Digitale Helfer für Hygiene- und Sicherheitsvorgaben

Sicherheits- und Hygienevorgaben, die eine Verbreitung des Coronavirus verhindern sollen, bescheren erheblichen Mehraufwand. Überblick zu digitalen Lösungen.
Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 10/20
Eine begrenzte Zahl von Einkaufskörben oder -wagen, Einlasskontrollen durch eigene Mitarbeiter oder Sicherheitsdienste: Seit dem Coronalockdown müssen Einzelhändler sicherstellen, dass die Abstandsregeln eingehalten werden und Gedränge auf der Verkaufsfläche vermieden wird – das ist mit einigem Aufwand verbunden. Bei Edeka Stubhann e.K. in Surheim bei Freilassing war in den ersten Coronawochen dafür ein Mitarbeiter an der Tür postiert.
3D-Sensoren, um »Füllgrad« und Wartezeit abzuschätzen
Bereits Mitte April ließ Geschäftsführer Tobias Stubhann (43) jedoch ein automatisches Einlasssystem der WG Global GmbH installieren. Seither zeigt ein Monitor am Eingang an, ob die Kunden eintreten dürfen oder noch warten müssen, weil zu viele andere Einkäufer im Laden sind. »Anfangs hatte ich ein bisschen Bammel, ob die Anzeige tatsächlich beachtet wird«, erinnert sich Tobias Stubhann. »Aber es funktioniert gut: Unsere Kunden betreten den Laden nur dann, wenn der grüne Daumen nach oben zeigt.« Dass auf dem Monitor zudem der »Füllgrad« des Lebensmittelmarkts zu sehen ist, sei sehr hilfreich. »Damit können die Kunden abschätzen, wie lange sie warten müssen.«
3-D-Sensoren an der Decke erfassen die hinein- und hinausgehenden Kunden und blenden andere Objekte wie etwa Einkaufswagen aus. Der Sicherheitsspezialist WG Global konnte nicht nur dieses System, sondern auch eine Lösung zum Körpertemperatur-Screening binnen wenigen Wochen nach dem Lockdown präsentieren. Dass dies so schnell möglich war, führt KeyAccount-Manager Paul Wieczorek (38) vor allem auf die im Unternehmen vorhandene Expertise sowie auf leistungsfähige Lieferanten zurück, die umgehend die erforderlichen technischen Komponenten bereitstellen konnten. »Als Experten für Sicherheitsthemen sind wir langjähriger Partner von Handel und Industrie«, erklärt Wieczorek.
Besucherströme lenken schon vor der Anreise
Einlassmanagement und Temperaturscreening können daher in Verwaltungsgebäuden und Produktionsstätten, bei Veranstaltungen, in der Gastronomie und bei Freizeitanbietern für den Infektionsschutz eingesetzt werden. Andere Unternehmen reagierten ebenso rasch und entwickelten digitale Lösungen, mit denen sich Gesundheitsschutz und Geschäftsbetrieb besser in Einklang bringen lassen. Neben dem Einlassmanagement und der Entzerrung von Besucherströmen, die beispielsweise der Ausflugsticker Bayern (Details unten) bietet, spielen dabei vor allem unkomplizierte Konzepte zur Registrierung von Gästen und Besuchern eine Rolle. Sie dämmen nicht nur bei Gastronomen die Zettelwirtschaft ein. So bietet etwa die Darfichrein GmbH eine digitale und datenschutzkonforme Registrierungslösung, bei der die Gäste die erforderlichen Kontaktinformationen per Smartphone übermitteln können.
Digital statt Zettelwirtschaft
»Im Falle eines Falles kann der Unternehmer damit der Gesundheitsbehörde die Kontaktdaten aller Personen für den geforderten Zeitraum ohne großen Aufwand zur Verfügung stellen«, erklärt Geschäftsführer Dominik Wörner (30). »Mittlerweile können Gastgeber auch eine digitale Speisekarte sowie Links zu den Social-Media-Kanälen hinterlegen.« Das Münchner Startup ist eine Tochtergesellschaft der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) und des DEHOGA Bayern. Binnen vier Wochen wurde aus einem Prototyp ein marktreifes Produkt, das bis Mitte September bereits an 1.555 Standorten mehr als 900.000 mal genutzt wurde.
Tools im Überblick vom DIHK
Unter dem Motto »Digitale Lösungen gegen Corona-Frust« hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) eine Liste mit passenden Hilfen für Unternehmen zusammengestellt. Sie gibt einen Überblick über Tools, die Firmen dabei unterstützen, die zahlreichen Coronaauflagen zu erfüllen. »Digitale Lösungen helfen bei der Bewältigung der Coronakrise«, sagt Carla Kirmis, Referentin Handel und E-Commerce bei der IHK für München und Oberbayern. »Sie tragen auch dazu bei, wirtschaftliche Aktivitäten mit dem größtmöglichen Gesundheitsschutz zu verbinden und den Pandemiealltag für Gastronomen, Einzelhändler und andere Unternehmer zu erleichtern.«
Freiwilligkeit als oberstes Gebot
Wichtig sei jedoch, dass deren Nutzung freiwillig sei – und zwar sowohl bei den Unternehmern als auch bei ihren Kunden. »Mitunter bieten die neuen digitalen Lösungen sogar noch einen erkennbaren Mehrwert«, sagt die IHK-Expertin. Dazu zählt zum Beispiel die Möglichkeit, Kunden oder Gäste mit Gutscheinen oder Rabattsystemen zu weiteren Besuchen oder Einkäufen zu motivieren.
Zudem können Vorschlags- oder Empfehlungsfunktionen die Kundenbindung stärken. Echtzeitdaten zu Kundenfrequenzen erleichtern nicht nur die Besucherlenkung, sondern liefern außerdem wertvolle Informationen für Personalplanung oder Marketingaktionen. »Corona beschleunigt die Digitalisierung«, fasst Kirmis zusammen, »selbst in Branchen, die diesem Thema bislang eher skeptisch gegenüberstanden.«
IHK-Service: Touristenströme lenken dank Ausflugsticker Bayern
Große Menschenansammlungen in bayerischen Naherholungsgebieten und beliebten Ausflugszielen vermeiden – diesem Ziel dient der Ausflugsticker Bayern, der Mitte Juli 2020 online ging. Dort können sich Übernachtungsgäste und Tagesausflügler bereits vor der Anreise über Sehenswürdigkeiten sowie die Situation vor Ort informieren. Und zwar nicht nur über Wetter, Veranstaltungen,
Öffnungszeiten und Aktionen, sondern auch über erwartetes Besucheraufkommen, Ticketverkäufe, Parkplatzsituation sowie Verkehrsaufkommen auf dem Weg dorthin.
Zudem werden Tipps für weniger frequentierte Attraktionen veröffentlicht. Bislang sind Ausflugsregionen aus Oberbayern, Ostbayern, Franken und dem Allgäu auf dem Ausflugsticker
vertreten. Die Informationen werden von den teilnehmenden Destinationsmanagement-Organisationen und den Landkreisen manuell eingepflegt und aktualisiert. Künftig soll es möglich
sein, digitale Zählstationen und Onlinebuchungssysteme mit dem Ticker zu verknüpfen.