Problemlöser Energyminer: Schwimmende Kraftwerke
Das Potenzial der Wasserkraft zur Stromerzeugung ist längst nicht ausgeschöpft, findet das Start-up Energyminer – und setzt auf Kraftwerke in Fließgewässern.
Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 11-12/2024
Die Idee ist faszinierend. Ganze Schwärme von schwimmenden Strömungskraftwerken könnten künftig allein durch die Fließgeschwindigkeit der Flüsse Strom erzeugen. Schwarmkraftwerke produzieren dauerhaft bestimmte Energiemengen und sind, anders als etwa Photovoltaik- oder Windkraftanlagen, unabhängig von Jahreszeiten oder aktuellen Wetterkapriolen. „Die technischen Voraussetzungen für den Einsatz von Schwarmkraftwerken sind gegeben, wobei auch einzelne Anlagen regional einen Beitrag leisten könnten“, sagt IHK-Energieexperte Anian Pauli.
Die Energyminer GmbH in Gröbenzell bei München hat solche Strömungskraftwerke entwickelt. Eine Pilotanlage ihres sogenannten Energyfish liefert seit knapp 1,5 Jahren ununterbrochen Strom. Installiert ist die Anlage nahe dem Münchner Tierpark im Auer Mühlbach, der sich aus Isarwasser speist. Der schwimmende Stromerzeuger ist im Flussbett verankert und stellt rund um die Uhr Energie bereit – frei von klimaschädlichen CO2-Emissionen und ohne Risiken für Menschen, Tiere oder Umwelt.
Alle im Fluss: Schwarmkraftwerke
Die Stromkabel verlaufen über das Flussbett bis zu einer sogenannten Landbox und werden mit dem regionalen Niederspannungsnetz verbunden. Bei Hochwasser taucht die Anlage selbstständig ab, die Stromproduktion läuft unvermindert weiter.
„Das Projekt im Auer Mühlbach war erst der Anfang“, sagt Georg Walder, einer der beiden Energyminer-Geschäftsführer. 2021 hat der promovierte Elektroingenieur das Unternehmen gemeinsam mit dem promovierten Maschinenbauingenieur Richard Eckl gegründet. Ihre Vision: Schwarmkraftwerke mit Dutzenden von Energyfischen erzeugen Strom in Flüssen, ohne Kohlendioxidemissionen, umweltverträglich und grundlastfähig. Industriebetriebe zum Beispiel, regionale Energieanbieter, Kläranlagen oder auch Privathaushalte können damit ihren eigenen Strom produzieren, den sie entweder selbst nutzen oder ins öffentliche Netz einspeisen. Dafür erhalten sie eine Vergütung von rund 12 Cent pro Kilowattstunde.
100 Energyfische für 500 Haushalte
Energiegewinnungskonzepte wie ihre seien bisher einmalig, so Walder. Jeder Energyfisch ist mit dem Kunststoffgehäuse circa 3 Meter lang sowie rund 1,50 Meter hoch. Die durchschnittliche Leistung beträgt etwa 1,8 Kilowatt, maximal sind es 6 Kilowatt. Dabei ist die Rotationsgeschwindigkeit der beiden Rotoren, die das durchfließende Wasser für die Stromerzeugung nutzen, auf ein für echte Fische ungefährliches Niveau begrenzt. Ein Sogeffekt entsteht nicht“, sagt Walder.
Ein Schwarm mit 100 Strömungskraftwerken, die in Ufernähe knapp unter der Wasseroberfläche schwimmen, kann eine Leistung von bis zu 600 Kilowatt erzeugen, je nach Fließgeschwindigkeit des Gewässers und der zur Verfügung stehenden Wasserfläche. Das dürfte ausreichen, um den Strombedarf von rund 500 Privathaushalten zu decken. Optimal sei ein Durchfluss von mindestens 10 Kubikmetern pro Sekunde, sagt Walder. Per Simulationssoftware lässt sich genau berechnen, welche Strommengen je Flussabschnitt möglich sind.
In wenigen Tagen installiert
Jeder einzelne Energyfish wird im Schwarm einfach in den Fluss gehängt und im Flussbett verankert. Die Gewässer werden weder aufgestaut noch anderweitig verändert, die Biotope bleiben intakt. Vorinvestitionen wie bei klassischen Wasserkraftwerken, etwa durch den Bau von Staustufen, entfallen. „Ein Schwarmkraftwerk ist vergleichsweise einfach, zudem sehr kostengünstig und lässt sich innerhalb von wenigen Tagen installieren“, betont Walder. Die Innovation sorgt auch bundesweit für Aufsehen. Gerade wurde das junge Unternehmen beim Startup Germany Summit in Berlin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ausgezeichnet.
Pilotanlagen in Planung
Die Genehmigungsverfahren für die ersten beiden Standorte sollen bis Ende 2024 abgeschlossen sein. So ist in Augsburg ein Schwarmkraftwerk mit etwa 100 Energyfischen in der Nähe einer Kläranlage geplant. Für die Installation sorgen Dienstleister aus der Region. Überwachen lassen sich die Anlagen, die von Fertigungspartnern in Deutschland und Polen hergestellt werden, per App.
Zeitverzug durch Bewilligungen
Walders Kunden werden künftig die installierten und in Betrieb genommenen Schwarmkraftwerke samt den erforderlichen Genehmigungen der zuständigen Behörden erhalten. Bis ein entsprechender Antrag bewilligt ist, dauert es derzeit etwa 6 bis 12 Monate. „Ich gehe aber davon aus, dass die Bewilligungen in Zukunft deutlich schneller vorliegen“, sagt Walder.
Investition rechnet sich
Investitionen in Schwarmkraftwerke sollten sich für die Kundschaft zumindest langfristig rechnen. „Der Käufer kann mit einem jährlichen Return on Investment von etwa 8 Prozent kalkulieren“, verspricht der Unternehmer. Er setzt auf Wachstum. 2025 will er bundesweit bereits 25 Kraftwerke mit jeweils 30 bis 200 Energyfischen installieren.
Energie wie aus 1.000 Windanlagen
Bisher produzieren Wasserkraftwerke in Bayern im Mittel rund 12,5 Milliarden Kilowattstunden Strom jährlich und stellen einen Anteil zwischen 13 und 16 Prozent an der Bruttostromerzeugung bereit. Damit lassen sich rechnerisch rund 4 Millionen Haushalte versorgen. Durch den Einsatz von Mikrokraftwerken könnte nach Energyminer-Berechnungen die Stromerzeugung per Wasserkraft um ein Drittel ansteigen – wenn man die Potenziale der bayerischen Flüsse entsprechend nutzt. Das entspricht der Leistung von rund 1.000 Windkraftanlagen. Energyminer-Geschäftsführer Walder: „Das Marktpotenzial ist riesig.“
Die Problemlöser
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