Klimaschutz | Betrieb + Praxis
Einer für (fast) alle

Übersichtlich und praktikabel – wenn Mittelständler freiwillig über Nachhaltigkeit informieren, bietet sich der Berichtsstandard VSME an. Wo seine Vorteile liegen.
Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 05-06/2025
Es soll einfacher werden und weniger aufwendig – die EU hat sich daran gemacht, die Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit zu überarbeiten. Dabei erhält auch der von der Kommission angekündigte freiwillige Berichtsstandard VSME (Voluntary SME Standard) für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) neue Bedeutung. Die Kommission will damit die von Unternehmen einforderbaren Informationen deckeln (siehe Artikel „Es wird einfacher“).
Im Gegensatz zu den Berichtspflichten für Großunternehmen und Konzerne, den ESRS, ist der VSME wesentlich weniger umfangreich und inhaltlich weniger detailliert. Die aktuelle Version, die sich noch ändern kann, besteht aus zwei Elementen, dem Basic Module und dem Comprehensive Module. Die beiden Module umfassen jeweils rund zehn Berichtsfelder.
Keine Wesentlichkeitsanalyse
Das Basismodul fragt grundlegende Zahlen und Fakten zu Energie, Luft, Wasser, Boden, Biodiversität, Abfällen, Unternehmensführung, Entlohnung oder Korruption sowie im Ja-Nein-Modus das Vorhandensein von relevanten Konzepten und Praktiken ab. Das Comprehensive Module ist strategischer angelegt. Es fordert unter anderem, Konzepte und Praktiken, Klimarisiken und Klimatransition zu erläutern.
Die Wesentlichkeitsanalyse ist zwar in keinem der Module vorgeschrieben, die Unternehmen sind aber dazu angehalten, vorhandene Praktiken und Konzepte einer Liste von Nachhaltigkeitsthemen zuzuordnen. Mit dem sogenannten Sofern-einschlägig-Konzept wird sichergestellt, dass die Unternehmen nicht mehr Informationen erheben, als für das Geschäftsmodell relevant sind.
Abgehakt: individuelle Fragebögen
„Auf Initiative von Wirtschaftsvertretern und der DIHK hat die EU-Kommission von der European Financial Reporting Advisory Group, EFRAG, einen Vorschlag für den VSME entwickeln lassen, um den nicht berichtspflichtigen kleineren und mittleren Betrieben zu helfen“, erläutert Jan Greitens, Professor an der Westfälischen Hochschule. Die EFRAG hatte zuvor auch den Vorschlag für die ESRS erarbeitet.
Der freiwillige Nachhaltigkeitsberichtsstandard soll den Informationsbedarf der KMU- Geschäftspartner standardisieren. Denn aktuell sehen sich viele kleine und mittlere Unternehmen mit den unterschiedlichsten Nachhaltigkeitsfragebögen von Kunden und Finanzinstituten konfrontiert.
Einheitlicher Zuliefererstandard
Ein europaweiter KMU-Standard bietet – bei entsprechender Akzeptanz der Geschäftspartner und Finanzinstitute – die Chance, die Belastung der nicht direkt berichtspflichtigen KMU einzudämmen und den Zugang zu „grünen“ Finanzierungen zu ermöglichen.
Die Omnibus-Vorschläge stärken diesen Ansatz. „Der VSME würde so zum gesetzlich anerkannten Zuliefererstandard. Er vereinfacht die Nachhaltigkeitsinformationen, die nicht berichtspflichtige KMU beitragen müssen“, erklärt Experte Greitens. „Die KMU liefern dann maximal gemäß dem VSME zu, um die regulatorischen Anforderungen aus der Lieferkette und von Finanzinstituten zu erfüllen.“
KMU fühlen sich gut abgeholt
Greitens hat zusammen mit Jonas Dickel von der Dualen Hochschule in Baden-Württemberg den VSME für die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) 2024 noch vor dem Omnibus-Verfahren analysiert. Dazu arbeiteten sie mit einer bundesweiten Pilotgruppe aus zwölf KMU zusammen.
„Diese hatten bereits Erfahrungen mit umfangreichen individuellen ESRS-nahen Fragebögen von ihren verschiedenen Auftraggebern“, so Jonas Dickel. „Sie zu beantworten, hat ihre Kapazitäten einfach gesprengt. Mit dem VSME-Standard fühlten sie sich gut abgeholt und sicher.“
Auch passend für ESG-Ratings
Nicht zuletzt kann der VSME eine positive Wirkung für die Finanzierung von KMU entfalten: Im Zuge der europäischen Sustainable-Finance-Regeln müssen Banken ihre Firmenkunden, etwa wenn diese Kredite beantragen, auf Nachhaltigkeitsrisiken in den Feldern Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental Social Governance – ESG) prüfen. Ein gutes ESG-Rating bringt dabei Vorteile.
Schon vor dem Omnibus-Verfahren war es das Ziel der EU, dass der VSME auch einen wesentlichen Teil der Informationen abbildet, die Banken oder Investoren in ihren Ratings bei den KMU abfragen müssen. Tatsächlich habe jede Bankengruppe zum Ermitteln der ESG-Informationen bislang einen eigenen Fragebogen entwickelt.
Beschleunigte Kreditvergabe
„Die Unternehmen, die ja in der Regel mit mehreren Banken zusammenarbeiten, müssen dann mehrfach und oft umfangreich Antworten geben“, erklärt Simon Linder, bis Ende März 2025 Leiter Stab Vorstand beim Genossenschaftsverband Bayern (GVB) in München, der rund 180 Volks- und Raiffeisenbanken vertritt.
„Der Bankenverband setzt sich daher schon länger dafür ein, dass der Gesetzgeber den VSME als einheitlichen Standard für ESG-Abfragen festlegt, den dann alle Banken nutzen.“ Dies entlaste Geldinstitute und Unternehmen, der Kreditvergabeprozess beschleunige sich, Verwaltungs- und Prozesskosten sänken.
VSME – und nicht mehr!
„Der VSME soll dabei auch bei den ESG-Ratings das Maximum sein, was gefordert werden darf“, so Linder. „Mit dem Omnibus-Verfahren sind nun die Türen offen, den VSME als einheitlichen und maximalen Standard für ESG-Ratings wie auch für Zuliefererinfos zu etablieren.“
Mit EMAS gut vorbereitet
Besonders gut auf den VSME vorbereitet sind Unternehmen, die schon das Umweltmanagementsystem EMAS (Eco Management and Audit Scheme) nutzen. „Mit EMAS sind die Anforderungen des VSME bereits zu einem großen Teil abgedeckt“, sagt Fabian Eder, Referent beim Umweltgutachterausschuss (UGA) in Berlin. Umweltgutachter prüfen bei der EMAS-Validierung die Unternehmen vor Ort. EMAS und VSME seien bei den überprüfbaren Fakten bereits gut kompatibel, aber auch der strategische Bereich lasse sich bei Bedarf in EMAS integrieren, sagt Eder. „EMAS ist in jedem Fall ein Mehrwert für den VSME.“
IHK-Info: Details zum freiwilligen Berichtsstandard VSME
Was kleinere und mittlere Unternehmen bei der Berichtspflicht nach dem Standard VSME beachten müssen.