Problemlöser RobCo: Roboter als Bausatz
RobCo hat das Resultat eines Forschungsprojekts sehr erfolgreich am Markt etabliert. Mit seiner Robotiklösung deckt das Start-up einen echten Bedarf im Mittelstand.
Von Melanie Rübartsch, IHK-Magazin 07-08/2024
Ein Paket greifen, umdrehen, auf eine Palette stapeln. Ein weiteres nehmen, umdrehen, ebenfalls in die Box legen. Erneut Pakete greifen, ablegen – bis die Palette voll ist. Solche sich immer wiederholenden Aufgaben in der Logistik oder Produktion haben bei großen Industriekonzernen längst Roboter übernommen.
Bei vielen Mittelständlern ist diese Form der Automatisierung hingegen nach wie vor selten: zu teuer, zu komplex in der Implementierung, zu unflexibel für die sich schnell verändernde Auftragslage und die damit verbundenen wechselnden Aufgaben. 3 Jungingenieure aus München haben sich daher aufgemacht, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen passende Robotiklösungen für ihren Bedarf zu liefern.
Das Start-up RobCo hat so etwas wie einen Baukasten für Industrieroboter entwickelt, mit dessen Hilfe Unternehmen die passende Automatisierungstechnologie für ihre Anwendungen regelrecht konfigurieren können. „Kern unserer Technologie ist eine selbst entwickelte, auf Algorithmen basierende Software, an die unsere Hardwaremodule wie Greifarme, Sauger, Gelenke oder Hebel angedockt werden können“, erklärt CEO Roman Hölzl.
Startpunkt für 7 von 10 Kunden
Für jede Lösung entsteht zugleich ein digitaler Zwilling. Mit ihm lassen sich die jeweiligen Systeme schnell und unkompliziert vor Ort einrichten, aus der Ferne steuern und die Arbeitsergebnisse und -abläufe zugleich erfassen, verarbeiten und analysieren. Der Bedarf ist da: „Etwa 70 Prozent unserer Kunden hatten vor RobCo keine technische Prozessautomatisierung im Einsatz“, sagt Hölzl.
RobCo ist erst knapp dreieinhalb Jahre alt. Die 3 Gründer Roman Hölzl (30), Constantin Dresel (29) und Paul Maroldt (30) haben in dieser Zeit mit ihrem Team eine beachtliche Erfolgsstory geschrieben. Über die bisherigen Finanzierungsrunden bei verschiedenen Investoren wie Frank Thelens Venture-Capital-Fonds Freigeist oder den beiden US-amerikanischen Schwergewichten Sequoia Capital und Lightspeed Ventures sammelte RobCo rund 55 Millionen Euro ein.
Umsatz verdreifacht – 2 Jahre hintereinander
Den Umsatz hat das Start-up in den vergangenen beiden Geschäftsjahren jeweils mehr als verdreifacht. Als Grund für den Erfolg nennt Hölzl mehrere Faktoren: „Wir haben eine echte technologische Innovation, für die wir insgesamt 4 Patente haben. Wir haben ein Team, das Erfahrung und diverses Spezialwissen mitbringt. Und es gibt ein gigantisches Marktpotenzial, das wir heben können.“ Seit über 15 Jahren höre man, dass es keine Automatisierungslösungen gibt, die den industriellen Mittelstand wirklich entlasten. „Genau in diese Lücke stoßen wir jetzt mit unserer Forschung und den daraus entwickelten Produkten.“
Die Innovation liegt bei RobCo weniger in den Robotern selbst als vielmehr in der Software beziehungsweise der intelligenten Verknüpfung von Robotertechnik und Steuerung. „Die Kunden brauchen ein System, das robust und äußerst präzise im industriellen Umfeld arbeitet und unkompliziert in das Produktions- und Softwareumfeld, das die jeweilige Aufgabe mitbringt, eingebettet werden kann“, erklärt der Softwareingenieur.
Konfiguration am Rechner wie bei der Küchenplanung
Wenn es um die Umsetzung geht, vergleicht Hölzl sein Unternehmen eher mit einem Küchenstudio als mit einem großen Roboterhersteller: „Wie bei der Planung einer Küche oder auch eines Autos sitzen wir mit den Kunden erst einmal am Rechner und konfigurieren die benötigte Lösung.“
Welche Anwendung wird benötigt? Welche Größe, welche Greifer, welche Reichweite, welche Traglast? Als Basis hat RobCo 2 Plattformen im Angebot, die sich modellieren lassen: Ein System für Pick-and-Place-Aufgaben, also das Bringen von Dingen von A nach B, sowie eines für bahngetreues Abfahren. Gemeint sind damit etwa präzise Schweißungen oder Lackierungen.
Paketpreis für rasche Amortisierung
Für alle Bedenken, die Mittelständler möglicherweise bislang vom Erwerb einer Roboterlösung abgehalten haben, will RobCo Antworten liefern. So kauft der Kunde keinen Roboter für eine einzelne Anwendung, sondern ein Paket, das er relativ flexibel an neue Aufgaben anpassen kann. Die Installation erfolgt vor Ort in maximal 3 Tagen – mehr oder weniger per Plug and Play. Auch finanziell stellt das System eine weitaus geringere Belastung dar als die Anschaffung einer großen Roboteranlage. „Bei der Preisgestaltung ist unser Ziel, dass sich das jeweilige Paket in maximal 3 Quartalen im Vergleich zu den sonst anfallenden Lohnkosten amortisieren muss“, so Hölzl.
Kennengelernt haben sich die 3 Gründer am Lehrstuhl für Robotik und künstliche Intelligenz der TU München. Dresel forschte im Bereich Software und Maroldt auf dem Gebiet Mechatronik. Hölzl kam wegen seiner Promotion an den Lehrstuhl. Die Arbeit wurde über das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) mitfinanziert.
„Hört auf zu forschen, baut für den echten Einsatz!“
Im Rückblick ein idealer Ausgangspunkt, um zu sondieren, ob es für die erforschte Softwarelösung wirklich einen Markt gibt. „Über die Forschungsarbeit hatten wir regelmäßige Feedbackschleifen mit Unternehmen, die heute unsere Kunden sind. Einige davon standen uns regelrecht auf den Füßen: Wir sollten endlich aufhören zu forschen und etwas für den echten Einsatz bauen“, erinnert sich Hölzl.
Der Kontakt zu diesen Unternehmen war einer der Gründe, warum RobCo in München geblieben ist. Die Nähe zu weiteren potenziellen Abnehmern und wichtigen Zulieferern kam hinzu. Genauso wie die beiden Universitäten, die mögliche neue Talente für die Belegschaft ausbilden. 65 Mitarbeitende hat RobCo mittlerweile. Das Team hat inzwischen bei über 100 Kunden Robotiklösungen installiert.
Internationale Kunden bereits im Blick
Die Auftraggeber kommen zu 80 Prozent aus Deutschland. Der Rest verteilt sich auf 7 weitere europäische Länder sowie Malaysia, Saudi-Arabien und Australien. „Unser Ziel ist es, das führende europäische Unternehmen für autonome und intelligente Robotik zu werden. In jeder zum industriellen Mittelstand gehörenden Fabrik soll mindestens ein RobCo-Modell stehen“, sagt Hölzl. Dazu arbeitet das Unternehmen außer am Ausbau der kommerziellen Strukturen stetig an der Fortentwicklung der Module und der Software. Die Modelle sollen noch intelligenter werden, etwa durch kameragestützte Teileerkennung oder autonome Vorprogrammierungen.
Vision: KI-Unternehmen als Schrittmacher der deutschen Wirtschaft
Die Vision der 3 Gründer reicht aber noch weiter: „In den vergangenen 100 Jahren wurde die deutsche Wirtschaft außer vom starken Mittelstand vor allem von den großen Konzernen der Ingenieurskunst getragen – Auto- und Maschinenbauer oder Chemieunternehmen“, sagt Hölzl. „Wir glauben, dass Unternehmen wie RobCo, die den Schritt von einer erfolgreichen KI-Forschung in die Kommerzialisierung antreten und gezielt wachsen wollen, die nächste Garde dieser Schlüsselunternehmen sein können.“
Die Problemlöser: Clevere Ideen für große Herausforderungen
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