Klimaschutz | Betrieb + Praxis
Es wird einfacher

Die EU-Kommission will mit dem Omnibus-Verfahren die Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich straffen. Ein Überblick über die Vorschläge.
Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 05-06/2025
Sehr viele Berichtspunkte, hoher Aufwand: Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verlangte den Unternehmen einiges ab und rief bei vielen dadurch auch Unmut hervor. Nun hat die EU-Kommission reagiert: Sie will die Nachhaltigkeitsberichtspflichten deutlich entschlacken.
Noch sind die im sogenannten Omnibus-Verfahren entwickelten Vorschläge nicht vom EU-Parlament und vom Rat der Europäischen Union bestätigt. Sie können sich also noch ändern. „Werden sie aber in diese Richtung umgesetzt, bringen sie auf jeden Fall deutliche Erleichterungen für die Wirtschaft“, betont IHK-Experte Andri König. Das bedeute „weniger Aufwand und weniger betroffene Unternehmen“. Ein Überblick über die geplanten Änderungen:
Verhältnismäßiger und praktikabler
- Anwendungsbereich: Nur noch bestimmte Großunternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro beziehungsweise einer Bilanzsumme von über 25 Millionen Euro sollen in Zukunft als Kerngruppe berichten. Damit hätte europaweit lediglich ein Fünftel der ursprünglich verpflichteten Betriebe zu berichten.
- Berichtsinhalte: Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die die CSRD konkretisieren, sollen deutlich gekürzt werden. Aktuell sind es mehr als 1.000 Berichtspunkte. Ziel sind zudem mehr begriffliche Klarheit und mehr Abstimmung mit anderen Rechtsakten wie etwa der CSDDD, die die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette regelt.
Die Wesentlichkeitsanalyse nach doppelter Materialität ist nicht infrage gestellt: Unternehmen im neuen Anwendungskreis müssen also weiterhin prüfen, wie sich ihr Geschäft auf Gesellschaft sowie Umwelt auswirkt und umgekehrt welche Folgen Nachhaltigkeitsthemen finanziell auf das Geschäft haben.
Verschiebung der Fristen
- Abgabefristen: Für alle Unternehmen, die ab 2026 und 2027 hätten berichten müssen, wird die Abgabe der Berichte um zwei Jahre verschoben (siehe unten).
- Prüfung: Weiterhin vorgesehen ist die Prüfung der Berichte. Es gilt nun aber ausschließlich das vereinfachte Prüfprinzip der „begrenzten Prüfungssicherheit“. Statt Prüfstandards will die EU 2026 zunächst Prüfungsleitlinien erlassen.
Weniger Aufwand für Zulieferer
- Freiwilliger Standard VSME: Alle nicht-berichtspflichtigen Unternehmen, die freiwillig berichten wollen beziehungsweise berichtspflichtigen Auftraggebern für deren Berichte zuliefern sollen, werden auf den VSME-Standard verwiesen. Dieser soll auf Basis des von der European Financial Reporting Advisory Group EFRAG entwickelten „Voluntary standard for non-listed micro-, small- and medium-sized enterprises“ von der Kommission erlassen werden. Er soll die einzufordernden Informationen aus der Lieferkette zugleich deckeln (Value Chain Cap).
Firmen, die den VSME als Obergrenze für Abfragen in der Wertschöpfungskette einhalten, haben dann ihre Pflichten erfüllt, es sei denn, für die Branche bestehen weitere „übliche Informationsnotwendigkeiten“. Einen Entwurf des VSME gibt es bereits (siehe Artikel „Einer für (fast) alle“). - Streichungen: Die ursprünglich angedachten sektorspezifischen Standards fallen weg.
CSRD noch kein nationales Recht
Die Kommissionsvorschläge werden nun in Parlament und Rat diskutiert – eine Einigung wird für Anfang 2026 erwartet. Die von der aktuellen Fassung der CSRD betroffenen Unternehmen müssen sich nun auf dem Laufenden halten, ob es noch weitere Änderungen gibt, was wann für sie noch, nicht mehr oder auch neu gilt. „In Deutschland kommt hinzu, dass die derzeitige CSRD noch nicht in nationales Recht umgesetzt, also hierzulande nicht anzuwenden ist“, erläutert Annika Böhm, Referatsleiterin Gesellschafts- und Bilanzrecht bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin.
„Wir als IHK-Organisation finden, dass die CSRD aus überwiegender Sicht nicht verhältnismäßig ist, das heißt, über das eigentliche Ziel hinausschießt. Wir hoffen nun auf zügige Beratungen mit dem Ziel verhältnismäßiger und praktikabler Regelungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung für die direkt, aber auch für die indirekt betroffenen Unternehmen.“ Worauf sollten Firmen nun achten? Bei dieser Frage gilt es, zwei Unternehmensgruppen zu unterscheiden:
Zuerst eigene Betroffenheit prüfen
1. Betroffene Unternehmen der ersten Welle – Berichte ursprünglich ab 2025
Wäre die CSRD in Deutschland schon umgesetzt, müssten 2025 für das Jahr 2024 all jene Unternehmen nach CSRD berichten, die bisher schon nach der Vorgängerregel CSR-RUG in der Pflicht sind. Das sind vor allem größere kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden. „Da die CSRD in Deutschland noch nicht umgesetzt ist, gilt das CSR-RUG weiter. Alle nach CSR-RUG Betroffenen müssen eine nicht finanzielle Erklärung beziehungsweise einen Bericht nach den aktuell geltenden Regelungen des Handelsgesetzbuchs erstellen“, sagt Expertin Böhm.
„Zugleich sollten sie die CSRD-Entwicklung auf europäischer, aber auch die Umsetzung auf nationaler Ebene im Blick behalten und sich vorbereiten.“ Dabei sind nach CSR-RUG mehr Unternehmen berichtspflichtig als nach der angestrebten CSRD-Neuregelung. Hier gilt laut Böhm: „Auch die, die zukünftig nicht mehr berichten müssten, sind so lange in der Berichtspflicht nach CSR-RUG, bis die nationale gesetzliche Regelung geändert wird.“
Weg frei für Reformen
2. Betroffene Unternehmen der zweiten Welle – Berichte ursprünglich ab 2026 und 2027
Alle Unternehmen, die nach jetziger CSRD ab 2026 und 2027 für das jeweilige Vorjahr erstmals berichtspflichtig wären, sollen erst 2 Jahre später berichten müssen, also 2028 und 2029. Diesem Vorschlag haben EU-Parlament und Rat im April 2025 bereits im Eilverfahren zugestimmt. Die Verschiebung ist seit 17. April in Kraft.
Böhm: „Nun kann die CSRD inhaltlich überarbeitet und verabschiedet werden – ohne die später dann gegebenenfalls nicht mehr berichtspflichtigen Unternehmen mit der aktuell sehr umfangreichen Berichterstattung zu belasten.“ Deshalb war die Reform in zwei Rechtsakte geteilt worden: COM-2025-80 ermöglicht die zeitliche Verschiebung. COM-2025-81 ändert den Anwendungsbereich und die Inhalte.
Gesamtpaket für alle Regularien
Die RATIONAL AG in Landsberg am Lech, Hersteller von Gargeräten für Groß- und Gewerbeküchen, lässt sich von den neuen Vorschlägen und Übergangslösungen nicht irritieren. Sie beschäftigt mehr als 2.500 Mitarbeiter, war bereits nach CSR-RUG berichtspflichtig und wird es auch unter der CSRD sein – egal in welcher Version. „Für uns ist nun interessant, wohin sich Umfang und Komplexität der Berichtspflichten entwickeln und wie die CSRD auf andere Regularien wie die CSDDD abgestimmt wird“, sagt Gerd Amrhein, Vice President Risk Management.
RATIONAL hatte Ende 2023 begonnen, sich auf die CSRD vorzubereiten, obwohl das nationale CSRD-Gesetz noch fehlte: „Wir hätten 2025 für 2024 nach der CSRD berichten müssen, wenn das deutsche Umsetzungsgesetz wie geplant gekommen wäre. Deshalb haben wir eine erste Wesentlichkeitsanalyse nach doppelter Materialität durchgeführt und im weiteren Verlauf, auch in Abstimmung mit unserem Wirtschaftsprüfer, zunehmend Expertise und notwendige Berichtswege aufgebaut“, erläutert Amrhein
Nachhaltiger Wettbewerbsvorteil
Jetzt hat RATIONAL entschieden, erst einmal nach aktueller deutscher Gesetzeslage, also nach CSR-RUG, zu berichten, die CSRD aber im Blick zu behalten. „Bei allem Aufwand: Nachhaltigkeit ist Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie“, sagt Amrhein. „Die Berichtspflicht gibt ihr durchaus einen weiteren Schub.“ Dass die EU nun überambitionierte Vorschriften abmildert, findet er richtig. Das Ziel der Transparenz und weitere Nachhaltigkeitsfortschritte ließen sich so wahrscheinlich sogar noch besser erreichen.
„Zugleich ist es aber sinnvoll, die Berichtspflicht grundsätzlich aufrechtzuerhalten und Nachhaltigkeit dadurch zu fördern“, betont Amrhein. „Denn Leadership bei der Umsetzung von nachhaltigen Wirtschaftsformen gibt Europa auch strategische Wettbewerbsvorteile.“
IHK-Info: Weniger Sorgfaltspflichten in der Lieferkette
Die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette sind in der CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) geregelt. Die EU-Kommission hat im Omnibus-Verfahren auch hier Änderungen und Entlastungen vorgeschlagen. Eine finale Einigung mit Parlament und Rat wird Anfang 2026 erwartet.
- Die Sorgfaltspflichten werden auf die eigenen Tätigkeiten des Unternehmens, die seiner Tochtergesellschaften und die seiner direkten Geschäftspartner (Tier 1) beschränkt.
- Informationen, die Unternehmen im Anwendungsbereich von ihren KMU-Geschäftspartnern mit weniger als 500 Mitarbeitern einfordern können, sollen sich am freiwilligen VSME-Standard (CSRD) orientieren. Abweichungen bleiben möglich.
- Indirekte Geschäftspartner werden erst dann einbezogen, wenn „plausible Informationen“ über Risiken oder Verstöße vorliegen.
Sanktionen deutlich milder
- Unternehmen müssen ihre Due-Diligence-Aktivitäten nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle fünf Jahre bewerten.
- Eine Geschäftsbeziehung muss bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten nicht mehr beendet werden. Unter bestimmten Umständen sollen Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen nicht weiter ausbauen.
- Das Höchstmaß für Zwangsgelder (fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes) und die Orientierung von Zwangsgeldern am Nettoumsatz von Unternehmen wurden gestrichen. Auch die spezifische, unionsweite Haftungsregelung fällt weg.
Vor allem Große in der Pflicht
- Der Anwendungsbereich wurde unterteilt: Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern und über 900 Millionen Euro weltweitem Nettoumsatz sollen die CSDDD ab Juli 2028 anwenden, Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und über 450 Millionen Euro weltweitem Nettoumsatz ab Juli 2029.
- Die CSDDD muss ein Jahr später, bis Juni 2027, in nationales Recht umgesetzt sein.