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Setzt bei seiner Firma Friendly Captcha auf organisches Wachstum – Unternehmer Benedict Padberg

Der preisgekrönte Unternehmer Benedict Padberg zeigt, wie man Werte und Digitalisierung verbindet – und damit sogar gegen Google bestehen kann.

Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 05-06/2024

Etterschlag ist ein Ortsteil der Gemeinde Wörthsee und klingt deutlich weniger glamourös als Silicon Valley oder Tel Aviv. Auf der kommunalen Website findet sich der Hinweis auf „viele kleine Denkfabriken“, die auf den ersten Blick nicht zu entdecken seien. Stimmt leider. Die App „Here we go“ führt uns zielsicher zum „Interlink Space“, dem „Arbeitsplatz für Unternehmer mit Herz und Ideen mit Wirkung“. Das klingt schon mal spannend. Solche Co-Working-Locations tragen dazu bei, dass die EU-Kommission Oberbayern zu den 3 innovativsten Regionen Europas zählt.

Dann kommt er leibhaftig und gut gelaunt, der Unternehmer und preisgekrönte Gründer Benedict Padberg. Stolz zeigt er auf seinem Smartphone die Bilder, auf die ganz Oberbayern stolz sein kann: Sie entstanden im Herbst 2023, als Padberg und Guido Zuidhof, mit dem er die Friendly Captcha GmbH gegründet hat, den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie „Start-up“ erhielten. Unter diese Kategorie fallen Unternehmen, die maximal 3 Jahre alt sind – und trotzdem schon „ihre Geschäftsidee besonders erfolgreich am Markt etabliert haben“.

„Niemals an Google verkaufen!“

Auf einem der Fotos sieht man Padberg neben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stehen. Sein Puls, sagt der Gründer heute, sei ganz schön nach oben gegangen, als Friendly Captcha als Gewinner auf die Bühne gerufen wurde. Padberg, so lässt es sich in den Berichten der regionalen Medien lesen, musste Habeck ein Versprechen geben: niemals an Google zu verkaufen.

An Google verkaufen? Nichts liegt dem Unternehmer ferner. Er will dem US-Konzern Geschäft abnehmen. Ein Grund dafür liegt in einem Schlüsselerlebnis, das Padberg mit 14 Jahren hatte. Er fühlte sich damals durch einen Beitrag auf Facebook persönlich verletzt. Er quälte sich durch die Nutzungsbedingungen, schrieb Facebook an. Padberg kam zur gleichen Erkenntnis wie Österreichs Datenschutzaktivist Max Schrems: Facebook & Co. machen mit unseren Daten, was sie wollen.

Leitidee: Datenmissbrauch verhindern

Padberg wollte sich damit nicht abfinden. Er gründete das soziale Netzwerk „Liveslide“, das Teilnehmern die Gewissheit gab, dass ihre Daten nicht missbraucht werden. Das Portal brachte es auf 30.000 Nutzer, scheiterte am Ende aber am Geld. Padberg hatte auf jedwede Einnahmequelle verzichtet und musste die Server mit seinem Taschengeld bezahlen. Das war für ihn eine Lektion: Auch soziale Projekte müssen wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen, damit sie langfristig funktionieren.

Einen kommerziellen Nutzen brachte das Ganze aber schon. Padberg war jetzt in der regionalen Wirtschaft bekannt. Unternehmer, die für ihre Digitalprojekte Hilfe suchten, sprachen ihn an, ob er dies oder jenes für sie machen könne. Als Konsequenz gründete Padberg schon mit 17, noch vor Abitur und BWL-Studium, in Wörthsee eine Digitalagentur.

Mehr Wirkung durch Co-Working

Ausschließlich ums Geld ging es ihm aber nie. Padberg gründete Firmen und beteiligte sich an Start-ups, die etwas bewirken sollten. Die Ziele waren Datenschutz, soziale Inklusion und erneuerbare Energien. Um positive Wirkung zu erzeugen, muss man die richtigen Menschen zusammenbringen – auf Basis dieser Idee gründete Padberg 2016 den „Interlink Space“, den ersten Co-Working-Space im Landkreis Starnberg. Padberg nutzte dafür Erfahrungen, die er in New York gemacht hatte.

Sein Ansatz geht offensichtlich auf. Start-ups, Freiberufler, Autoren, Wissenschaftler und Unternehmer nutzen heute den „Interlink Space“. Geboten werden 20 Arbeitsplätze plus Lounge, Besprechungsnischen und Aufenthaltsräume. Für seine Projekte erhielt er den Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Gründer, den German Design Award und den Energy Award. Eine stolze Bilanz für einen Unternehmer, der im Jahr 2024 gerade einmal 28 Jahre alt ist.

Gegen Diskriminierung und Datendiebstahl

Was Padberg bundesweit bekannt gemacht hat, war die Gründung von Friendly Captcha 2020. Das Ganze war die Folge eines Problems, über das Padberg grübelte, seit er Internetseiten für Unternehmen konzipierte. „Ich musste auf den Websites ein Captcha einfügen, um sie vor Spam- und Bot-Angriffen zu schützen“, erklärt er. Jeder Nutzer kennt das: „Ich bin kein Roboter.“ Für den Nachweis muss man Bildrätsel lösen, beispielsweise alle Fotos mit Verkehrsampeln oder Zebrastreifen anklicken.

Je nach Stimmungslage geben Nutzer dann gleich auf. Menschen mit Sehstörungen können die Rätsel überhaupt nicht lösen. Der Service wurde von Google entwickelt und heißt reCaptcha. Was Padberg zusätzlich daran nervte: wie dreist der US-Konzern dafür Nutzerdaten abgreift.

Kampfansage an Google

„Datenschutz, das kannst du da vergessen“, sagt der Unternehmer. Als Beispiel nennt er eine Onlineapotheke. Wenn der Service dort im Einsatz ist, könne Google sogar erfahren, welches Medikament ein Nutzer bestellt habe. Wochenlang recherchierte Padberg, ob es keine bessere Lösung gibt. Irgendwann stieß er auf einen Blogeintrag seines späteren Mitgründers Guido Zuidhof, der dafür eine neue Technik entwickelte.

„Mir war sofort klar: Das ist es“, berichtet Padberg im „Interlink Space“. Er schickte Zuidhof eine E-Mail. Wegen Corona tauschten sich die beiden anfangs nur virtuell aus. Persönlich begegneten sie sich erst beim Notar, als sie ihre Firma gründeten. Friendly Captcha sagte dem Giganten Google den Kampf an. Dass das schwierig wird, war Padberg klar. Er war aber von den Vorzügen seines Produkts absolut überzeugt.

Schon mehr als 50 Millionen User

Das „Friendly“ im Firmennamen steht für eine datenschutzkonforme Lösung: Es werden keine Daten für Werbung verscherbelt oder heimlich Nutzerprofile erstellt. Trotzdem gibt es den Schutz vor Bot-Attacken. Nur bekommt das der Nutzer nicht mit. Das erledigt der Computer, der im Hintergrund eine Rechenaufgabe lösen muss.

Derzeit nutzen pro Jahr etwa 52 Millionen Menschen Friendly Captcha. Das Start-up hat inzwischen 15 Mitarbeiter und schützt etwa 25 Millionen Websites vor Bot-Angriffen. Kleine Firmen, Vereine und gemeinnützige Organisationen bekommen die Software kostenlos.

Cybersecurity „Made in Etterschlag“

Sein Geld verdient das Start-up mit mittlerweile gut 2.000 zahlenden Kunden. Die EU steht ebenfalls auf der Kundenliste. Friendly Captcha macht genau das, was die EU-Kommission unter digitaler Selbstermächtigung versteht: Digitalisierung nicht den US-Konzernen und China überlassen. Auf Basis europäischer Werte eigene Lösungen entwickeln. Edeka, Porsche, Zalando, Telekom Austria, das Rote Kreuz, diverse Bundesländer, die Regierungen von Österreich und von Monaco – sie alle setzen auf Cybersecurity „Made in Etterschlag“.

Gesundes, organisches Wachstum

Bemerkenswert ist, dass die beiden Gründer das Unternehmen komplett aus Eigenmitteln und aus laufenden Umsätzen finanziert haben. Padberg sieht darin einen Vorteil. „Wir bauen auf ein gesundes, organisches Wachstum“, sagt er. Padberg kann glaubhaft versichern, dass Deutschland sich bei Digitalisierung und Gründung international nicht verstecken muss. Nur die Bürokratie nennt er als eine große Standortschwäche.

„IHK-Ehrenamt ist echter Gewinn“

Das IHK-Ehrenamt bietet ihm die Chance, auch dieses Problem anzugehen. Bei der IHK-Wahl 2021 bewarb er sich für einen Sitz im Regionalausschuss Starnberg – und wurde gewählt. Er schätzt das Amt, der Austausch mit Unternehmen anderer Branchen sei ein echter Gewinn, sagt er.

Mithilfe der Sparkasse finanziert Padberg sein nächstes Projekt: Er will in Germering bei München direkt am Bahnhof ein Co-Working-Center errichten. In dem 6-stöckigen Gebäude sollen Wohnungen und Büros für Freiberufler und Start-ups entstehen. Sieht ganz so aus, als wollte Padberg weiter Gas geben – und für reichlich Wirkung sorgen.

Die Problemlöser: Clevere Ideen für große Herausforderungen

IT-Sicherheit, Integration, Klimaschutz, Energieversorgung – das sind nur einige der gewaltigen Probleme, vor denen wir stehen. In Oberbayern gibt es zahlreiche Unternehmen, die diese Herausforderung annehmen: Sie entwickeln kluge Lösungen für die drängenden Aufgaben unserer Zeit. Das IHK-Magazin stellt diese Problemlöser in einer Serie vor.

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