Klimaschutz | Betrieb + Praxis
Klimafreundlich werden
Wer Produktions- und Logistikgebäude neu errichtet, kommt an regenerativen Energien nicht vorbei. Auch für Bestandsbauten können sich Investitionen in mehr Nachhaltigkeit rechnen.
Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 05-06/2024
Rund 70 Jahre lang hatte der Logistikdienstleister Ascherl hier seinen Standort. Jetzt soll auf dem knapp 60.000 Quadratmeter großen Grundstück unweit des Münchner S-Bahnhofs Moosach eine neue Vorzeigeimmobilie entstehen. Der österreichische Projektentwickler UBM Development, der das Areal 2019 erworben hat, möchte bis Ende 2026 die „Timber Factory“ mit insgesamt 4 Gebäuden hochziehen (siehe Artikel „Vielseitig und schnell“). Ab Ende 2026 sollen hier Produktions- und andere Betriebe einziehen.
Sie werden ein besonderes Ambiente vorfinden: Wo es möglich ist, lässt UBM mit Holz bauen. Der Baustoff soll den ohnehin kleinen CO2-Fußabdruck weiter verkleinern. Die 4 Gebäude mit bis zu 12 Geschossen werden ohne fossile Brennstoffe versorgt. Den Strom liefern Photovoltaikanlagen, die Raumtemperaturen regeln Wärmepumpen.
Bietet sich an: Photovoltaik aufs Flachdach
Nachhaltiges Bauen ist auch für großflächige Gewerbebauten längst selbstverständlich. Wer heute in neue Produktions- und Logistikhallen investiert, kommt an regenerativen Energien nicht vorbei. Auf den weitaus meisten Flachdächern können Photovoltaikanlagen gebaut werden und in beziehungsweise an den Gebäuden selbst sollten Plätze für Wärmepumpen ausgewiesen werden, die idealerweise mit grünem Strom versorgt werden. Mit dieser Kombi planen und bauen immer mehr Bauherren und Entwickler.
Ein aktuelles Beispiel ist der Logistikdienstleister Group7 AG, der in Schwaig nahe dem Flughafen München ein neues Dienstleistungszentrum hochzieht. Auf dem Dach des Gebäudes mit 65.000 Quadratmetern Nutzfläche, das Ende 2024 eröffnet werden soll, wird eine Photovoltaikanlage mit Energiespeicher installiert. Im Inneren werden Wärmepumpen und Heizstrahler für angenehme Temperaturen sorgen.
Echt nachhaltig – nur mit grünem Strom
Den weitgehend CO2-freien Betrieb will das Unternehmen mit einem E-Mobility-Konzept untermauern. Für E-Lkws und E-Pkws werden 125 Ladesäulen installiert. Der Logistikdienstleister kann mit seinen Nachhaltigkeitszielen allerdings nur überzeugen, wenn er mit grünem Strom aus eigenen Photovoltaikanlagen oder aus externen Quellen arbeitet.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass ein wirklich CO2-freier Betrieb am leichtesten mit mehreren Energieträgern realisiert werden kann. Viele Entwickler wollen Photovoltaik mit Geothermie beziehungsweise Fernwärme oder Wasserstoff kombinieren. Für Wasserstoff als Energieträger fehlt allerdings bislang die Infrastruktur. In nahezu allen Gewerbestandorten müssten zusätzliche Leitungen geplant beziehungsweise vorhandene umgebaut werden.
Noch keine Option: Geothermie
Auch Geothermie ist aktuell für nur wenige Standorte eine Alternative. Aus geografischen Gründen wäre gerade in Oberbayern eine kostengünstige Nutzung dieses Energieträgers möglich. Trotzdem stecken die meisten Projekte, die Gemeinden vor allem im Großraum München planen oder bereits angepackt haben, noch in den Anfängen. Vorerst ist nur an einzelnen Standorten eine flächendeckende Energieversorgung mit Geothermie möglich.
Als Konsequenz sehen manche Entwickler Wärmepumpen für Gewerbeneubauten als „neuen Standard“, wie Martin Birkert, Deutschland-Chef des polnischen Lagerimmobilienentwicklers MLP Group, formuliert. Allerdings sind die Investitionskosten vor allem für Großwärmepumpen ab 100 Kilowatt vergleichsweise hoch. Zudem muss ihr Betrieb auf den jeweiligen Standort abgestimmt werden.
Kaum empfohlen: Wärmepumpen
Weil aus thermischen Gründen warme Luft nach oben steigt, halten manche Gebäudeexperten Wärmepumpen für große Logistikzentren nur für „bedingt geeignet“. Wer eine gute Luftzirkulation wünscht, sollte zusätzlich Deckenventilatoren oder andere Lüftungssysteme installieren, empfehlen sie. Das allerdings treibt den Stromverbrauch nach oben. Wohl auch deshalb gibt es bislang kaum eine Empfehlung, Wärmepumpen in Bestandsgebäude einzubauen.
Vorab Statik und Installationen prüfen
Auch die Installation einer Photovoltaikanlage bei Altobjekten erfordert gründliche Vorbereitung. Wer eine solche Nachrüstung plant, hat viele Faktoren zu berücksichtigen. So müssen Gebäudestatik und -installationen untersucht sowie Dachdichtungen auf ihre Dämmfähigkeit getestet werden. Auch Netzanschlüsse sind zu prüfen. Wenn sie nicht den geltenden Normen entsprechen, müssen sie aufwendig nachgerüstet werden.
Bestand modernisieren, Ressourcen sparen
Trotzdem hält Birkert eine Modernisierung in vielen Fällen für sinnvoll. „Bestandsimmobilien sind häufig lokal bereits akzeptiert“, erklärt der MLP-Deutschland-Chef. „Eine ‚Wiederbelebung‘ reduziert außerdem häufig zusätzlich CO2-Emissionen. Ohnehin bedeutet die Arbeit mit Vorhandenem einen sparsameren Umgang mit knappen Ressourcen.“
Wenn jedoch Betrieb und Unterhalt zu teuer werden, bleiben oft nur Abriss und Neubau nach neuesten Standards. Vor dieser Entscheidung stehen im Moment viele Investoren.
Nachhaltig zurückbauen
Manche gehen aber auch einen Mittelweg. Das Investmentunternehmen AVENTOS Management GmbH hat in Karlsfeld bei Dachau zwei über 40 Jahre alte Lagergebäude vom Kosmetikhersteller ARTDECO COSMETIC GmbH erworben. AVENTOS will die Gebäude „zurückbauen“ und mit „nachhaltigen Gewerbeeinheiten“ aufwerten. Wie eine Modernisierung aussehen kann, lässt sich an einer Nachbarimmobilie studieren. Auf deren Dach wurde unlängst eine Photovoltaikanlage installiert.