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Spuren von Hoffnung

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Gastredner im Plenum – Bayerns Finanzminister Albert Füracker

Die IHK-Vollversammlung diskutierte mit dem Bayerischen Staatsminister Albert Füracker über die Lage und die Sorgen der Wirtschaft.

Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 04/2024

„Bleiben wir optimistisch“, riet Gastredner Albert Füracker (CSU), Bayerns Staatsminister der Finanzen und für Heimat. „Ohne Zuversicht geht es nicht“, meinte IHK-Präsident Klaus Josef Lutz. „Wir geben nicht auf“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Damit war der Ton gesetzt für die Sitzung der IHK-Vollversammlung Mitte März. Optimismus, Zuversicht und Durchhaltevermögen – alles wird es brauchen in einem Jahr, in dem es um so viel geht.

Während das Plenum im Stammhaus der IHK tagte, rückten russische Truppen in der Ukraine weiter vor. Im Juni wird sich zeigen, wie es mit Europa weitergeht . Im Herbst wird sich entscheiden, ob die USA Partner und Verbündeter der Europäischen Union und der NATO bleiben werden und ob in 3 östlichen Bundesländern demokratische Parteien die Mehrheit behalten. Der „Sorgenhorizont“ (Gößl) wird nicht schmäler, wenn man auf die Lage der Wirtschaft sieht.  

Wirtschaftspolitik als größtes Risiko

Im Ranking der G-20-Staaten performe nur Argentinien noch schlechter als Deutschland, klagte Füracker. Gößl zitierte aus der jüngsten BIHK-Konjunkturumfrage, die in den Medien Wellen schlug. Erstmals stuften die bayerischen Unternehmen die Wirtschaftspolitik als größtes Risiko ein. Der Indexwert bei den Geschäftserwartungen liegt bei –12 bei einem langfristigen Durchschnitt von +8.

„Für die Wirtschaft wird das wieder kein gutes Jahr“, sagte Gößl voraus, was zur Frage führte: Wie stemmt man mit Stagnation oder bestenfalls Mini-Wachstum die Großaufgaben Sicherheit und Verteidigung, Energiewende und Infrastruktur sowie soziale Sicherung bei rapider Alterung? IHK-Präsident Lutz bezifferte den Finanzbedarf für diese 3 Blöcke in den nächsten 20 Jahren auf weit über eine Billion Euro. Allein der Ausbau der Stromnetze werde laut Bundesnetzagentur eine halbe Billion Euro kosten.

„Kein Hauch von Selbstkritik“

Auch in Bayern bröckele es an allen Stellen, gab Füracker offen zu. Ebenso deutlich kritisierte er das, was jetzt nicht weiterhelfe: grundgesetzwidrige Haushaltstricks, Arbeitszeitverkürzungen, Ausbau von Sozialleistungen statt von Investitionen und ein viel zu kurz gesprungenes „Wachstumschancengesetzchen“.

Als enttäuschend beschrieb Lutz das Münchner Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Handwerksmesse. Das Fazit des Präsidenten: „Kein Hauch von Selbstkritik. Schuld an der wirtschaftlichen Lage seien die Weltkonjunktur und Schlechtredner. Nicht einmal den Brandbrief der 4 Spitzenverbände der Wirtschaft vom Januar hat der Kanzler beantwortet.“

Viele Baustellen und Ärgernisse

Thomas Dittler forderte, man müsse trotzdem mit allen im Gespräch bleiben. Eva Vesterling fragte, wie die Staatsregierung den Fachkräftemangel bekämpfen wolle. Füracker räumte ein, dass niemand ein Konzept gegen den demografischen Wandel habe. Es sei aber sicher, dass die deutsche Steuer- und Abgabenlast im Inland ebenso wie im Ausland wenig attraktiv wirke.

Weiterer Punkt der Debatte war der Dauerärger über die Betriebsprüfungen. Vizepräsident Georg Dettendorfer kritisierte, die Prozesse zögen sich in seiner Firma mehr als ein Jahr hin. Werner Mooseder bestätigte diese Praxiserfahrung.

Ernst machen mit Bürokratieabbau

Füracker äußerte Verständnis und sagte, man arbeite mit der IHK an Lösungen. Gößl betonte, in Bayern mache die Staatsregierung Ernst mit dem Bürokratieabbau. Vorgespräche seien geführt, ein runder Tisch mit dem Ministerpräsidenten stehe an.

Die IHK werde die Staatsregierung an ihren Zielen messen. Laut Koalitionsvertrag sollen mindestens 10 Prozent aller Verwaltungsvorschriften entfallen. Es darf nur dann ein neues Gesetz geben, wenn 2 bestehende gestrichen werden.

Desaster mit Ansage: Brenner-Autobahn

Andreas Lentrodt sprach mit dem Stichwort Brenner-Nordzulauf ein Desaster an. Österreichs Autobahn-Gesellschaft ASFINAG beginnt 2025 mit der Sanierung der Brenner-Autobahn. Das Land Salzburg kündigte bereits Gegenmaßnahmen wie Blockabfertigungen im Fall der Überlastung der Ausweichroute über die Tauern-Autobahn an. Thomas Eberl berichtete, seine Spedition bereite sich auf den Worst Case vor: „Wir bauen um, wir passen uns an. Bestimmte Waren fahren wir nicht mehr.“

Offen für Argumente: Habeck und Lindner

Tatsächlich gab es auch Positives zu berichten. Präsident Lutz verwies auf zuletzt auf Vorkriegsniveau gesunkene Energiepreise. Hauptgeschäftsführer Gößl stellte – Bundeskanzler Scholz ausgenommen – im Kabinett Analyse- und Handlungserkenntnis bei Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) fest. Die Einsicht über die strukturelle Wachstumsschwäche der Wirtschaft sei dort vorhanden, auch führten sie bereits Hintergrundgespräche mit Wirtschaftsvertretern.

„Wir arbeiten zu wenig“

Ohne Umschweife gilt es laut Gößl festzuhalten: „Wir arbeiten zu wenig.“ Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland sei seit 1991 um 18 Prozent auf rund 46 Millionen gewachsen, die tatsächliche Arbeitszeit aber nur um 2 Prozent auf knapp 62 Milliarden Stunden. Mit einer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit von 1.346 Stunden liege Deutschland im Ländervergleich am Tabellenende. In der benachbarten Schweiz arbeite eine Vollzeitkraft pro Jahr 250 Stunden mehr als in Deutschland.

Gute Noten vom Ehrenamt

Das Transfersystem aus Bürgergeld plus Wohngeld plus Familienzuschüsse motiviere nachweislich nicht zur Vollzeitarbeit, sondern halte im Gegenteil davon ab. Gößl zeigte konkrete Berechnungsbeispiele und meinte, dass ein Umbau hin zu geringeren Transferentzugsraten bei einer Ausweitung der Arbeitszeit unumgänglich sei.

In der präsentierten Halbzeit-Evaluierung der Wahlperiode gab es vom Ehrenamt gute Noten für Zusammenarbeit und Kommunikation. Nach der Coronapause ehrte die IHK im März auf 2 Veranstaltungen langjährige Ehrenamtliche. Lutz erklärte, diese Wertschätzung sei Teil der IHK-DNA. Rund 12.000 Ehrenamtliche seien die Herzkammer der größten deutschen IHK.


Die Positionen der IHK

Die Vollversammlung hat auf ihrer Sitzung folgende Positionspapiere verabschiedet:

Schienenanbindung Flughafen München

Die IHK für München und Oberbayern fordert zusammen mit weiteren Institutionen den Bund auf, für ein besseres Schienenverkehrsangebot am Flughafen München zu sorgen. Dafür braucht es den Bau neuer Gleisverbindungen und den Bau eines neuen Flughafenbahnhofs für Regional- und Fernverkehrszüge. Diese Projekte müssen in die Planungen des Bundes aufgenommen und umgesetzt werden.

Historisch bedingt, liegt der Flughafen am Standort im Erdinger Moos abseits der Hochgeschwindigkeitsachsen und abseits von Regionalverkehrsverbindungen. Der Flughafen ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für die Region und für Bayern das Tor zur Welt. Hiesige Unternehmen können ihre weltweiten Zielmärkte direkt erreichen. Internationale Gäste nutzen ihn für ihre Urlaubs- und Geschäftsreisen. Dafür hat sich „MUC“ als Umsteige-Hub und Premium-Drehkreuz im internationalen Luftverkehr einen Spitzenplatz erarbeitet, den es auch für die Zukunft zu sichern und zu stärken gilt.

Entwicklung und Ausbau des Biotech-Standorts Bayern

Bayerische Biotechnologie ist international führend. Um diese innovative und ertragreiche Zukunftsbranche auch 2035 noch an der Weltspitze zu halten, erachtet die IHK für München und Oberbayern Stärkungsmaßnahmen für erforderlich. Die bestehenden Biotech-Cluster in Martinsried, Regensburg, Erlangen/Nürnberg/Bayreuth, Würzburg und Straubing benötigen:

  • regionalspezifische Maßnahmen wie eine bessere Verkehrsanbindung (ÖPNV) und erweiterte Ansiedlungs- und Mietflächen wie zum Beispiel Labore für Start-ups
  • eine Stärkung des Clustermanagements durch die BioM GmbH
  • attraktivere Rahmenbedingungen, zum Beispiel Erleichterungen bei der Entwicklung, klinischen Prüfung und Markteinführung von neuen Medikamenten, Prozessoptimierungen durch Bürokratieabbau und Digitalisierung, weniger Restriktionen bei der Datennutzung, eine gezielte Fachkräfteoffensive sowie eine Offensive in der Öffentlichkeitsarbeit, um unter anderem die Akzeptanz gegenüber Biotechnologie zu steigern.

Stromgebotszone für Deutschland erhalten

Der deutsche Strommarkt ist als ein Strommarktgebiet beziehungsweise eine Gebotszone gemeinsam mit Luxemburg organisiert. In dieser Zone gilt ein einheitlicher Strompreis, der sich über Angebot und Nachfrage bildet. Durch den Ausstieg aus fossilen Energien und den Zubau erneuerbarer Energien zeigen sich Stromangebot und -nachfrage zunehmend unausgeglichener innerhalb der deutschen Gebotszone. Es gibt Engpässe im Stromnetz.

Vor diesem Hintergrund prüft die EU, ob und wie unter anderem der deutsche Strommarkt in mehrere Gebotszonen aufgeteilt werden sollte. Die IHK für München und Oberbayern fordert, an der bewährten deutschen Strompreiszone festzuhalten.

Eine unterschiedliche Preisbildung durch mehrere Preiszonen innerhalb Deutschlands würde zu Planungsunsicherheit der Unternehmen und Stromerzeuger führen und die langfristige Preisabsicherung erschweren. Die Strategie eines intelligenten und synchronen Ausbaus von erneuerbaren Energien, Speichern und der Netzinfrastruktur sollte fortgeführt werden. Nur damit ist das ambitionierte Ziel einer klimaneutralen Stromversorgung Deutschlands bis 2045 zu stemmen. Die Erfahrungen anderer europäischer Länder zeigen überdies, dass die Ziele einer Aufteilung wie
Infrastrukturausbau und sinkende Strompreise nicht wie erwartet eingetreten sind. Zudem bleiben die Kosten einer Umstellung unberücksichtigt.

Alle IHK-Positionen sind online verfügbar. 

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