingänge sind aus den vorhandenen Debitorenbeständen und den Planumsätzen in die Planung aufzunehmen.
  • Diesen Einzahlungen sind alle Auszahlungen der bereits vorhandenen Kreditoren, sonstige Verbindlichkeiten sowie zukünftige Aufwendungen gegenüberzustellen. Weiterhin sind alle liquiditätswirksamen Geschäftsvorfälle (Privatentnahmen, Tilgungsraten, Investitionen etc.), die im Unternehmen anfallen, in die Liquiditätsplanung einzubeziehen.

Darauf baut dann die Prognose weiterer Szenarien auf. Dabei ist es wichtig, je nach Risikoszenario die verschiedenen Entwicklungen durchzurechnen. Denn der Plan beleuchtet nicht nur, wie sich die flüssigen Mittel im besten oder im halbwegs guten Fall, sondern auch im schlechtesten Fall entwickeln.

Schnell reagieren

Krisenphasen identifizieren

Laufen die Geschäfte schlecht, gilt es erst einmal, zu erkennen und zu akzeptieren, dass das eigene Unternehmen tatsächlich in einer Krise steckt. »Viele Geschäftsführer wollen das nicht wahrhaben«, weiß IHK-Experte Eichiner. »Firmenchefs sollten sofort klären, in welcher Krisenphase der Betrieb steckt«, ergänzt IHK-Krisenberater Wadlinger. »Denn je weiter die Krise fortgeschritten ist, desto weniger Zeit bleibt, um zu reagieren.«

  • Phase 1 – Stakeholder-Krise: Das Vertrauen in die handelnden Personen schwindet. Meist mangelt es an der Erkenntnis, dass Veränderungen im Unternehmen notwendig sind.
  • Phase 2 – Strategiekrise: Neue Erfolgspotenziale entwickelt die Firma nicht mehr, sie setzt selten Innovationen um.
  • Phase 3 – Produkt- und Absatzkrise: Die Nachfrage nach den Kernprodukten geht dauerhaft zurück.
  • Phase 4 – Ertragskrise: Infolge der Ertragskrise sinken Bonität und Gewinn. Wenn der Betrieb nicht dringend gegensteuert, lässt sich die Insolvenz nicht mehr aufhalten.
  • Phase 5 – Liquiditätskrise: Es besteht jetzt die enorm hohe und reale Gefahr der Zahlungsunfähigkeit.
  • Phase 6 – Insolvenz: Wenn die Firma zahlungsunfähig oder überschuldet ist und zum Beispiel Rechnungen oder Löhne nicht mehr bezahlen kann, muss sie Insolvenz anmelden.
Liquidität geht vor Rentabilität

Bei Engpässen gilt: Liquidität geht vor Rentabilität. Die folgenden Instrumente helfen dabei, Cash zu sichern:

Forderungsmanagement neu strukturieren

Aktives Forderungsmanagement ist jetzt unerlässlich. Dabei geht es darum, das Zahlungsausfallrisiko zu minimieren. Unternehmen sollten alle Zahlungsziele genau planen und anpassen. Jede Forderung ist konsequent – auch mit Mahnungen – zu verfolgen und auf ihr Ausfallrisiko hin zu prüfen. Am besten spielen Firmen Risikoszenarien durch, planen gegebenenfalls Abschläge ein und handeln mit Kunden neue Bedingungen wie zum Beispiel Voraus-, Abschlags- oder Zwischenzahlungen aus.

Kreditvereinbarungen prüfen

Firmen sollten ihre Banken immer frühzeitig über schwierige Lagen informieren. Das erleichtert die weiteren Verhandlungen. Ein teurer Kontokorrentkredit lässt sich zum Beispiel in ein langfristiges Darlehen mit niedrigeren Zinsen umwandeln und ausweiten, wenn nötig. Wer rechtzeitig mit den Banken über flexible Gestaltungen spricht, hat bessere Chancen, Sondervereinbarungen durchzusetzen.

Fördergelder nutzen

Unterstützen kann etwa der neue Energieliquiditätskredit der LfA Förderbank Bayern in München. Er richtet sich an Firmen, die Investitionen in Energieeffizienz planen und denen die flüssigen Mittel fehlen. Anträge auf solche und ähnliche Förderungen laufen über die Hausbank.

Kreditalternativen einsetzen

Wer seine Bankkredite um alternative Finanzierungsinstrumente wie Leasing, Factoring und Mietkauf ergänzt, diversifiziert nicht nur die Risiken, sondern steigert auch seine Liquidität. Die Instrumente stärken das Eigenkapital und sorgen für mehr flüssige Mittel.

Kosten senken

Unternehmen sollten Einsparpotenziale nutzen, vor allem bei Energie, Einkauf und Pachten. Außerdem lassen sich Vermögensteile veräußern, die nicht für den Betrieb nötig sind. Dafür bieten sich ungenutzte Maschinen an. Besonders der Verkauf von Warenvorräten bringt schnell Liquidität.

Eigenkapital stärken

Wer immer wieder Finanzmittel ins Unternehmen zurückfließen lässt oder über Firmenbeteiligungen sein Eigenkapital ausbaut, sorgt ebenfalls für Liquidität. Dabei eröffnen sich viele Möglichkeiten, die Eigenkapitalquote mit Beteiligungskapital zu steigern, etwa mithilfe von Förderbanken wie der LfA Förderbank Bayern und der Bayerischen Beteiligungsgesellschaft mbH (BayBG): Sie bieten stille Beteiligungen und eigenkapitalähnliche Mittel.

Geschäftsmodelle weiterentwickeln

Diese Möglichkeit nutzte auch der mittelständische Spezialmaschinenbauer. Er kam bei der Analyse der Lage mit IHK-Krisenberater Wadlinger zu dem Ergebnis: zu wenig Liquidität, zu wenig Eigenkapital. Das Geschäftsmodell musste außerdem weiterentwickelt und an die neuen Marktanforderungen angepasst werden.

Der Firmenchef handelte: Er ergänzte sein Angebot um zusätzliche innovative Produkte und Services. Zugleich kontaktierte er seine Bank und informierte sie über die schwierige Lage. Gemeinsam fanden sie einen Weg, mit Mezzaninekapital das Eigenkapital zu erhöhen: Eine mittelständische Beteiligungsgesellschaft ist jetzt als stille Gesellschafterin am Unternehmen beteiligt. Alle Finanzierungspartner testierten dem neuen Geschäftsmodell gute Perspektiven.

Genauso kooperativ zeigten sich im Übrigen die frühzeitig informierten Mitarbeitenden (siehe Artikel Krisenkommunikation). Betriebsrat und Gewerkschaft spielten ebenfalls mit. Seine 500-köpfige Belegschaft konnte der Unternehmer komplett halten – daran lag ihm besonders. Heute expandiert der Maschinenbauer wieder.

IHK-Service zum Krisenmanagement

Nutzwertige Informationen und Werkzeuge zu Liquiditätsplanung, Krisenmanagement sowie Krisenkommunikation gibt es auf der IHK-Website zum Krisenmanagement. Dort finden sich unter »Downloads« auch der »Quick-Check Krisenfrüherkennung« und das Merkblatt »9 Kennzahlen zur Früherkennung«: 

Die IHK bietet ihren Mitgliedern zudem telefonische Beratung zu Krisenbewältigung und betriebswirtschaftlichen Fragen unter: 089 5116-0

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