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Das Rad neu erfunden

DeepDrive ©
Lernten sich im Studium kennen – das Team der 7 Gründer von DeepDrive

Das Start-up DeepDrive hat einen besonders effizienten und günstigen Elektroantrieb entwickelt. Das Interesse der Autohersteller ist groß, die Serienproduktion steht bevor.

Von Uli Dönch, IHK-Magazin 01–02/2024

Für Felix Pörnbacher und seine 6 Mitstreiter stand schnell fest: Um wirklich etwas zu verändern, müssen sie ein eigenes Unternehmen gründen. „Man könnte Elektromotoren so viel besser und kostengünstiger bauen“, sagt der heutige Co-Geschäftsführer der DeepDrive GmbH. „Dieses enorme Potenzial können wir aber nicht im Umfeld eines Großunternehmens ausschöpfen. Wir müssen uns unser eigenes Umfeld schaffen.“

Das war im Mai 2021. Heute, mehr als 2 Jahre später, steht DeepDrive vor dem Durchbruch. Auf der Mobilitätsmesse IAA Mobility 2023 zeigte das Münchner Start-up neben seinem bereits bekannten Radnabenmotor auch den ersten Prototyp eines revolutionären Elektrozentralantriebs. Der neue E-Motor ist effizienter, aber vor allem kostengünstiger zu bauen als alle bisherigen elektrischen Antriebsformen.

Ein halbes Dutzend Kerninnovationen – 1. Mal kombiniert

DeepDrive hat Vorhandenes genutzt, verändert und den E-Motor völlig neu gedacht: „Wir hatten nicht diesen einen großen Geistesbliz“, erklärt Mitgründer Pörnbacher. „Unsere Idee hat sich aus vielen kleinen Geistesblitzen entwickelt.“ Die neue Technik basiert auf einem halben Dutzend Kerninnovationen – hier zum ersten Mal miteinander kombiniert.

Innovativ: Doppelrotor-Radialflussmaschine

Die von DeepDrive entwickelte neue E-Antriebstechnologie nennt sich „Doppelrotor-Radialflussmaschine“. Das klingt kompliziert, ist aber eigentlich recht einfach: Der Motor besteht aus 3 Ringen, von denen sich nur die beiden äußeren bewegen. Auf diese Weise braucht der DeepDrive-Antrieb – anders als die heutigen E-Motoren – etwa 80 Prozent weniger Eisen, 50 Prozent weniger Magnetmaterial und kein Gramm der ebenso knappen wie teuren seltenen Erden.

Batterien: jetzt kleiner, aber dieselbe Reichweite

Trotz dieser enormen Einsparungen kann das neue Antriebswunderwerk mehr als die bisherigen Elektromotoren. „Mit unseren Antrieben fährt ein Auto nachweislich bis zu 20 Prozent weiter oder braucht für dieselbe Reichweite bis zu 20 Prozent kleinere Batterien“, sagt Pörnbacher. „Unser Motor ist nicht nur kompakt und leicht, sondern lässt sich auch einfach und günstig in Großserien fertigen.“

Zurück ins Jahr 2021: Die 7 jungen Gründer lernten sich bereits vor etwa einem Jahrzehnt während ihres Studiums an der TU München kennen. Nach vielen Jahren in führenden Automobilunternehmen kamen sie 2021 wieder zusammen, um gemeinsam einen neuen E-Antrieb zu entwickeln, für dessen Verwirklichung sie aber auch fremdes Geld brauchten.

Pörnbacher erinnert sich: „Beim Start konnten wir den Interessenten und potenziellen Geldgebern noch nicht so viel fertige Technik zeigen wie heute. Sie haben vor allem in unser Team, in unsere Ideen und in deren Umsetzung investiert.“

Der Durchbruch: „Go“ von 15 externen Experten

Im Februar 2022 erhielt DeepDrive das nötige Startkapital: 4,3 Millionen Euro finanzierten UVC Partners GmbH, Bayern Kapital GmbH sowie erfahrene private Venture-Capital-Investoren. Außerdem flossen 1,5 Millionen Euro aus Förderprojekten des Landes Bayern.  

Der Besuch eines deutschen Automobilherstellers brachte DeepDrive den ersten großen Durchbruch – den Namen darf Pörnbacher wegen strenger Geheimhaltungsklauseln nicht nennen: „Das Unternehmen schickte etwa 15 Experten, die unsere Technologie gründlich prüften und dabei feststellten, dass tatsächlich alles so funktionieren kann, wie wir es beschrieben hatten.“

Bis zur zweiten Finanzierungsrunde im März 2023 musste DeepDrive dann nachweisen: Das Start-up verfügt nicht nur über ein überzeugendes technologisches Konzept, sondern kann es auch in der Praxis zum Laufen bringen. Das gelang offenbar.

Finanzspritze von weiteren 15 Millionen Euro

Gemeinsam mit den bisherigen Investoren stellten die beiden Branchengrößen BMW i Ventures und Continental Corporate Venture Capital Unit weitere 15 Millionen Euro bereit. „Die E-Motor-Technologie von DeepDrive ist auf eine einfache und kostengünstige Großserienfertigung ausgelegt“, sagt Marcus Behrendt, Managing Director bei BMW i Ventures. „Die Skalierung zur Großserie ist unser erklärtes Ziel.“ Im Oktober 2023 gaben Continental und DeepDrive zudem den Start einer strategischen Partnerschaft bekannt.

DeepDrive will jetzt mit voller Kraft die industrielle Produktion der E-Motoren vorantreiben und personell wachsen. Die 7 Gründer waren die ersten Mitarbeiter. Sie besitzen immer noch etwa die Hälfte der Unternehmensanteile.

Kernziel neu definiert

Zu einem erfolgreichen Start-up gehört auch, die Firmenstrategie anzupassen, wenn es der Markt verlangt. Statt, wie anfangs geplant, den Autoherstellern eine vollständige neue Fahrzeugplattform inklusive E-Antrieb anzubieten, konzentriert sich DeepDrive jetzt auf das Kernziel, günstige und effiziente Elektromotoren zu entwickeln.

Pörnbacher: „Wir haben schnell gemerkt, welch enorme finanzielle und organisatorische Herausforderung eine komplette automobile Plattform für ein kleines Start-up wie uns bedeuten würde.“

Zudem zeigten die Hersteller deutlich mehr Interesse an dem neuartigen Elektromotor. „Also haben wir uns ganz klar auf das Thema E-Antrieb fokussiert – nicht nur auf den Elektromotor im Rad, sondern noch viel stärker auf den Zentralantrieb.“

Mit den Motoren von DeepDrive ist beides möglich: Sie sind so klein und flexibel, dass sie sich in einen Radnabenantrieb einbauen lassen. Aber auch zentral im Fahrzeug, so wie bei fast allen Automobilen. Diese klassische Lösung macht etwa 90 Prozent des Marktvolumens für Elektroautos aus, schätzt Pörnbacher: „Aber wir vernachlässigen auch die restlichen 10 Prozent des Markts nicht – das kann für uns noch ein sehr spannendes Segment werden.“

Nächste Herausforderung: Serienfertigung mit Partner

Wie geht es weiter für DeepDrive? „Unser nächster wichtiger Schritt ist, unsere Technologie zu industrialisieren“, sagt Co-Chef Pörnbacher. „Das heißt: Wir wissen, wie unser E-Motor in einer Großserie aussehen wird. Jetzt müssen wir noch exakt festlegen, wie sich dieser Antrieb tatsächlich in einer Serienfertigung produzieren lässt.“

Serienfertigung – das bedeutet mindestens 50.000 Elektromotoren. Ein solches Produktionsvolumen kann ein Start-up wie DeepDrive unmöglich allein stemmen, sondern nur gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Automobilindustrie. Pörnbacher und Co-Geschäftsführer Ender planen daher, nur einen Teil der Antriebe selbst zu produzieren. Den größten Teil der Motoren wollen sie bei Herstellern und Zulieferern in Auftrag geben.

Top-Kunden aus Europa

„Unser Ziel ist, dass wir bis Ende 2024 einen verbindlichen Auftrag, also ein „Serien-Commitment“, in dieser Größenordnung haben“, sagt Pörnbacher. Derzeit kooperiert DeepDrive mit 8 der 10 größten Automobilhersteller. Die Top-Kunden kommen dabei aktuell allesamt aus Europa, so Pörnbacher.

Auch deshalb steht für den Co-Geschäftsführer fest: „Wir sehen uns als Teil einer wichtigen europäischen Schlüsselindustrie. Und wir wollen dazu beitragen, dass hier auch in Zukunft spannende und wettbewerbsfähige Autos hergestellt werden.“     

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