Klimaschutz | Unternehmen
Problemlöser GovShare: Von anderen lernen
Wie lassen sich öffentliche Klimaschutzprojekte voranbringen? Auf der Plattform des Start-ups GovShare können Kommunen von den Erfahrungen anderer profitieren.
Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 11-12/2023
„Gerade Städte und Gemeinden benötigen dringend Informationen über praxisbewährte Lösungen zur Senkung der CO2-Emissionen“, ist Philipp Schwarz (39) überzeugt. Der Geschäftsführer und Gründer der Münchner GovShare GmbH machte diesen Know-how-Bedarf bereits 2020 aus, als er mit Praktikern sprach, die sich in den Kommunalverwaltungen mit Klimaschutz- oder Energiethemen befassen.
Für Schwarz war diese Erkenntnis gleichsam der Startschuss für seine Firma: Er entwickelte eine Internetplattform, die den Kommunen seit Mai 2023 bundesweit zur Verfügung steht und sich mit ganz praktischen Fragen beschäftigt: Wie lassen sich Kampagnen zur Gebäudesanierung auf den Weg bringen? Was ist zu beachten, wenn kommunale Gebäude energetisch ertüchtigt werden? Wie kann man die Straßenbeleuchtungen auf energiesparende LED-Technik umstellen? Welche weiteren Maßnahmen könnten infrage kommen? Ist die Einrichtung von Mobilitätsstationen oder die Gründung einer Energiegenossenschaft hilfreich? Welche Hindernisse tauchen bei der Umsetzung solcher Projekte womöglich auf?
Die Onlineplattform zeigt eine Vielzahl an Beispielen für Klimaschutzprojekte, bewertet die nötigen Investitionen sowie die laufenden Kosten, taxiert die CO2-Ersparnis und vermittelt einen Einblick in Praxiserfahrungen.
Auf einen Blick: Projekte, Dienstleister, Hersteller
Dazu gehören Umsetzungshilfen, Leitfäden sowie die Kontaktdaten der Ansprechpartner in den Kommunen, die einzelne Projekte erfolgreich umgesetzt haben. Es gibt aber auch Hinweise auf die Dienstleister und Hersteller, etwa von klimaschonenden Heizungen oder Klimaanlagen. „Die Kommunen haben alles auf einen Blick und sparen sich viel Aufwand, zumal die zeitraubende Suche nach Lösungsbeispielen entfällt“, sagt der Gründer, der im englischen Oxford Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften studiert hat.
Allein bis Sommer dieses Jahres sammelte GovShare 72 Fallbeispiele aus 60 Kommunen und platzierte sie auf dem Portal. Schwäbisch Hall etwa rüstete die Straßenbeleuchtung auf LED-Leuchtmittel mit Einsatz einer Steuerungssoftware zur Fehlerübermittlung und Dimmung um. Das bayerische Neuötting errichtete am Rathaus einen Photovoltaik-Carport mit elf Stellplätzen für Elektrofahrzeuge.
Werkzeuge für die Umsetzung
In den nächsten 5 Jahren, so der Plan, könnten rund 1.000 Projektbeispiele zusammenkommen, die GovShare dann zum Abruf bereithält. Auf der Plattform stehen außerdem diverse „Werkzeuge“ für die Umsetzung zur Verfügung, etwa Beschlussvorlagen, Dokumentenmuster oder Projektdokumentationen.
Kommunen können so von den Erfahrungen anderer profitieren und müssen bei ihren Projekten nicht von vorn beginnen. Sie verhindern Fehlinvestitionen oder Verzögerungen und vermeiden damit unnötige Kosten. Im besten Fall kommen so mehr Klimaschutzaktivitäten in Gang. „Letztlich können die Städte und Gemeinden mit unserer Plattform ihre Vorhaben schneller umsetzen und ihre Klimaschutzziele effizienter erreichen“, verspricht Schwarz.
Praxisfälle systematisch recherchiert
Gelegenheiten dazu gebe es genügend in den Kommunen, ermittelte die Studie „Klimaschutz in kommunalen Unternehmen“ des Umweltbundesamts. Demnach hätten Städte und Gemeinden reichlich Potenzial, um CO2-Emissionen zu reduzieren, etwa in der kommunalen Energie- und Wasserversorgung, in der Abwasserentsorgung, bei kommunalen Immobilien, im Gesundheitswesen und im Verkehr.
Und wie macht GovShare geeignete Praxisfälle ausfindig? „Wir gehen systematisch vor und recherchieren nach geeigneten Beispielen in Deutschland, Österreich sowie in der Schweiz. Wir suchen überdies nach Preisträgern oder Teilnehmern bei einschlägigen Nachhaltigkeitswettbewerben und nehmen Kontakt zu ihnen auf“, erläutert Schwarz. Ein Expertenteam wählt Lösungsbeispiele aus, die sich für die GovShare-Plattform eignen, und schätzt zudem die Klimarelevanz der Maßnahmen ein, etwa ihre CO2-Ersparnis.
Geringe Gebühren, günstiger Einstieg
Bisher haben sich rund 50 Kommunen registriert, die das Portal mehrheitlich noch kostenlos nutzen. Die Gebührenhöhe soll künftig von der Einwohnerzahl einer Kommune abhängig sein und Gemeinden einen möglichst günstigen Einstieg ermöglichen.
Auch Unternehmen, etwa Dienstleistern und Geräteherstellern, steht die Plattform offen. Sie können sich bei kommunalen Entscheidern mit technischen Lösungen sowie einschlägigen Projekten positionieren und im Vorfeld von öffentlichen Vergabeverfahren auf sich aufmerksam machen. Bisher sind 30 gewerbliche Plattformnutzer eingetragen, denen während der Aufbauphase ebenfalls ein kostenloses Angebot zur Verfügung steht. Die Finanzierung des Start-ups sei gesichert, sagt Unternehmer Schwarz. „Mit der Frankfurter FAZ Business Media GmbH konnten wir einen fachlich passenden und langfristig orientierten Investor für die Umsetzung von GovShare gewinnen“, sagt der ehemalige Unternehmensberater.
Städte und Gemeinden als Inputgeber
Die Entwicklung läuft im Austausch mit den Kommunen. „Unterstützt wurden wir unter anderem vom Landkreis Bad Kissingen, der als Pionierkommune zahlreiche Ideen und Vorschläge zu nützlichen Plattformangeboten beigetragen hat“, berichtet Schwarz. Auch von den Stadtverwaltungen in Geretsried, Saarbrücken, Esslingen und Schwäbisch Hall habe er viel Feedback erhalten. Ebenso von der Stadt München, die mit dem Fachwissen der in Klimathemen eingebundenen Abteilungen hilfreich gewesen sei.
Überregionales Angebot schließt Lücke
Zugutekommen dürfte dem Unternehmen, dass die mehr als 10.000 deutschen Kommunen bei ihren Nachhaltigkeitsanstrengungen vor ähnlichen Herausforderungen stehen. „Viele Kommunen sind in puncto Klimaschutz zwar durchaus aktiv, wissen aber wenig von den praktischen Erfahrungen in anderen Regionen“, so der Unternehmer. An einer überregionalen Anlaufstelle wie GovShare bestehe daher reges Interesse.
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